- Von Barbara Bocks
- 13.06.2025 um 11:33
In der Versicherungsbranche reden derzeit alle über künstliche Intelligenz (KI). Aber welche Versicherer setzen eigentlich bereits KI-Anwendungen im Echtbetrieb ein – und wo halten sie sich lieber noch zurück?
In Teil 1 haben uns bereits die Arag, die Bayerische, Domcura, die Ergo und HDI Deutschland exklusiv Auskunft über die KI-Anwendungen gegeben, die sie unter anderem im Echtbetrieb nutzen. Die Interviewstrecke finden Sie hier.

Dafür nutzen Deutschlands Versicherer KI-Anwendungen – Teil 1
Wie Künstliche Intelligenz Versicherungsberufe neu definiert
Diese Tech-Trends werden die Versicherungsbranche prägen
Im zweiten Teil unserer Interviewstrecke stehen die folgenden Versicherer uns Rede und Antwort zu ihren KI-Anwendungsfällen:
- Allianz
- Hanse-Merkur
- R+V Versicherung
- Signal Iduna
Wir bringen die Interviews in alphabetischer Reihenfolge. Daher starten wir die Interviewstrecke mit der Allianz und ihren bisherigen KI-Anwendungsfällen.
Allianz: „KI ist nur so gut wie die Daten, auf denen sie basiert“

Pfefferminzia: In welchen Bereichen setzen Sie KI bereits im Echtzeitbetrieb ein, und wo planen Sie den Einsatz von KI noch?
Allianz: KI ist ein integraler Bestandteil unserer Innovationsstrategie und unterstützt das intelligente und nachhaltige Wachstum, das wir anstreben. Die Allianz setzt KI bereits ein, um die gesamte Wertschöpfungskette zu verbessern. Beispiele hierfür sind der Kundendialog, das Underwriting, die Preisgestaltung, die Schadenregulierung, die Betrugsbekämpfung und viele andere Geschäftsbereiche.
Ein paar konkrete Beispiele sind:
- Enterprise Knowledge Assistant (EKA) für Kundenbetreuer im Callcenter
Der Enterprise Knowledge Assistant (EKA) der Allianz nutzt künstliche Intelligenz, um Callcenter-Mitarbeitenden schnell genaue Informationen zu liefern. Der Vorteil für die Kundinnen und Kunden ist ein schnellerer und besserer Service am Telefon. EKA beschleunigt das Abrufen und Extrahieren von Informationen, was die Reaktionszeiten verkürzt und zu höheren Lösungsquoten beim ersten Kundenkontakt führt. Eine Feedback-Komponente ermöglicht Änderungen bei Bedarf und eine kontinuierliche Feinabstimmung.
- Easy-Claims-App: schnellere Zahlung von Bagatellschäden
Die von Control-Expert, einer Tochtergesellschaft der Allianz, entwickelte KI-gestützte App ermöglicht es Kunden, Fotos ihres beschädigten Fahrzeugs hochzuladen und innerhalb weniger Minuten ein Abwicklungsangebot zu erhalten. Dieser Dienst nutzt die KI-Analyse von Fotos, um den Umfang und die Schwere des Schadens zu bestimmen und Kunden einen Kostenvoranschlag zu unterbreiten. Falls erforderlich, fordert das System weitere Fotos an. Kundinnen und Kunden können zwischen einer Entschädigung oder einer Reparatur wählen. All dies ist in nur wenigen Minuten erledigt. Sie profitieren so von einer schnellen und unkomplizierten Schadenregulierung. Und unsere Schaden-Expertinnen und -Experten können sich mehr auf komplexe oder emotional schwierige Fälle konzentrieren. Die App ist bereits in mehr als 20 Märkten weltweit im Einsatz.
- KI-basierte SMS-Unwetterwarnung
Eine KI sagt Ort, Zeit und Auswirkungen extremer Wetterereignisse bis hin zur genauen Adresse mit einem hohen Maß an Zuverlässigkeit voraus. Unser Unwetterwarnsystem sendet dann eine SMS-Warnung. Wir versenden etwa zehn Warnungen pro Kunde und Jahr. 96 Prozent der Kundinnen und Kunden ergreifen Maßnahmen, um Schäden an ihrem Eigentum zu verhindern, und bewerten diesen Service mit 4,6 auf einer 5-Sterne-Skala. Wir testen diesen Dienst derzeit mit mehr als 1,9 Millionen Kunden in Deutschland, und eine breitere Einführung ist geplant.
Wie stellen Sie sicher, dass KI-gestützte Entscheidungen nachvollziehbar und regelkonform sind – insbesondere gegenüber Maklern und Kunden?
Allianz: Unser Leitprinzip bei der KI und insbesondere bei der Generativen AI ist es, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und die Technologie zu nutzen, um die Fähigkeiten unserer Teams zu ergänzen – nicht zu ersetzen. KI unterstützt unsere Mitarbeitenden bei einfachen, sich wiederholenden Aufgaben. Dadurch haben unsere Mitarbeitenden mehr Zeit für komplexe Aufgaben, bei denen ihr menschliches Urteilsvermögen gefragt ist. Für uns sind und bleiben Menschen die letzte Instanz in strittigen oder unklaren Fällen. Unsere Kundinnen und Kunden sprechen immer direkt mit Menschen, wenn es darauf ankommt.
Vor einigen Jahren sind wir eine freiwillige Verpflichtung zum verantwortungsvollen Einsatz von KI im Einklang mit diesen fünf Grundsätzen eingegangen:
- Transparenz: Wir kommunizieren offen über den Zweck unserer KI-Systeme. Dazu gehört zum Beispiel, dass wir Kunden und Mitarbeitende informieren, wenn sie direkt mit einem KI-System wie einem Chatbot interagieren.
- Schutz der Daten: Unsere KI-Systeme verwenden personenbezogene Daten von Kundinnen und Kunden und Mitarbeitenden nur in Übereinstimmung mit den geltenden Datenschutzgesetzen und -standards, einschließlich des Allianz Datenschutzstandards.
- Menschliches Handeln und Kontrolle: Jeder Einsatz von KI-Systemen respektiert die Autonomie und Entscheidungsfreiheit unserer Kundinnen und Kunden. Wir berücksichtigen die Perspektive von Kunden, Mitarbeitenden und anderen Stakeholdern, wenn wir KI-Systeme für unsere Versicherungsprozesse konzipieren und entwickeln.
- Fairness und Nicht-Diskriminierung: Wir verpflichten uns, sowohl direkte als auch indirekte Diskriminierung, etwa aufgrund von Geschlecht oder Ethnie, zu vermeiden. Außerdem minimieren wir mögliche Verzerrungen sowohl in den Daten selbst als auch in jedem einzelnen Modell.
- Rechenschaftspflicht: Wir überwachen die KI-Systeme in der Produktion, um sicherzustellen, dass die Entscheidungen mit dem beabsichtigten Ergebnis übereinstimmen, und berücksichtigen dabei das Feedback der Nutzerinnen und Nutzer. Außerdem führen wir eine prüfbare Dokumentation über die Einhaltung der geltenden Gesetze und Vorschriften.
Was sind derzeit die größten Herausforderungen bei der Einführung von KI in Ihrem Haus, und wie lösen sie diese?
Allianz: KI ist nur so gut wie die Daten, auf denen sie basiert. Mit ihrer Daten- und KI-Strategie stellt die Allianz sicher, dass ihre KI-Anwendungen auf genauen, qualitativ hochwertigen und strukturierten Daten basieren und dass die Anforderungen an Datenschutz und Privatsphäre erfüllt werden. So können fundiertere Entscheidungen getroffen und Ergebnisse messbarer gemacht werden.
Der Eckpfeiler der Daten- und KI-Strategie der Allianz ist die kontinuierliche Verbesserung, die auf zwei zentralen Bewertungen basiert: Datenreife und Datenfitness. Die Allianz Datenplattform (ADP) ist ein wichtiger Bestandteil der Daten- und KI-Strategie. Sie ermöglicht es, Daten aus verschiedenen Quellen zu integrieren und gewährleistet gleichzeitig, dass die hohen Governance-Standards der Allianz eingehalten werden.

0 Kommentare
- anmelden
- registrieren
kommentieren