Fabian von Löbbecke ist Vorstandsvorsitzender der HDI Pensionsmanagement AG und Leiter Fachbereich bAV bei der HDI Lebensversicherung in Köln. © HDI/Christian Daitche
  • Von Lorenz Klein
  • 26.05.2021 um 15:22
artikel drucken artikel drucken
lesedauer Lesedauer: ca. 04:25 Min

Wie geht es mit der betrieblichen Altersversorgung (bAV) im Wahljahr 2020 und danach weiter? Und was bedeutet die Senkung des Höchstrechnungzinses in der Lebensversicherung für Menschen mit einer bAV? Darüber spricht Fabian von Löbbecke, bAV-Chef der HDI Lebensversicherung, im Interview – und sagt, wie Politik und Vermittler die bAV weiter voranbringen können.

Pfefferminzia: Das Bundesfinanzministerium hat beschlossen, den Höchstrechnungszins in der Lebensversicherung zum 1. Januar 2022 von aktuell 0,9 Prozent auf 0,25 Prozent zu senken. Was bedeutet dieser Schritt für die Systeme der betrieblichen Altersversorgung (bAV) in Deutschland beziehungsweise für die Verbraucher, die bereits eine bAV-Anwartschaft besitzen?

Fabian von Löbbecke: Die gute Nachricht für alle Arbeitnehmer vorab: Bestehende Verträge sind von einer Absenkung des Höchstrechnungszinses nicht betroffen. Die Mindestverzinsung, die bei Abschluss vereinbart wurde, gilt für die gesamte Vertragslaufzeit.

Der reduzierte Rechnungszins von 0,25 Prozent gilt für neue Verträge ab dem 1. Januar 2022. Der Haken für Versicherer und Verbraucher: In der bAV erhalten die Versicherten bislang am Ende der Vertragslaufzeit größtenteils zumindest die von ihnen eingezahlten Bruttobeiträge (Bruttobeitragsgarantie). Kalkuliert man künftig mit einen Rechnungszins von 0,25 Prozent auf die eingezahlten Sparanteile des Versicherungsbeitrags, nach Abzug von Abschluss-, Verwaltungs- und Risikokosten, ist ein garantierter 100-prozentiger Erhalt der Bruttobeiträge kaum darstellbar – insbesondere bei kürzeren Laufzeiten oder kleineren Beiträgen. Dies gilt übrigens gleichermaßen für private Riester-Verträge, für die eine Bruttobeitragsgarantie gesetzlich vorgeschrieben ist. Dies macht deutlich, dass gesetzliche Reformen erforderlich sind. Nur so bleibt die Betriebsrente auch zukünftig für alle Arbeitnehmer als effizientes Vorsorgemodell verfügbar – unabhängig von Alter und Einkommen.   

Der Versicherungsverband GDV oder auch die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV), appellieren eindringlich an die politischen Entscheidungsträger, zusammen mit der Senkung des Höchstrechnungszinses auch den bislang gesetzlich vorgeschriebenen Beitragserhalt in der Riester-Rente und bei der Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML) in der bAV abzuschaffen. Sehen Sie das genauso und wenn ja, warum ist diese „Reform nach der Reform“ so wichtig?

Unbedingt! Die Zeiten ändern sich. Als 2002 die BZML und Riester eingeführt worden sind, war die „Zinswelt“ noch in Ordnung. Das ist seit Jahren aber nicht mehr der Fall und die Nullzinsen werden uns noch lange erhalten bleiben. Die bAV benötigt ein verlässliches und klares Regelwerk – auch in Zeiten des anhaltenden Niedrigzinsmarkts. Wo stehen wir aktuell? Eine BZML ist ab 2022 nicht mehr finanzierbar und scheidet somit künftig als Zusageart für eine moderne und chancenorientierte bAV, als die sie mal gedacht war, faktisch aus. Für die beitragsorientierte Leistungszusage (BOLZ) fehlt derzeit der gesetzlich zulässige Gestaltungsrahmen in Sachen Mindestgarantie. Die Expertenmeinungen variieren derzeit in einer Spannweite von 50 bis 100 Prozent. Der Gesetzgeber muss hier Klarheit schaffen, um Arbeitgebern, Produktgebern und Beratern, Rechtssicherheit zu geben und somit auch das Vertrauen in die bAV zu bewahren.

Und auch das ist an dieser Stelle wichtig: Oft werden Garantien schlichtweg überbewertet und mit Sicherheit gleichgesetzt. Das Gegenteil ist der Fall: Im aktuellen Zinsmarkt wird die Zusage auf einen reinen Beitragserhalt zu Lasten einer echten Kapitalmarktrendite eingebüßt. Übersetzt: Je höher die zusagte Garantie, desto höher der Anteil des Sparbeitrags, der reserviert und sicher investiert werden muss, um die Garantie zu finanzieren. Bei einem Rechnungszins von künftig nur noch 0,25 Prozent, wird nach eigenen Berechnungen selbst bei einer Anspardauer von 40 Jahren der gesamte Sparbeitrag benötigt, um die Beitragsgarantie zu finanzieren. Es bliebe also kein Spielraum mehr für eine chancenorientierte Anlage. Diese ist aber zwingend erforderlich, um den in diesem Zeitraum stattfindenden Kaufkraftverlust auszugleichen – von einem echten Ertrag ganz zu schweigen. Stochastische Simulationen zeigen aber: Reduziert man zum Beispiel bei einem dynamischen Hybridprodukt die Brutto-Beitragsgarantie nur leicht auf 80 Prozent, beträgt die Wahrscheinlichkeit, eine höhere Rendite zu erzielen, als es die Variante mit der 100 Prozent-Beitragsgarantie durchschnittlich erwarten lässt, über 80 Prozent.  

Der Vortrag, den Sie im Rahmen des diesjährigen HDI bAV Expertenforums halten, lautet so: „Unbezahlbare Garantien: Zukunftsperspektiven für die bAV und alternative politische Denkmodelle“. Zum Stichwort „Unbezahlbare Garantien“ haben Sie nun schon einiges gesagt. Welche Rolle spielen nun aber die „alternativen politischen Denkmodelle“? Kann man womöglich daraus schließen, dass das künftige Wohl der bAV maßgeblich vom Ausgang der Bundestagswahl im Herbst abhängt?

So hart würde ich das nicht formulieren. Klar ist aber: Wie ich eingangs deutlich gemacht habe besteht Reformbedarf. Und hier ist die Politik in der Verantwortung. Garantien reduzieren, gesetzliche Vorschriften einführen, mehr Arbeitgeber-Engagement fordern oder neue Anreize schaffen – die Wahlprogramme der verschiedenen Parteien sehen hier unterschiedliche Ansätze vor. Allen gemein ist, die Altersversorgung in Deutschland muss verbessert werden und die bAV ist eine wichtige Säule im System.  Wichtig wäre mir, dass die Diskussionen zu den notwendigen Reformen in der Alterssicherung – und das ist mehr als nur die bAV – nicht durch das sture Verfolgen von Ideologien geprägt werden, sondern auf Sachverstand fußen und die Interessen der heutigen und vor allem auch künftigen Beitrags- und Steuerzahler hinreichend berücksichtigen.

Ich bin überzeugt – wie auch immer die Bundestagswahl ausgeht – die bAV wird sich auch nach der Wahl als zentraler und etablierter Baustein der Vorsorge in Deutschland langfristig behaupten. Denn welche Kritik – berechtigt oder unberechtigt – gegen die bAV manchmal auch vorgebracht werden mag, insgeheim haben alle politischen Akteure längst verstanden, dass es ohne eine ergänzende kapitalgedeckte Altersversorgung nicht gehen wird – und die bAV ist hier unstrittig der beste Weg.  

Seite 2: Von Löbbecke über Vertriebschancen für Makler

autorAutor
Lorenz

Lorenz Klein

Lorenz Klein gehörte dem Pfefferminzia-Team seit 2016 an, seit 2019 war er stellvertretender Chefredakteur bei Pfefferminzia. Im Oktober 2023 hat Klein das Unternehmen verlassen, um sich neuen Aufgaben in der Versicherungsbranche zu widmen.

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

kommentare

Hinterlasse eine Antwort