Julia Wiens, Versicherungsaufseherin der Bafin: „Sie müssen mit der weiterhin hohen Schadeninflation umgehen“ © Baloise
  • Von Andreas Harms
  • 19.11.2024 um 13:12
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Die Versicherungsaufseherin Julia Wiens von der Bafin hat auf der Tagung der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) eine Rede gehalten. Dabei fand sie zum Schaden- und Unfallgebiet deutliche Worte, ging aber auch auf ihr Spezialthema in Bezug auf Lebensversicherungen ein.

Eines muss man Julia Wiens lassen. Sie versteht es enorm gut, in ihren Reden zunächst Süßigkeiten zu verteilen, um anschließend in die saure Zone vorzustoßen. So auch auf der Tagung der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV).

Dort stellt die Versicherungsaufseherin der Bafin in ihrem Vortrag zunächst fest, dass die deutschen Versicherer robust dastehen. Sie hätten grundsätzlich von der Zinswende profitiert, und stille Lasten hätten sie bislang kaum realisieren müssen. Liquide Kapitalanlagen seien ausreichend vorhanden, lobt Wiens weiter. Und sogar den Übergang auf die Liquiditätsrichtlinie Solvency II hätten Lebensversicherer gut gemeistert. „Und das ist ein Zeichen der Stärke der Branche“, so Wiens.

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Die klaren Ansagen der Julia Wiens

Doch dann stößt sie in ein unangenehmes Gebiet vor, namentlich die Schaden- und Unfallversicherung. Die Umstände sind zunächst nicht neu: Der starke Inflationsschub schlug sich in enorm steigende Schadenzahlen nieder, was die Branche unter Druck setzt. Wiens spricht für 2023 von einer Netto-Schaden-Kosten-Quote (Combined Ratio) „auf Gesamtebene im selbst abgeschlossenen Versicherungsgeschäft“ von 100,0 Prozent. Im Vorjahr habe sie noch bei 96,2 Prozent gelegen – das Geschäft war da also profitabel.

„Verantwortlich für diesen Anstieg sind vor allem die hohen versicherungstechnischen Verluste in der Kraftfahrtversicherung“, stellt Wiens fest. Dass am Ende doch noch ein Jahresüberschuss entstand, verdanke die Branche nur hohen Entnahmen aus Schwankungsrückstellungen in der KFZ-Versicherung.

Für die Bafin-Aufseherin ist deshalb klar: Die Prämien müssen weiter steigen. Das Geschäft aus anderen Zweigen quer zu subventionieren, könne keine dauerhafte Lösung sein.

Bafin lehnt Einheitsprämie für Elementarschutz ab

Außerdem sollten Versicherer die Prämien verstärkt auf Risiken zuschneiden. Als (negatives) Beispiel nennt sie die Elementarschadenversicherung, für die manch einer eine Einheitsprämie fordert. „Das halten wir für einen Irrweg. Eine solche Einheitsprämie kann weder im Sinne der Versicherer noch der Verbraucherinnen und Verbraucher sein“, stellt Wiens klar.

Versicherer sollten besonders sorgfältig darauf achten, welche künftige Schadeninflation sie annehmen. Und sie sollten die damit behaftete hohe Unsicherheit ausreichend berücksichtigen. In den Jahresabschlüssen 2022 seien viele noch viel zu optimistisch gewesen, was die folgende Inflation betraf. In den Jahren danach sei das schon besser geworden.

„Aber es ist kein Grund, das Thema als erledigt zu betrachten“, warnt die Bafin-Frau die anwesenden Aktuare. „Denn zum einen besteht der Kostendruck fort. Und zum anderen ist es realistisch, davon auszugehen, dass wir auch in Bezug auf andere Risiken Strukturbrüche und plötzliche Entwicklungen in den Daten sehen werden.“ Weshalb Versicherer ihre Bewertungsverfahren immer wieder überprüfen sollten.

13 Lebensversicherer mutmaßlich unfair zu ihren Kunden

Etwas später in ihrer Rede greift sie ein weiteres unangenehmes Thema auf, das sie und die Bafin schon lange umtreibt: der Nutzen kapitalbildender Lebensversicherungen. Erneut erwähnt sie das Merkblatt, in dem steht, was die Bafin in dieser Hinsicht erwartet.

Der aktuelle Stand der Dinge lautet: Bisher hat die Bafin 13 Unternehmen herausgefunden, die ihre Kunden mutmaßlich unfair behandeln. Das seien mehr als 20 Prozent der Anbieter, und weitere würden folgen, kündigt Wiens an.

Sie wiederholt dann im Wesentlichen die Erkenntnisse und Vorwürfe zu Kosten und Storno, die sie auch schon auf dem „Handelsblatt Strategiemeeting Lebensversicherung“ in Düsseldorf erwähnt hatte (hier nachzulesen).

Doch diesmal schlägt sie anschließend den Bogen zu den anwesenden Aktuaren und macht ihnen klar: „Der Hinweis, dass die verantwortliche Aktuarin beziehungsweise der verantwortliche Aktuar die Angemessenheit der Prämien nach Paragraf 141 VAG geprüft hat, reicht für eine Produktprüfung im Rahmen des Produktfreigabeverfahrens nicht aus. Sie müssen immer auch die wohlverhaltensaufsichtlichen Anforderungen im Blick haben.“ Mit diesen im Merkblatt festgehaltenen Anforderungen sollten Aktuare vertraut sein. Und sie sollten sich dazu mit anderen Aktuaren austauschen, damit auch die alle diese Anforderungen kennen.

In diesem Augenblick lässt Julia Wiens keinen Zweifel daran, wer für sie zum großen Teil für den Kundennutzen von Versicherungsprodukten verantwortlich ist: die Aktuare.

Ihre letzten zwei Sätze lauten: „Die Branche braucht Sie. Vielen Dank!“

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Andreas Harms

Andreas Harms schreibt seit 2005 als Journalist über Themen aus der Finanzwelt. Seit Januar 2022 ist er Redakteur bei der Pfefferminzia Medien GmbH.

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