Stephan Kaiser ist mit seinem Experten-Team seit vielen Jahren im Bereich Berufsunfähigkeit aktiv. © BU-Expertenservice
  • Von Oliver Lepold
  • 25.10.2021 um 17:21
artikel drucken artikel drucken
lesedauer Lesedauer: ca. 02:25 Min

BU-Experte Stephan Kaiser über den staatlichen Versorgungsstandard und die Weiterentwicklung der Dienstunfähigkeitsklauseln in BU-Policen für Beamte.

Pfefferminzia: Inwieweit sind Beamte über ihren Dienstherrn ausreichend gegen die finanziellen Folgen einer Dienstunfähigkeit (DU) abgesichert?

Stephan Kaiser: Ein Beamter muss fünf Jahre Wartezeit hinter sich bringen, um Pensionsansprüche zu erwerben. Wird er zuvor dienstunfähig, wird er entlassen und in der Rentenversicherung nachversichert. Geschieht dies danach, erhält er eine Pension. Bei Dienstunfällen gibt es keine Wartezeit. Beamte sind zwar besser abgesichert als Beschäftigte über die Rentenversicherung. Dennoch gibt es auch hier immer eine Lücke, die unterschiedlich hoch ausfällt, je nach erworbenen Ansprüchen. Es können Fälle entstehen, wo etwa Lehrer als Beamte auf Lebenszeit bei Dienstunfähigkeit keine Pensionsansprüche haben, weil ihre Wartezeit noch nicht abgelaufen ist.

Wie werden die Pensionsansprüche berechnet?

Ausgehend von den sogenannten anrechenbaren Dienstjahren. Hier wird die bisher absolvierte Zeit im Beamtenstatus und gegebenenfalls auch die Studienzeit addiert. Hinzu kommt die Zeit bis zum regulären Eintritt in die Pension, von dieser Zeitspanne werden zwei Drittel angerechnet. Mit den anrechenbaren Dienstjahren schaut man dann in der zugehörigen Tabelle nach – pro Jahr werden 1,79 Prozent berücksichtigt, sodass man nach 40 Dienstjahren auf maximal 71,75 Prozent des Einkommens kommt. Das bedeutet, je jünger der Beamte dienstunfähig wird, desto geringer die Pension. Allerdings gibt es eine Mindestversorgung, die bei etwa 1.800 Euro liegt. Im niederen oder mittleren Dienst mag das ein annehmbares Niveau sein, aber für Beamte im höheren oder gehobenen Dienst oder als Lehrer mit Gehaltsstufe A13 ist die Lücke sehr viel größer.

Kommt bei Dienstunfällen dieses Verfahren auch zur Anrechnung?

Nein, Dienstunfälle werden zwar immer anerkannt, aber die Pension berechnet sich anders. Die Basis der Berechnung ist dann, was der Beamte insgesamt hätte verdienen können, wenn er bis zum regulären Pensionsbeginn seinen Dienst beendet hätte. Letztlich wird der verunfallte Beamte im Vergleich zum oben genannten Verfahren deutlich bessergestellt. Aber Dienstunfälle sind speziell bei Lehrern und Verwaltungsbeamten ziemlich selten.

Wie sollten Makler angesichts dieser Fakten in die Beratung von Beamten einsteigen?

Beamte im höheren Dienst sind oft erstaunt, wie groß die Lücke tatsächlich ist. Sie werden vom Dienstherrn nicht informiert, es gibt keine Merkblätter oder jährliche Mitteilungen zum Pensions-anspruch. Die Lücke wird jedoch im Laufe der Zeit geringer, daher empfiehlt es sich, Beamte so früh wie möglich über private Arbeitskraftabsicherung zu beraten. In erster Linie sind der höhere und gehobene Dienst im Vertriebsfokus, denn im niederen und mittleren Dienst haben Beamte oft zu wenig Mittel, um sich diese Absicherung zu leisten. Manche Versicherer bieten unteren Besoldungsgruppen oft auch nur eine bescheidene Maximalrente von 600 Euro an. Man möchte dort einfach keine Begehrlichkeiten wecken.

Wie hat sich der Qualitätsstandard der DU-Klauseln in der Branche entwickelt?

Bis Mitte der neunziger Jahre hatten wir branchenweit die unwiderlegliche Vermutung der BU. Das bedeutet, die Versicherer haben sich bedingungslos an die Entscheidung des Dienstherrn, einen Beamten für dienstunfähig zu erklären, angeschlossen und die BU-Rente gewährt. Dann kam die Privatisierung von Post und Bahn. Laut Privatisierungsvertrag übernahmen die dann privaten Unternehmen die Gehälter der Beamten, aber die Verantwortung für die Pensionen blieb beim Bund. Ergebnis: Bei Post und Bahn gab es massenhaft Anträge auf DU, um Personal- und Kostenabbau zu betreiben. Daher wurden die Bedingungen in den BU-Beamtentarifen geändert. Heute wird meist eine DU ‚ausschließlich aus gesundheitlichen Gründen‘ verlangt. Aber in vielen Fällen prüft der Versicherer zusätzlich eigenständig.

Das sind dann die unechten DU-Klauseln. Wie häufig sind diese?

Etwa 20 Versicherer haben DU-Klauseln in ihren BU-Tarifen. Ein Drittel ist fast echt. Das heißt, die Versetzung in den Ruhestand findet „ausschließlich“ aus medizinischen Gründen statt. Disziplinarische oder wirtschaftliche Gründe würden die Leistung verhindern. Und ein Drittel ist unecht. Unvollständig sind nur die Klauseln zweier Versicherer. Das ist für den Makler eine Haftungsfrage, er muss den Kunden dazu aufklären. Der Kunde entscheidet.

autorAutor
Oliver

Oliver Lepold

Oliver Lepold ist Dipl.-Wirtschaftsingenieur und freier Journalist für Themen rund um Finanzberatung und Vermögensverwaltung. Er schreibt regelmäßig für Pfefferminzia und andere Versicherungs- und Kapitalanlage-Medien.

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

Pfefferminzia Logo rgb
Suche
Close this search box.
Zuletzt hinzugefügt
Wie die Zukunft der bAV aussieht
Handelsblatt Jahrestagung bAV 2024

Wie die Zukunft der bAV aussieht

Vermittler müssen und wollen sich weiterbilden
AfW-Vermittlerbarometer: Nachhaltigkeit

Vermittler müssen und wollen sich weiterbilden

Zuletzt hinzugefügt
„Honorarberatung ist hochflexibel“
„Lass mal reden“ mit Honorarkonzept

„Honorarberatung ist hochflexibel“

„In fünf Jahren sterben Online-Abschlussstrecken aus“
„Lass mal reden“ mit Ralf Pispers, Personal Business Machine (PBM)

„In fünf Jahren sterben Online-Abschlussstrecken aus“

Skip to content