Tobias Klingelhöfer, Rechtsanwalt und Rechtsexperte für die Arag: In manchen Fällen lohnt es sich eine Erbschaft auszuschlagen. © Arag
  • Von Redaktion
  • 10.06.2025 um 12:16
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Arag-Rechtsexperte Tobias Klingelhöfer erklärt in seinem Gastbeitrag, wann sich eine Erbschaft lohnt – und wann es sich lohnt, sie auszuschlagen.

Rund 10 Prozent der Erwachsenen in Deutschland konnten sich in den vergangenen 15 Jahren über eine Erbschaft freuen. Sie lag durchschnittlich bei 85.000 Euro pro Person. Ein Erbe kann also eine große Chance sein – oder zur finanziellen Falle werden.

Ist der Nachlass überschuldet, haften Erben unter Umständen mit ihrem eigenen Vermögen. Wer dagegen das Erbe ausschlägt, verzichtet auf sämtliche Vermögenswerte – inklusive Erinnerungsstücken oder den Pflichtteil, sofern kein Anspruch darauf besteht.

Deshalb ist es wichtig, die Vermögensverhältnisse des Erblassers gründlich zu prüfen.

Dazu gehören:

  • Einsicht in Unterlagen und Verträge

  • digitale Vermögenswerte (zum Beispiel Kryptowährungen) berücksichtigen

  • Verbindlichkeiten klären

Erben haben sechs Wochen Zeit, sich zu entscheiden – gerechnet ab dem Zeitpunkt der Kenntnis vom Erbfall. Bei Wohnsitz des Erblassers oder des Erben im Ausland verlängert sich die Frist auf sechs Monate. Wird die Frist versäumt, gilt das Erbe automatisch als angenommen.

Was passiert bei einer Erbausschlagung?

Wird das Erbe ausgeschlagen, rücken die nächstberechtigten Erben nach – laut Testament oder gesetzlicher Erbfolge. Bei minderjährigen Kindern müssen in der Regel beide Elternteile für das Kind die Ausschlagung erklären. Und wenn niemand erbt, geht der Nachlass inklusive Schulden an das jeweilige Bundesland über.

Ein Rücktritt von der Ausschlagung ist nicht möglich. Am Oberlandesgericht Zweibrücken kam es zu einem Fall (Aktenzeichen 8 W 102/23), in dem eine Enkelin das Erbe ihrer Großmutter ausschlug – in der Annahme, es handle sich um Schulden.

Da die alte Dame kein Testament verfasst hatte, ging das Erbe automatisch an zwei Urenkel. Und die traten das Erbe an und holten sich damit den Jackpot: Sie verkauften nicht nur das Haus der Uroma für einen enormen Erlös, sondern fanden auch noch ein Sparkonto mit vierstelligem Guthaben. Die Enkelin hatte nachträglich keine Chance, sich noch ein Stück vom Kuchen zu sichern.

Wann ist es sinnvoll, ein Erbe auszuschlagen?

Klingelhöfer nennt mehrere Konstellationen:

  • Ehepartner in Zugewinngemeinschaft: Wer das Erbe ausschlägt, kann stattdessen den Zugewinnausgleich und den Pflichtteil verlangen – was finanziell vorteilhafter sein kann.

  • Eigene Schulden: Ein verschuldeter Erbe kann durch Ausschlagung verhindern, dass Gläubiger Zugriff auf den Nachlass erhalten. In diesem Fall erben stattdessen zum Beispiel die Kinder – schuldenfrei.

Erbe ausschlagen: So funktioniert es

Wichtig: Wer einen Erbschein beantragt, hat das Erbe damit rechtlich angenommen. Um wirksam auszuschlagen, müssen Erben eine formelle Erklärung beim Nachlassgericht, also dem Amtsgericht am Wohnort oder Sterbeort des Erblassers, abgeben – oder alternativ bei einem Notar, der die Erklärung weiterleitet.

Die Kosten richten sich nach dem Wert der Erbschaft. Bei überschuldetem Nachlass fällt eine Mindestgebühr von 30 Euro an.

Zum Autor: Tobias Klingelhöfer ist Rechtsanwalt und Rechtsexperte bei der Arag Versicherung.

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