Arbeiterin bei der Wartung eines ICEs: Die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung (bAV) will auch die neue Koalition stärken. © picture alliance / dpa / Jan Woitas
  • Von Karen Schmidt
  • 24.06.2025 um 11:20
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lesedauer Lesedauer: ca. 03:20 Min

Die neue Regierungskoalition aus SPD und Union hat viel vor. Eine groß angelegte Reform der betrieblichen Altersversorgung (bAV) gehört nicht dazu. Vier Punkte hat sie sich vorgenommen.

Es ist eher dünn. Anders kann man nicht bezeichnen, was sich die Koaltionspar­teien Union und SPD ausgedacht haben, um die betriebliche Altersversorgung (bAV) auf Vordermann zu bringen. Beziehungsweise um ihre Verbreitung auszubauen. Auf 144 Seiten Koalitionsvertrag kommen gerade mal vier Sätze, die vier schemenhafte Vorhaben formulieren.

Quelle: Koalitionsvertrag

Wir fassen zusammen (geht schnell): Die bAV soll in kleinen und mittleren Unternehmen stärker vorkommen. Sie soll digitaler und einfacher und unbürokratischer sein. Geringverdiener sollen besser gefördert werden. Und es soll leichter sein, bei einem Arbeitgeberwechsel seine Betriebsrente mitzunehmen. That’s it.

„Angesichts der vielen Vorschläge zu Verbesserungsmöglichkeiten, die bereits auf dem Tisch liegen, ist der Passus im Koalitionsvertrag nüchtern betrachtet bisher eine Absichtserklärung ohne konkretes Wie“, findet auch Per Protoschill, Geschäftsführer und Leiter Vertriebsunterstützung beim Stuttgarter Vorsorge-Management.

Einfache bAV-Lösungen müssen her

Dann widmen wir uns mal dem Wie. Fangen wir mit dem Ausbau des bAV-Angebots in kleinen und mittelständischen Unternehmen an. Versprochen haben das schon vorherige Regierungen. Richtig vorangekommen ist man nicht. Wie könnte das aber am ehesten gelingen?

„Wichtig ist, administrativ einfache Lösungen mit attraktiven Konditionen für die Beschäftigten und einem geringen Haftungsrisiko für die Unternehmen zu ermöglichen“, sagt Utta Kuckertz-Wockel, Senior-Managerin Marketing/Vertrieb bei Lurse Pension und Benefits Consulting. Ein solches Modell wäre in ihren Augen das Sozialpartnermodell (SPM). „Leider ist es seit seiner Einführung im Jahr 2018 nicht sonderlich erfolgreich. Hier wäre es angeraten, den Zugang bestehender SPM für tariffremde Branchen zu öffnen.“

Garantien müssten runter

Ihr Kollege Carsten Schmidt, Manager und Aktuar bei Lurse, hat noch einen weiteren Vorschlag: „Alternativ werden zum Beispiel auf dem Versicherungsmarkt ausgewogene Lösungen angeboten, in denen 60 bis 80 Prozent der eingezahlten Beiträge garantiert werden.“ Mit solchen reduzierten Beitragsgarantien ließen sich chancenreichere Investments an den Kapitalmärkten umsetzen, und die Beschäftigten könnten sich über höhere Renditen freuen.

Schmidt: „Die Branche wartet auf eine arbeitsrechtliche Klärung der Garantiefrage.“ Natürlich wäre auch ein Obligatorium denkbar, also eine bAV-Pflicht, zum Beispiel mit Opting-out-Lösung für diejenigen, die partout nicht mitmachen wollen. Von alldem liest man aber nichts im Koalitionsvertrag.

Förderung: Luft nach oben

Bei der Geringverdienerförderung anzusetzen hält bAV-Experte Per Protoschill von der Stuttgarter für sinnvoll. Die Niedrigverdienerförderung nach Paragraf 100 Einkommensteuergesetz (EStG) für arbeitgeberfinanzierte Versorgungen sei ein Erfolgsmodell, „das noch weiter Potenzial nach oben hat“, sagt er. Dabei sei es aber wichtig, keine neuen Bürokratiehürden aufzubauen.

„Gut wäre es, die Fördergrenzen für die sogenannten Niedrigverdiener zu dynamisieren und auch das Fördervolumen für Arbeitgeber zu erhöhen“, so Protoschill. Denn: Arbeitgeberfinanzierung sei das bessere Opting-out. „Davon können alle Beschäftigten profitieren, insbesondere aber die Niedrigverdiener – das sind im Übrigen sehr häufig Frauen, die in Teilzeit arbeiten“, so Protoschill.

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Karen

Karen Schmidt

Karen Schmidt ist seit Gründung von Pfefferminzia im Jahr 2013 Chefredakteurin des Mediums.

kommentare
ms@fairselect.net
Vor 2 Wochen

Nach meinem Dafürhalten ist exakt die Portabilität das Problem. Insofern finde ich es „überraschend“, dass dieses Thema zu „Überraschungen“ führt.

Was in der Theorie – und vor allem in der Vermittlung – gut klingt, findet in der Praxis einfach nicht statt. Zunächst einmal kann nur bei einem Wechsel des Arbeitgebers portiert werden. Die „Heilung“ einer schlechten Beratung während dem Arbeitsverhältnis ist nicht möglich. Der Arbeitnehmer (AN) steckt in der von seinem Arbeitgeber (AG) einmal präferierten bAV-Lösung fest.

Bei jedem Arbeitgeberwechsel besteht die erneute „Gefahr“, dass der zukünftige AG etwas anderes präferiert. Meist zumindest einen anderen Anbieter. Gerade bei den „kleineren“ Betrieben sind oftmals „Verbindungen“ der Entscheider zu einem eigenen Vermittler ihres Vertrauens, ab und an auch „Verpflichtungen“ gegenüber einer Bank zu berücksichtigen. Der neue Vermittler, egal aus welchem Haus, hat nun aber wenig Motivation, sich mit einer Portierung zu befassen, für die er in der Regel von „seinem“ Versicherer keine Vergütung erhält. Im Ergebnis werden neue Verträge vermittelt. Der AN erhält zum Renteneintritt diverse Kleinstrenten. Der mit dem wiederholten Wechsel des AG einhergehende Wechsel der bAV führt zu immensen wiederholten Abschlusskosten, womit die vielbeschworene Rentabilität in den Keller rauscht.

Das von zahlreichen Anbietern präferierte Thema der Berufsunfähigkeitsrentenversicherung (BU) im Rahmen einer bAV, steht bei jedem Arbeitgeberwechsel sogar komplett vor dem Aus. Wenn der neue AG nicht zufällig den gleichen Anbieter für die bAV präferiert, steht ein Versichererwechsel an. Kapital ist in der Regel nicht zu portieren. Der neue Versicherer steigt nicht ohne komplett neue Risikoprüfung in die BU ein. Der AN kann sich eine Fortführung aus eigener Tasche nicht leisten, die BU ist damit futsch. Dies nur nebenbei erwähnt.

Insgesamt resultiert daraus ein erhebliches Haftungsrisiko für den AG. Diese ließe sich aus meiner Sicht nur damit erledigen, dass der AG es dem AN überlässt, wo dieser Teile seines Gehaltes hin überweist. Sobald der AG hier irgendwelche „Präferenzen“ geltend macht, haftet er dagegen für das Ergebnis vollumfänglich. Doch in wie vielen Personalakten dürften sich wohl haftungssichere Dokumentationen zur bAV-Abschlussberatung finden? Infos zum garantierten Rentenfaktor? Zur Minderung der Sozialleistungen? Und eben zu „möglichen Problemen“ bei einem Wechsel des Arbeitgebers?

Ich stoße bei meiner täglichen Arbeit jedenfalls fortlaufend darauf, dass diese Themen dem AN nicht bekannt sind. Meine Beratungsleistung bleibt auf der Strecke, da der AG eben darauf besteht, in seinem Betrieb bereits „eine eigene Lösung für die bAV eingerichtet“ zu haben. Der betroffene AN hat zukünftig sicher keinen Spaß mehr an dem „Geschenk“ seines Arbeitgebers. Und selbst wenn der AG mitspielen würde, ist eine „Heilung“, wie eingangs erwähnt, im laufenden Arbeitsverhältnis nicht möglich. Also auch wieder nur der Neuabschluss. Der nächste Arbeitgeberwechsel und das „Spiel“ beginnt von Neuem.

Diese Dinge sollen mit dem Begriff der „Portabilität“ im Rahmen der Abschlussberatung unter den Tisch gekehrt werden. So sehe ich das.

Regierung will Rentenniveau bis 2031 bei 48 Prozent sichern – Pfefferminzia.de
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Nach meinem Dafürhalten ist exakt die Portabilität das Problem. Insofern finde ich es „überraschend“, dass dieses Thema zu „Überraschungen“ führt.

Was in der Theorie – und vor allem in der Vermittlung – gut klingt, findet in der Praxis einfach nicht statt. Zunächst einmal kann nur bei einem Wechsel des Arbeitgebers portiert werden. Die „Heilung“ einer schlechten Beratung während dem Arbeitsverhältnis ist nicht möglich. Der Arbeitnehmer (AN) steckt in der von seinem Arbeitgeber (AG) einmal präferierten bAV-Lösung fest.

Bei jedem Arbeitgeberwechsel besteht die erneute „Gefahr“, dass der zukünftige AG etwas anderes präferiert. Meist zumindest einen anderen Anbieter. Gerade bei den „kleineren“ Betrieben sind oftmals „Verbindungen“ der Entscheider zu einem eigenen Vermittler ihres Vertrauens, ab und an auch „Verpflichtungen“ gegenüber einer Bank zu berücksichtigen. Der neue Vermittler, egal aus welchem Haus, hat nun aber wenig Motivation, sich mit einer Portierung zu befassen, für die er in der Regel von „seinem“ Versicherer keine Vergütung erhält. Im Ergebnis werden neue Verträge vermittelt. Der AN erhält zum Renteneintritt diverse Kleinstrenten. Der mit dem wiederholten Wechsel des AG einhergehende Wechsel der bAV führt zu immensen wiederholten Abschlusskosten, womit die vielbeschworene Rentabilität in den Keller rauscht.

Das von zahlreichen Anbietern präferierte Thema der Berufsunfähigkeitsrentenversicherung (BU) im Rahmen einer bAV, steht bei jedem Arbeitgeberwechsel sogar komplett vor dem Aus. Wenn der neue AG nicht zufällig den gleichen Anbieter für die bAV präferiert, steht ein Versichererwechsel an. Kapital ist in der Regel nicht zu portieren. Der neue Versicherer steigt nicht ohne komplett neue Risikoprüfung in die BU ein. Der AN kann sich eine Fortführung aus eigener Tasche nicht leisten, die BU ist damit futsch. Dies nur nebenbei erwähnt.

Insgesamt resultiert daraus ein erhebliches Haftungsrisiko für den AG. Diese ließe sich aus meiner Sicht nur damit erledigen, dass der AG es dem AN überlässt, wo dieser Teile seines Gehaltes hin überweist. Sobald der AG hier irgendwelche „Präferenzen“ geltend macht, haftet er dagegen für das Ergebnis vollumfänglich. Doch in wie vielen Personalakten dürften sich wohl haftungssichere Dokumentationen zur bAV-Abschlussberatung finden? Infos zum garantierten Rentenfaktor? Zur Minderung der Sozialleistungen? Und eben zu „möglichen Problemen“ bei einem Wechsel des Arbeitgebers?

Ich stoße bei meiner täglichen Arbeit jedenfalls fortlaufend darauf, dass diese Themen dem AN nicht bekannt sind. Meine Beratungsleistung bleibt auf der Strecke, da der AG eben darauf besteht, in seinem Betrieb bereits „eine eigene Lösung für die bAV eingerichtet“ zu haben. Der betroffene AN hat zukünftig sicher keinen Spaß mehr an dem „Geschenk“ seines Arbeitgebers. Und selbst wenn der AG mitspielen würde, ist eine „Heilung“, wie eingangs erwähnt, im laufenden Arbeitsverhältnis nicht möglich. Also auch wieder nur der Neuabschluss. Der nächste Arbeitgeberwechsel und das „Spiel“ beginnt von Neuem.

Diese Dinge sollen mit dem Begriff der „Portabilität“ im Rahmen der Abschlussberatung unter den Tisch gekehrt werden. So sehe ich das.

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