Rechtsanwalt Tobias Strübing von der Kanzlei Wirth Rechtsanwälte: „Starkes Signal für Versicherungsnehmer“ © Wirth Rechtsanwälte
  • Von Redaktion
  • 27.05.2025 um 10:29
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Vor dem Oberlandesgericht Hamm ging es kürzlich um die Frage, wie genau die Gesundheitsfragen in einer Berufsunfähigkeitsversicherung zu nehmen sind. Und ob der Versicherer vor Gericht einen Anfechtungsgrund noch nachreichen kann. Rechtsanwalt Tobias Strübing von der Kanzlei Wirth Rechtsanwälte erklärt in seinem Beitrag die Kernpunkte des Urteils.

In einem aktuellen Urteil vom 4. April 2025 (Aktenzeichen: 20 U 33/21) hat das Oberlandesgericht Hamm die Berufsunfähigkeitsversicherung zur rückwirkenden Zahlung einer Rente in Höhe von über 60.000 Euro und zur Beitragsbefreiung verurteilt. Besonders relevant für die Praxis: Das Gericht setzt enge Maßstäbe an die Auslegung von Gesundheitsfragen sowie an die formelle Wirksamkeit von Rücktritt und Anfechtung durch den Versicherer. Das komplette Urteil gibt es hier.

Im Mittelpunkt standen zwei Fragen im Antragsformular, die der Kläger jeweils mit „nein“ beantwortet hatte:

  • B4.2: „Sind Sie in den letzten 5 Jahren untersucht, beraten oder behandelt worden hinsichtlich: Atmungsorgane (z. B. wiederholte oder chronische Bronchitis, Asthma)?“
  • B4.9: „… Wirbelsäule, Sehnen, Bänder, Muskeln, Knochen oder Gelenke (z. B. Rückenerkrankungen, Arthrose, Rheuma)?“

Der Versicherer warf dem Kläger vor, eine frühere Bronchitis sowie eine diagnostizierte Skoliose verschwiegen zu haben.

Doch das OLG stellte klar: Die Fragen sind eng am Wortlaut auszulegen. Eine einmalige akute Bronchitis ist nach dem eindeutigen Zusatz („wiederholte oder chronische“) nicht anzugeben. Ebenso sei eine bloße Erwähnung einer Skoliose in einem Röntgenbefund aus dem Jahr 2006 – also außerhalb des abgefragten Fünf-Jahres-Zeitraums – kein auskunftspflichtiges Ereignis, zumal keine Behandlung oder Beratung diesbezüglich stattgefunden habe.

Auch die falsch beantwortete Frage nach solchen Versicherungsanträgen, die der Kläger innerhalb der letzten fünf Jahre bei weiteren Berufsunfähigkeitsversicherungen gestellt hatte, blieb für diesen ohne rechtliche Konsequenz.

Frühere Anträge zu spät erwähnt

Zwar hatte der Kläger frühere Anträge auf Berufsunfähigkeitsversicherungen nicht vollständig angegeben, doch diese Umstände wurden erst im Prozess – also außerhalb der einjährigen Anfechtungsfrist (Paragraf 124 BGB) – als Anfechtungsgrund nachgeschoben. Das OLG betonte, dass die Anfechtungsgründe bereits in der Erklärung selbst oder jedenfalls innerhalb der Frist benannt werden müssen. Ein pauschales Berufen auf alte Arztberichte reicht dafür nicht aus und das Berufen erst im Prozess war verfristet.

Das Urteil ist ein starkes Signal für Versicherungsnehmer. Wer Gesundheitsfragen klar und im Wortlaut korrekt beantwortet, muss keine spätere nachträgliche Interpretation durch den Versicherer befürchten. Die Entscheidung zeigt außerdem: Rücktritt und Anfechtung sind nur dann wirksam, wenn sie gut begründet und innerhalb der gesetzlichen Fristen nachvollziehbar erklärt werden.

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