Michael Hauer ist geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP). © IVFP
  • Von Oliver Lepold
  • 26.10.2021 um 15:25
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Michael Hauer, geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP), über die limitierenden Faktoren der Honorarberatung und wie sich diese verändern.

Pfefferminzia: Inwieweit haben Sie sich mit der Rolle von Nettopolicen im Markt für private Altersvorsorge beschäftigt?

Michael Hauer: Aufgrund der bisher geringen Marktbedeutung haben wir dazu noch kein Rating vorgenommen. Laut einer Studie des Instituts für Versicherungswissenschaft aus diesem Frühjahr bieten derzeit lediglich 13 Lebensversicherer Nettotarife an. Für ein Rating bräuchten wir mindestens zwei Dutzend, denn bei unserer Benchmark-Systematik wird das Rating auf den Durchschnitt der Angebote bezogen, und dieser muss auf einer größeren Grundmenge beruhen, um aussagekräftig zu sein.

Was spricht aus Ihrer Sicht generell für Nettopolicen? 

Die Frage ist, möchte der Kunde in Deutschland eher Provision oder Honorar? Vor 25 Jahren habe ich geglaubt, dass sich die Honorarberatung wesentlich stärker am Markt verbreiten würde. Stattdessen haben wir heute lediglich 250 Honorarberater im Register. Dabei ist in der Regel vor allem bei größeren Mandaten die Honorarberatung unterm Strich günstiger. Gerade für hochvermögende Kunden – der klassischen Zielgruppe für das Financial Planning. Diese Kunden sind es zudem auch gewohnt, mit Honoraren umzugehen.

Können Sie ein typisches Beispiel mit den zugehörigen Kosten erläutern?

Die Abschluss-Courtage in der Altersvorsorge liegt üblicherweise bei 4 bis 6 Prozent für den Vertrieb. Wenn also jemand 300 Euro monatlich anspart, sind es im Jahr 3.600 Euro, über 30 Jahre hinweg 108.000 Euro, also insgesamt etwa 5.000 Euro Abschlusskosten. Wenn die Honorarberatung im Gegensatz dazu aber nur wenige Stunden dauert, kommt der Kunde mit einem Nettotarif plus Honorar viel besser weg.

Also bei kleineren Beträgen und Niedrigverdienern ist die Provisionsberatung meist günstiger? Bei hohen Sparraten ist das Honorar fast immer günstiger?

Prinzipiell ja, allerdings ist ein pauschaler Abgleich sehr schwierig, denn bei großen Verträgen gibt es auch Sondertarife, die weniger Provision enthalten. Auf der anderen Seite benötigen höher besparte Verträge auch viel mehr Beratungsaufwand, die Beratung dauert dann länger, das Honorar ist höher. Der Abgleich ist schwer zu greifen.

Was verhindert eine stärkere Ausbreitung von Nettopolicen im Vertrieb?

Manche Versicherer setzen Hürden in Form eines Qualitätsnachweises. Wir haben stichprobenartig die Vorgaben zur Vermittlung von Nettopolicen seitens der Versicherer abgefragt. Sie verlangen zwar nicht explizit die Zulassung nach Paragraf 34h Gewerbeordnung aber der Vermittler muss eine besonders transparente und faire Ausgestaltung seiner Vermittlervergütung nachweisen und benötigt bisweilen eine Freigabe der Vertriebsleitung des Versicherers. Zudem bedarf es oftmals eines eigenständigen Vertrags mit dem Versicherer, um Nettotarife zu vermitteln. Das sind zweifellos limitierende Faktoren. Ein weiterer Grund ist einfach, dass Verbraucher im Finanzbereich es hierzulande nicht gewohnt sind, dass Finanzberatung gegen Honorar stattfindet. Eigentlich müssten jedoch die Verbraucher eher Honorarberatung nachfragen, da sie bei der Provisionsberatung nicht zu 100% wissen, ob das Produkt für sie empfohlen wurde, weil es optimal zu ihm passt oder eher weil es viel Provision für den Vermittler bringt.

Wie beurteilen Sie angesichts des Wahlausgangs die Chance eines regulatorischen Eingriffs, der zu einem Provisionsverbot oder einem Provisionsdeckel führt?

Rot-Grün-Rot hätte für die Nettopolicen sicher einen enormen Aufschwung bedeutet. Ein Provisionsverbot dürfte nun aber – egal, ob eine Ampel- oder Jamaika-Koalition kommt – vom Tisch sein. Die FDP hat im Wahlprogramm deutlich gemacht, dass sie weiterhin diese Form der Beratungs- und Aufwandskompensation unterstützen wird. Die FDP könnte es sich gegenüber ihren Wählern nicht leisten, diesen Punkt für andere Gegenleistungen in den Koalitionsverhandlungen zu opfern. Eventuell wird eine SPD-geführte Ampel nochmals die Einführung eines Provisionsdeckels versuchen – das war in der Vergangenheit aus rechtlichen Gründen aber schon schwierig und wird es auch in der Zukunft bleiben. Auch hier wird sich meines Erachtens die FDP höchstwahrscheinlich durchsetzen.

Falls alles beim Alten bleibt: Welche Marktanteile werden Nettopolicen künftig erzielen können?

Meiner Einschätzung nach werden Nettopolicen auch ohne regulatorischen Eingriff häufiger vermittelt werden, da sich tendenziell manche Berater von den Provisionseinnahmen unabhängiger machen möchten. Allerdings erfolgt die Zunahme auf niedrigem Niveau, das heißt, der Anteil der Nettopolicen wird bis auf Weiteres im einstelligen Prozentbereich bleiben.

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Oliver Lepold

Oliver Lepold ist Dipl.-Wirtschaftsingenieur und freier Journalist für Themen rund um Finanzberatung und Vermögensverwaltung. Er schreibt regelmäßig für Pfefferminzia und andere Versicherungs- und Kapitalanlage-Medien.

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Wilfried Strassnig Versicherungsmakler
Vor 3 Jahren

Für die unteren Einkommensbezieher, in D bis 70%, ist auch wegen hoher Fixbelastung kaum Geld für bezahlbare adäquate Zukunftsvorsorge, da.
Bei Monatsbeiträgen unter € 100,00 wird die Honorarberatung eher teurer sein. Ein Kindersparplan für € 50,00 monatlich ist aber mit meinem Geschäftsmodell für 9% bis 13% sowieso deutlich besser. Vom erzielten Mehrwert um 1% Provision. Weshalb Nettotarifberater höhere Beratungskompetenz haben sollten ist wohl eher ein Witz.
Nur Makler haften für das BESTE Angebot des Marktes unbegrenzt-mehr geht nicht. Wer sagts den Politikern, Verbraucherschützern und den Medien??? Man sollte nicht ewig, im Sinne der Bürger, die 3 Affen -Regel anwenden.
Wer erst nach 8 Jahre die volle Provision verdient und auch Empfehlungen erwartet, wird niemals schlecht beraten. Das manchmal kostenlos berate wird, bei Nettotarifberatern ausgeschlossen. rundet die Vorteile bei Abschlüssen über Makler noch ab.

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Wilfried Strassnig Versicherungsmakler
Vor 3 Jahren

Für die unteren Einkommensbezieher, in D bis 70%, ist auch wegen hoher Fixbelastung kaum Geld für bezahlbare adäquate Zukunftsvorsorge, da.
Bei Monatsbeiträgen unter € 100,00 wird die Honorarberatung eher teurer sein. Ein Kindersparplan für € 50,00 monatlich ist aber mit meinem Geschäftsmodell für 9% bis 13% sowieso deutlich besser. Vom erzielten Mehrwert um 1% Provision. Weshalb Nettotarifberater höhere Beratungskompetenz haben sollten ist wohl eher ein Witz.
Nur Makler haften für das BESTE Angebot des Marktes unbegrenzt-mehr geht nicht. Wer sagts den Politikern, Verbraucherschützern und den Medien??? Man sollte nicht ewig, im Sinne der Bürger, die 3 Affen -Regel anwenden.
Wer erst nach 8 Jahre die volle Provision verdient und auch Empfehlungen erwartet, wird niemals schlecht beraten. Das manchmal kostenlos berate wird, bei Nettotarifberatern ausgeschlossen. rundet die Vorteile bei Abschlüssen über Makler noch ab.

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