Michael Franke, Geschäftsführer Franke und Bornberg, kritisiert den Umgang vieler Versicherer mit der Erwerbsunfähigkeitsversicherung (EU): „Die Vorbehalte gegen die EU wurden jahrelang von den Gesellschaften selbst forciert, in dem die BU als nahezu ausschließlicher Königsweg für die Kundenansprache propagiert wurde.“ © Neuenhausen
  • Von Lorenz Klein
  • 05.10.2017 um 15:11
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Der Markt für Erwerbsunfähigkeitsversicherungen (EU) stagniert, weil viele Versicherer das Produkt nicht mehr als echte Alternative zur Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) ansehen, findet Michael Franke, Geschäftsführer des Analysehauses Franke und Bornberg. Die EU müsse „faktenbasiert rehabilitiert“ werden, fordert Franke, da sie das am stärkste unterschätzte Produkt in der Arbeitskraftabsicherung sei. Hier gehts zum Interview.

Pfefferminzia: In einem Blogbeitrag von Franke und Bornberg im Sommer 2015 hieß es, dass die „versteckten Schwächen“ der EU-Tarife problematisch seien, da sie ohne ausreichende Kenntnisse und Erfahrungen in der Produktbewertung regelmäßig übersehen würden. Welches Zwischenfazit in Sachen Erwerbsunfähigkeitsversicherung (EU) ziehen Sie heute, gut zwei Jahre später?

Michael Franke: Leider muss man sagen, dass sich bezogen auf Produktgestaltung und -qualität der EU-Tarife seit 2015 keine großen Änderungen ergeben haben. Der Markt der EU-Versicherungen stagniert. Nimmt man unser Ratingverfahren als Maßstab, findet man nur von zehn Anbietern Produkte mit einer Top-Bewertung. Viele Gesellschaften sehen die EU-Versicherung offensichtlich nicht mehr als echte Alternative zur Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) an, obwohl die EU das einzige Produkt neben der BU ist, das alle Krankheiten inklusive Psyche absichert. So haben beispielsweise Nürnberger, Aachen-Münchener und Interrisk den Verkauf ihrer EU-Produkte eingestellt.

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Worauf setzen die Versicherer stattdessen in puncto Arbeitskraftabsicherung?

Mittlerweile wird die Grundfähigkeitsversicherung von den Gesellschaften als erste Alternative zur BU betrachtet. Dies hängt jedoch nicht mit der besseren Produktqualität zusammen, sondern offensichtlich mit der größeren Beliebtheit des Produktes im Vertrieb.

Viele Makler können sich nicht recht für die EU erwärmen. Wie ist diesen Vorbehalten beizukommen? 

Die Vorbehalte gegen die EU wurden jahrelang von den Gesellschaften selbst forciert, in dem die BU als nahezu ausschließlicher Königsweg für die Kundenansprache propagiert wurde, während die gesetzliche Erwerbsminderungsrente kritisiert wurde. Der EU wurde nicht die nötige Unterstützung zuteil, um sie als wirkliche Alternative zur BU zu positionieren. Somit wurde die EU von den Gesellschaften selbst „verbrannt“. Jetzt fällt es entsprechend schwer, sie zu rehabilitieren. Um diese Einstellung umzukehren, müssten die EU-Produkte hinreichend erklärt und bestenfalls in eine schlüssige Produkt- und Beratungsstrategie integriert werden. Wenn dann die Funktionsweise und das Leistungsspektrum der EU verstanden wurden, fühlen sich die Vermittler auch in der Beratungssituation sicher und können das Produkt haftungssicher beraten und verkaufen. Eine Steigerung der Verkaufszahlen wäre die logische Folge.

Welche Möglichkeiten sehen Sie, um die EU-Versicherung attraktiver zu gestalten?

Eine Beitragsbefreiung bei Berufsunfähigkeit ist eine der Möglichkeiten, die EU-Versicherung attraktiver zu gestalten. Weitere Möglichkeiten wären hier eine befristete Rentenleistung bei Berufsunfähigkeit oder eine Teilleistung bei Vorliegen einer teilweisen Erwerbsunfähigkeit. Allerdings macht jede Erweiterung des Leistungsspektrums das Produkt auch wieder teurer und die Risikoprüfung komplizierter.

Die genannten Varianten sind auch schon heute in verschiedenen Formen am Markt erhältlich. An der Attraktivität und den Verkaufszahlen der EU-Versicherung haben diese Konzepte jedoch bisher nichts geändert. Hierfür ist ein generelles Umdenken bei der Beratung notwendig – die EU muss zunächst faktenbasiert rehabilitiert werden. Verdient hätte sie es, denn aus unserer Sicht ist sie in Sachen Arbeitskraftsicherung das am stärksten unterschätzte Produkt.

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Lorenz Klein

Lorenz Klein gehörte dem Pfefferminzia-Team seit 2016 an, seit 2019 war er stellvertretender Chefredakteur bei Pfefferminzia. Im Oktober 2023 hat Klein das Unternehmen verlassen, um sich neuen Aufgaben in der Versicherungsbranche zu widmen.

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