Ein Mann dokumentiert den Schaden an seinem Auto. © Panthermedia
  • Von Redaktion
  • 09.06.2015 um 16:27
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Maklerin Katharina Heder kann nur den Kopf schütteln. Immer öfter kommen Kunden zu ihr, die einen Schaden an ihrem Auto zu melden, aber keine Daten vom Verursacher haben. Warum entscheiden sich immer mehr Menschen lieber für die Straftat Fahrerflucht als für die Meldung des Unfalls bei ihrer Kfz-Versicherung? Ein Erklärungsversuch.

Es gibt Geschichten, die sind filmreif. So auch dieser in allen Details eingetretene Schadenfall. An einem Werktag morgens um 8 Uhr wird bei einer Kundin an die Tür geklopft. Diese reagiert zunächst nicht. Als sie aufgrund des dringlichen Klopfens doch öffnet, steht ein Polizist vor ihr und erkundigt sich nach „dem Cabrio“. Auf Nachfrage stellt sich heraus, dass es sich um das vor wenigen Wochen angeschaffte Auto der Kundin handelt – es soll beschädigt sein, so der Polizist.

Die Kundin geht dann zu ihrem Auto und stellt fest, dass die gesamte Fahrerseite beschädigt ist. Bei einem Cabrio ist dies aufgrund der Konstruktion schwerwiegender als bei Limousinen: Das Stoffdach stabilisiert das Fahrzeug anders. Die Verursacherin und ihr Mann stehen bei dem Auto. Der Polizist nimmt die Daten aller Beteiligten auf.

Zweites Auto, zweiter Schaden – an einem Tag

Noch während der Polizist dabei ist, kommt der Ehemann der Verursacherin hinzu und wischt mit seinen Händen über den Schaden. Weder Polizei noch Kundin noch Verursacherin haben den Schaden bis dato dokumentiert. Auf den Hinweis, dass er das nicht einfach könne, antwortet er, das sei schon in Ordnung. Als dann alles geklärt ist, kümmert sich die Kundin um die Schadenmeldung bei der zuständigen Versicherung, macht Fotos und schickt diese gleich per E-Mail dorthin.

Währenddessen unternimmt ein anderer Fahrer in einem roten Hyundai i20 einen Einparkversuch neben dem zweiten, älteren Cabrio der Kundin. Dieses steht etwa 5 Meter von der Kundin, die gerade mit der Versicherung des Schadenverursachers telefoniert, und ihrem Vater entfernt. Keiner der beiden nimmt von dem Einparkvorgang Notiz. Erst als der Fahrer umschwenkt und neben dem bereits um 8 Uhr morgens beschädigten Wagen einparkt, nehmen ihn Vater und Kundin wahr.

Weggefahren, ohne Daten zu hinterlassen

Besonders fällt der Kundin beim Einparken das riskante Fahrmanöver auf, welches sie mit dem Hinweis auf den bestehenden Frontschaden am Auto kommentiert. Die Frau des Fahrers kann diesen Hinweis nicht verstehen, man tauscht sich aus. In dieser Diskussion zeigen Vater und Kundin an, dass sie Besitzer des 5 Meter entfernt stehenden Cabrios seien. Fahrer und Beifahrerin kommen aus Dresden. Sie erzählen, dass es dort öfter Fahrerflucht gibt.

Gegen 15 Uhr stellt die Kundin fest, dass das ältere Cabrio auch beschädigt ist. Die roten Lackspuren weiß die Kundin gleich zuzuordnen. Der Fahrer aus Dresden ist inzwischen mitsamt Auto weg gefahren. Natürlich hat er keine Daten hinterlassen. Die herbeigerufene Polizei nimmt den Schaden auf und ermittelt wegen Fahrerflucht. Die Kundin bittet mich nun um Rat.

Warum ich diesen Schadenfall so ausführlich schildere?

Man könnte meinen, dass es ein Einzelfall sei. Tatsächlich sind diese Fälle aber keine Ausnahme mehr. Täglich kommen immer mehr Menschen zu mir, die Schäden erlitten haben und deren Herkunft nicht mehr zu klären ist. So wird nicht jede Schadenszene beobachtet und wenn es keine Lackspuren gibt, ist es schwer, den Täter zu ermitteln.

In der Folge dieses verantwortungslosen Handelns bleiben immer mehr Kunden auf ihren Schäden sitzen. Sie müssen selbst in die Geldbörse greifen und für die entstandenen Mängel gerade stehen. Dabei muss man sich fragen, warum das eigentlich so ist. Immerhin ist die Haftpflichtversicherung für Autofahrer verpflichtend. Die Meldung eines Schadens führt nicht zwangsläufig zu unbezahlbar hohen Prämien. Aus diesem Grund ist es umso erstaunlicher, dass Kunden wissentlich lieber eine Verurteilung für eine Straftat in Kauf nehmen wollen, als den Schaden bei einer Versicherung zu melden, die sie ausschließlich zur Regulierung solcher Schäden abgeschlossen haben.

Kein eigener Vorteil einer Haftpflicht

Ich möchte an dieser Stelle noch spitzer formulieren: Kein einziger Kunde hat einen eigenen Vorteil von einer Haftpflichtversicherung. Es sind immer (!) die anderen, für die man verpflichtet ist, Vorsorge bei Beschädigungen zu treffen. Umso erstaunlicher ist es für mich, dass es nicht mehr selbstverständlich ist, die Gegenleistung für die gezahlten Prämien in Anspruch zu nehmen.

Meine Vermutung ist, dass ein solches Verhalten die Folge der „Geiz ist geil“-Mentalität ist. Immerhin könnte die Kfz-Versicherung 5 Euro teurer werden und dann müsste man wieder die Anbieter vergleichen und sich einen günstigeren suchen. Dabei geht die Kernidee des Versicherungsgedankens – sich und andere gegen Schäden abzusichern – vollkommen verloren. Es geht eben nicht um einen Schutz, den man sich einkauft. Man schließt augenscheinlich Versicherungen ab, weil man sie haben muss.

Damit ordnet sich dieser Schadensfall in eine Reihe anderer Entwicklungen ein, die aktuell diskutiert werden. Dazu zählt beispielsweise die gesetzliche Verpflichtung zum Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Vielleicht muss es diesen Druck geben, damit der Durchschnittsbürger wieder versteht, was die Bedeutung von „sich versichern“ ist.

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