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Wirtschaftsminister Robert Habeck im September in Wewelsfleht, Schleswig-Holstein: Spatenstich für die Stromtrasse Suedlink. Geld aus Altersvorsorge kann und sollte auch in die Energiewende fließen © picture alliance/dpa | Christian Charisius
  • Von Andreas Harms
  • 08.11.2023 um 13:32
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Die Versicherungsbranche verwaltet Billionensummen, und jedes Jahr kommen Milliarden hinzu, das meiste davon für die Altersvorsorge. Wäre das Geld nachhaltig angelegt, könnte das zweifellos viel bewegen. Leider ist das nicht so einfach, wie ein Blick auf Regulierung, aber auch auf Produkte zeigt.

In der Biomex.TV-Sendung vom 15. September 2023 weist Jens Göhner auf ein Dilemma hin: „Die Kunden wollen es, sprechen es aber nicht an. Und die Berater haben es, sprechen es aber auch nicht an“, stellt der Leiter Produktmanagement bei der Stuttgarter in einer Diskussionsrunde fest und bezieht sich dabei auf eine aktuelle Umfrage unter Vermittlern und Kunden.

Worum es in dieser Runde geht? Um das Thema nachhaltige Altersvorsorge. 97 Milliarden Euro steckten die Menschen in Deutschland im Jahr 2022 in Altersvorsorgeprodukte der Versicherer, meldet deren Branchenverband GDV. Das ist ein enormer Hebel, den die Branche damit in der Hand hält. „Sie kann bei der Transformation in eine nachhaltige Welt in ihrer Funktion als Kapitalsammelbecken ganz, ganz viel bewegen“, sagt Göhner und nennt die Zahl von 1,8 Billionen Euro, die die Branche unter ihren Fittichen hat. Das ist fast viermal so viel wie der komplette Bundeshaushalt für 2023.

Was also, wenn dieses viele Geld dorthin fließen würde, wo es am Ende Gutes bewirkt? Schließlich braucht die Wirtschaft rund um den Globus Geld, aber eben auch Druck, um in eine saubere, nachhaltige Bahn zu gelangen. Druck, den solch hohe Summen an Anlegergeld zweifellos erzeugen können. Seit Jahren gibt es dafür die Abkürzung ESG für Umwelt (Environment), Soziales (Social) und Unternehmensführung (Governance). Wobei die Punkte S und G das Thema Umwelt sinnvoll um menschenfreundliche Verhaltensmuster ergänzen sollen.

Inzwischen ist es über ein Jahr her, dass Vermittlern eine entsprechende Abfragepflicht aufgedrückt wurde. Seit dem 2. August 2022 müssen sie also jedem Kunden die ESG-Gretchenfrage stellen: „Kunde, nun sag, wie hältst du’s mit der Nachhaltigkeit?“ Grob umrissen geht es nicht nur darum, ob Kunden überhaupt Lust darauf haben, sondern auch in welchem Ausmaß. Verfolgen sie echte, ausdrückliche Nachhaltigkeitsziele? Sollen ihre Investments einfach nur keinen Schaden anrichten? Oder sollen sie zu einem oder mehreren Zielen beitragen und kein weiteres gefährden? Inzwischen gibt es dazu ganze Fragebögen und ein spezielles ESG-Modul zum Beratungswerk DIN-Norm 77230 „Basis-Finanzanalyse für Privathaushalte“.

Produkte sind noch nicht rein nachhaltig

Und offensichtlich halten es die Kunden auf Nachfrage hin mit der Nachhaltigkeit gar nicht so schlecht, wie Göhner schon andeutete und der ebenfalls bei Biomex.TV anwesende Versicherungsmakler Stephan Busch von Progress Finanzplaner bestätigt. Er und sein Kollege Tom Wonneberger bringen Nachhaltigkeit in jedem Erstgespräch auf den Tisch, mit der erbaulichen Erkenntnis: „Über 80 Prozent unserer Kundinnen und Kunden sagen dann, es ist für sie unverzichtbar“, so Busch.

Doch leider gibt es bei allem guten Willen noch immer einige Probleme, denn die Produkte erfüllen noch nicht die reine Lehre der Nachhaltigkeit. Man könnte das mit einem veganen Gericht vergleichen, in dem dann doch noch ein Stück Butter schwimmt. Und damit ist es eben nicht mehr vegan.

Der erste Punkt ist das Sicherungsvermögen und betrifft somit in erster Linie klassische Renten- und Lebensversicherungen, aber auch hybride Produkte aus Fonds und Sicherungsvermögen – und am Ende sogar alle Fondspolicen, wenn die Rente noch klassisch aus dem Sicherungsvermögen fließt. In dem gilt nämlich das „Prinzip der kollektiven Kapitalanlage“, wie es der Aktuar und Mathematikprofessor Karl Michael Ortmann in einem Gutachten bezeichnet. Heißt etwas salopp ausgedrückt: Alles Geld wandert in denselben Pott, und auch die Erträge lassen sich nicht nach nachhaltig und nicht nachhaltig auseinanderklamüsern. Dass Versicherer ihr komplettes Sicherungsvermögen nachhaltig hinbekommen, bezweifelt nicht nur Ortmann. Auch der Nachhaltigkeitsspezialist Andreas Kick vom Institut für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP) meint: „Es ist in der Breite heute gar nicht möglich, die Sicherungsvermögen der Versicherer kurzfristig nachhaltig zu gestalten.“

Seite 2: Bafin muss auf deutsche Eigenart reagieren

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Andreas Harms

Andreas Harms schreibt seit 2005 als Journalist über Themen aus der Finanzwelt. Seit Januar 2022 ist er Redakteur bei der Pfefferminzia Medien GmbH.

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