Wirtschaftsminister Robert Habeck im September in Wewelsfleht, Schleswig-Holstein: Spatenstich für die Stromtrasse Suedlink. Geld aus Altersvorsorge kann und sollte auch in die Energiewende fließen © picture alliance/dpa | Christian Charisius
  • Von Andreas Harms
  • 08.11.2023 um 13:32
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Die Versicherungsbranche verwaltet Billionensummen, und jedes Jahr kommen Milliarden hinzu, das meiste davon für die Altersvorsorge. Wäre das Geld nachhaltig angelegt, könnte das zweifellos viel bewegen. Leider ist das nicht so einfach, wie ein Blick auf Regulierung, aber auch auf Produkte zeigt.

In der sogenannten Taxonomie hat die EU nämlich festgelegt, welche Geschäftsfelder von Unternehmen als nachhaltig gelten. Seit 2022 ist sie anzuwenden.

Bafin-Regel mit Pferdefuß

Ortmanns Urteil ist schon über drei Jahre alt, gilt aber grundsätzlich noch immer. Um das zumindest ein Stück weit zu ändern, hat die Finanzaufsicht Bafin im Juli den sogenannten Zuordnungsansatz veröffentlicht. Danach können Versicherer Teile des Sicherungsvermögens direkt als nachhaltig ausweisen und sauberen Vermögensgegenständen zuordnen. Das dürfen sie aber nur bei neuen Produkten, was wiederum der GDV bemängelt. Ihm wäre lieber, wenn man das auch unter bestimmten Voraussetzungen für Bestandsverträge anwenden könnte.

Doch das ist nur ein Nebenaspekt. Denn etwas anderes lässt den ganzen Zuordnungsansatz zur reinen Augenwischerei verkommen: Die Bafin stellt klar, dass die Erträge auf keinen Fall getrennt werden dürfen. In dieser Hinsicht muss das alte Kollektivsystem bestehen bleiben. Damit kann also eine Vorsorge auf dem Papier zwar nachhaltig sein – in den Überschüssen können aber sehr wohl noch Zinsen aus Kohle und Öl enthalten sein. Das ist nicht Sinn der Übung.

Die Bafin griff zu der Maßnahme, weil Sicherungsvermögen eine deutsche Eigenart sind. Die berühmt-berüchtigte Offenlegungsverordnung (SFDR) der Europäischen Union (EU) geht zum Beispiel gar nicht darauf ein. Stattdessen dreht sie sich in erster Linie um Investmentfonds, die sie in drei Stufen einteilt. Produkte nach Artikel 6 haben keine speziellen ­ESG-Merkmale, sind also herkömmlich. Produkte nach Artikel 8 berücksichtigen bei der Auswahl der Anlageobjekte ESG-Kriterien. Und Produkte nach Artikel 9 verfolgen ausdrücklich Nachhaltigkeitsziele.

Chaos und Stückwerk aus Regeln, Ambitionen und Unklarheiten

Wobei es sich bei der SFDR um reine Transparenzregeln handelt. Welcher Fonds nach welchem Artikel was kaufen darf und was nicht, steht dort nicht drin. Und die Investmenthäuser müssen die Produkte selbst einordnen – später bei Kontrollen wird sich zeigen, ob sie richtig liegen.

Es ist noch wahnsinnig viel Chaos und Stückwerk aus Regeln, Ambitionen und Unklarheiten, die die einzelnen Produkthäuser auch noch für sich unterschiedlich auslegen. „In der Realität sind wir aktuell mit einem Wirrwarr sich teils widersprechender Informationen konfrontiert“, beklagt zum Beispiel Daniel Regensburger, Geschäftsführer bei Pangaea Life, der nachhaltigen Marke der Bayerischen.

Was aber ganz besonders peinlich ist, bringt Magdalena Kuper, Leiterin Nachhaltigkeit beim Investmentverband BVI in dessen Jahrbuch 2023 auf den Punkt: „Unklarheit besteht außerdem darüber, welche Kriterien ein Fonds erfüllen muss, um als nachhaltig bezeichnet und beworben zu werden.“ Das heißt: Nicht einmal der Kern des Ganzen, der Begriff Nachhaltigkeit selbst, ist geklärt.

Seite 3: Spezielles Fondspolicen-Rating vom IVFP

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Andreas Harms

Andreas Harms schreibt seit 2005 als Journalist über Themen aus der Finanzwelt. Seit Januar 2022 ist er Redakteur bei der Pfefferminzia Medien GmbH.

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