Susan Gibson, Canada Life: „Jetzt haben wir ein super Sprungbrett für die nächste Stufe“ © Canada Life
  • Von Andreas Harms
  • 11.07.2023 um 12:04
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Susan Gibson leitet seit Mai 2023 das Deutschland-Geschäft beim Versicherer Canada Life. Im Interview spricht die Irin über ihre Pläne für Deutschland, künstliche Intelligenz, ihr ChatGPT-Konto und ein System, das Arztrezepte lesen kann.

Pfefferminzia: Seit Mai sind Sie für die Geschicke von Canada Life in Deutschland verantwortlich. Es kommt nicht alle Tage vor, dass jemand Englischsprachiges so eine Aufgabe bekommt.

Susan Gibson: So merkwürdig ist das gar nicht. Als wir mit Canada Life hier in Europa begannen, war John Lyons verantwortlich, ebenfalls eine englischsprachige Person. Viel wichtiger ist stattdessen, dass uns in Deutschland über 400 Leute am Markt präsentieren. Das sind Mitarbeiter im Vertrieb, im Marketing, in den Produktabteilungen und im Kundenservice. Sie stehen mit Kunden im direkten Kontakt, und ich muss nur sicherstellen, dass sie das toll machen können. Das ist meine Aufgabe.

Wie viel dabei läuft über Videokonferenzen und wie viel sind Reisen?

Gibson: Reisen ist mir sehr wichtig, weil ich den Markt wirklich verstehen will. Und es stört mich nicht. Ich kenne das schon von früheren Funktionen. Ich habe ziemlich viele Koffer (lacht).

Dann dürfte ja nichts mehr schiefgehen.

Gibson: Nein, wirklich nicht. Mein Plan ist es, alle zwei Wochen in Deutschland zu sein.

Wo Sie in auf dem Maklermarkt auf Rang 8 unter den Produktanbietern stehen. Das ist beachtlich. Wie weit nach oben kann es noch gehen?

Gibson: Solche Marktanteile finde ich gar nicht so wichtig. Ich möchte in erster Linie erreichen, dass sich mehr Menschen in Deutschland in finanziellen Angelegenheiten beraten lassen, dass sie Geld in ihre Altersvorsorge sparen und dass sie ihren Bedarf an Sicherheit gedeckt haben. Und wir müssen herausfinden, wie wir das am besten hinbekommen.

Und wie bekommen Sie das hin?

Gibson: Zurzeit führt unser Weg über Makler. Wir haben einen guten Ruf, was Innovationen angeht. Diesen Ruf wollen wir auch bei unseren Produkten und Dienstleistungen bewahren. Deshalb haben wir unsere technologischen Plattformen stark umgebaut. Alles läuft jetzt über ein einheitliches System. Das hat Jahre gedauert, aber jetzt haben wir ein super Sprungbrett für die nächste Stufe. Insofern habe ich genau zur richtigen Zeit hier angefangen – diese ganze Arbeit ist schon erledigt (lacht).

Kaum ein Interview läuft zurzeit ohne das Thema künstliche Intelligenz, auch das hier nicht. Haben Sie schon ein ChatGPT-Konto?

Gibson: Ja, habe ich.

Was machen Sie damit?

Gibson: Bisher teste ich es. Mein erster Test … oh je … da habe ich so getan, als wäre ich 40 Jahre alt und hätte keine Vorsorge und auch keine Ahnung, wie ich damit anfangen soll. Ich fragte, welches Produkt ich kaufen soll.

Was hat Ihnen das System empfohlen?

Gibson: Ich soll mich beraten lassen.

Echt jetzt?

Gibson: Ehrlich! Das mag jetzt noch nicht umwerfend sein. Aber wirklich beeindruckend ist die Geschwindigkeit, mit der sich alles entwickelt. Allein der Unterschied zwischen ChatGPT 3 und 4 ist so riesig. Ich hatte nach Informationen über das deutsche Rentensystem gefragt und eine komplette Liste erhalten. Wir müssen weiter ausprobieren, um zu lernen.

Um KI irgendwann in die eigenen Systeme einzubauen?

Gibson: Das machen wir schon. Nicht ChatGPT, dafür aber Hyperscience. Bei Irish Life gibt es eine Gesundheitssparte, und die Systeme von Hyperscience können Rezepte vom Arzt lesen. Wenn also ein Arzt etwas verordnet. Bei Canada Life Deutschland prüfen wir gerade, ob Hyperscience auch dafür in Frage kommt, Kunden- und weitere Antragsdaten automatisch ins Verwaltungssystem zu übertragen.

Niemand kann diese Arztrezepte lesen.

Gibson: Es sind schlimme Handschriften, und die Informationen stehen immer irgendwo anders auf dem Zettel. Das mag sein. Aber Hyperscience findet all diese Informationen, füttert damit den Computer und bezahlt automatisch.

Und das funktioniert?

Gibson: Brillant. Es ist zu 98 Prozent akkurat. Wobei wir auch vorsichtig sind. Bei Fällen mit besonders hohen Summen schaut immer noch einmal jemand drüber. Aber es verbessert das Kundenerlebnis insgesamt, denn wir bezahlen die Rechnung schneller.

Läuft das über Lizenzen?

Gibson: Ja, wir können das Programm über API-Schnittstellen in unsere Systeme einbetten. Ich bin ein großer Fan von Insurtechs. Die machen wirklich clevere Sachen, über die wir eine Menge lernen können. Aber sie lernen auch von uns, denn wir haben die Erfahrung, die Kunden und die Makler.

In Deutschland wird gerade diskutiert, ob KI schon gut genug ist, um Kunden zu beraten. Was denken Sie?

Gibson: In dem Punkt gibt es kein entweder oder. Es ist eine hybride Mischung aus Mensch und Digitaltechnik. Und auch da gibt es als Beispiel eine Firma, die das schon anwendet: Multiply, ein Fintech aus dem Vereinigten Königreich. Es hat ein System entwickelt, das Ihnen einen Finanzplan erstellen kann. Es stellt Ihnen Fragen zu Ihrem Vermögen und Ihren Verbindlichkeiten und so weiter. Anschließend wirft der Computer Informationen aus, wie es um die Vorsorge und die Absicherung bestellt ist. Reicht das Geld, oder reicht es nicht? Und was ist zuerst zu tun? Das sind sehr gute erste Schritte, um die Leute an das Thema heranzuführen. Aber sie brauchen anschließend definitiv noch einen menschlichen Berater. Es ist wie beim Autokauf. Niemand geht zum Autohändler, ohne sich vorher schon ein bisschen informiert zu haben.

Leuchtet ein.

Gibson: Finde ich auch. Diese ganzen Sachen mit lernenden Maschinen und intelligenten Systemen können die Branche wirklich weiterbringen und zum Beispiel auch neue, starke und datenbasierte Versicherungen entwickeln.

Was für Daten wollen Sie analysieren und wie?

Gibson: Es ist im Grunde so: Je mehr wir über Sie wissen, desto besser kann ich Ihnen etwas vorschlagen, was gut für Sie ist.

Das sagt Facebook auch.

Gibson: Stimmt. Aber hier geht es um langfristige Ziele, Lebensziele, aber auch um Gewohnheiten. Wenn wir wissen, dass ein Kunde keine E-Mails mag, schreiben wir ihm auch keine mehr. Wenn wir wissen, dass er jeden Tag zwischen 17 und 19 Uhr auf seiner Website ist, dann können wir ihn also dann am besten erreichen. Es muss die richtige Nachricht zur richtigen Zeit im richtigen Medium sein. Und das bekommen wir vor allem mit den richtigen Daten hin. Auf eine nicht nervige Art und Weise.

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Andreas Harms

Andreas Harms schreibt seit 2005 als Journalist über Themen aus der Finanzwelt. Seit Januar 2022 ist er Redakteur bei der Pfefferminzia Medien GmbH.

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