ALH-Vorstand Jürgen Bierbaum: „Dann läuft beides in die falsche Richtung“ © ALH Gruppe
  • Von Andreas Harms
  • 18.12.2023 um 12:05
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Warum besteht die Versicherungsbranche so sehr darauf, dass sich die Menschen lebenslange Renten auszahlen lassen? Wo liegt das Problem, wenn die Investmentbranche mit Auszahlplänen punkten will? Fragen, die wir Jürgen Bierbaum stellen. Er ist stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Alte Leipziger Hallesche Gruppe und dort für die Ressorts Produkte, Mathematik, Vertrag und Leistung verantwortlich.

Und nicht die Rendite?

Bierbaum: Die spielt in den früheren Rentenjahren noch eine wichtige Rolle. Aber ab einem Alter von 85 Jahren nicht mehr, dann überwiegt der Vererbungseffekt innerhalb des Versichertenkollektivs. Der besagt, dass früher sterbende Menschen ihr Guthaben an länger Lebende sozusagen vererben – es kommt zu einem Risikoausgleich innerhalb des Versichertenbestandes. Deshalb finde ich auch so gut, was man bei der Rürup-Rente gemacht hat. Da kann man zwar eine Zeitlang noch Geld entnehmen, ab 85 Jahren muss man aber zwingend die Leibrente beziehen. Ab diesem Zeitpunkt sind die Vererbungseffekte sehr groß; die können Sie mit keiner Kapitalanlage schlagen. Man hat zunächst etwas Flexibilität bei den Entnahmen, muss aber ab einem bestimmten Zeitpunkt zwingend verrenten.

Wenn die Investmentbranche mit Vorsorgedepots an den Start geht, wird es dann zu Zusammenarbeiten mit Versicherern kommen, weil Investmentfirmen keine lebenslange Rente können?

Bierbaum: So etwas gibt es schon heute. Wir zum Beispiel arbeiten im Rahmen der Rürup-Rente mit der DWS zusammen. Kunden können dann bis zum Alter von 85 Jahren Geld entnehmen und ausgeben, und anschließend sorgen wir über den bestimmten Restbetrag für ein lebenslanges Einkommen. Solche Modelle sind sehr sinnvoll.

Sind sie die Zukunft?

Bierbaum: Es hängt davon ab, wie gut die Menschen beraten werden. Wenn man ihnen sagt, sie werden 85, legen sie vielleicht das Geld entsprechend an. Dann wird es eine Menge Enttäuschungen geben. Viele Menschen werden feststellen müssen, dass sie älter werden als ihr Geld. Dann ist es aber zu spät. Es ist wirklich wichtig, den Menschen in der Beratung klarzumachen, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit älter als 85 Jahre werden. Und dass sie gleich von Beginn an eine lebenslange Rente sicherstellen sollten. Natürlich kann man das auch mit Auszahlplänen kombinieren, das ist überhaupt kein Problem. Auch wir bieten Produkte an, bei denen die Menschen zunächst den Auszahlplan wählen und später auf die lebenslange Rente umschwenken können. Da spricht überhaupt nichts dagegen.

Zuletzt ist die Lebenserwartung wegen der Corona-Pandemie wieder gesunken. Macht das etwas mit Ihren Kalkulationen?

Bierbaum: Nein, erst einmal nicht. Die Frage, ob die gesunkene Lebenserwartung nur ein singuläres Ereignis ist oder ein langfristiger Trend, ist offen. Ich denke, es ist eher ein einmaliger Effekt. Aber warten wir einfach mal die nächsten Jahre ab, wie sich die Lebenserwartung langfristig entwickelt, bevor die Sterbetafel, auf der unsere Kalkulation beruht, angepasst wird.

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Andreas

Andreas Harms

Andreas Harms schreibt seit 2005 als Journalist über Themen aus der Finanzwelt. Seit Januar 2022 ist er Redakteur bei der Pfefferminzia Medien GmbH.

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M.R.
Vor 5 Monaten

schöner Artikel, Danke!

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M.R.
Vor 5 Monaten

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