Olaf Scholz, Vizekanzler und Bundesminister der Finanzen, SPD, hier bei einem früheren Auftritt in der ARD-Talkshow Anne Will am 27. September 2020. © picture alliance / Eventpress | Eventpress Stauffenberg
  • Von Lorenz Klein
  • 15.03.2021 um 18:33
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lesedauer Lesedauer: ca. 04:20 Min

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat Politiker, die einen Provisionsdeckel in der Lebensversicherung ablehnen, scharf kritisiert. „Da sitzen Leute im Bundestag, die wissen, warum sie das bekämpfen“, sagte Scholz in der ARD-Talksendung „Anne Will“. Er zog damit einen Vergleich zur Masken-Affäre von Unionsabgeordneten – Pfefferminzia präsentiert exklusive Reaktionen der „Deckel-Gegner“ aus CDU und FDP.

Zugleich wäre die Maßnahme auch nicht „zielführend im Sinne einer qualifizierten Verbraucherberatung gewesen“, erklärte der CDU-Politiker im Hinblick auf „Markteintrittsbarrieren für neue Berater, da keine historischen Vermittlungsergebnisse vorliegen“. Unabhängige Makler wären zu Gunsten von Ausschließlichkeitsvertrieben aus dem Markt gedrängt worden, so Brodesser weiter, und Bürokratiekosten in Millionenhöhe wären „am langen Ende vom Versichertern zu schultern gewesen“. Das sei ein „Bärendienst für die private Altersvorsorge“, ärgert sich der CDU-Mann, „die dem Bundesminister aber eh ,egal’ scheint, weil er seit Monaten die notwendigen Reformschritte der Riester-Rente blockiert“.

„Grundsätzliches Problem mit bestimmten Berufsgruppen“

Zugleich erklärte Brodesser, dass es „tatsächlich schwarze Schafe“ gäbe, „die überhöhte und interessengefährdende Provisionen vereinnahmen“. Diese könnte man allerdings mit dem vorhandenen Instrumentarium identifizieren und „scheren“, so der Abgeordnete. Die Finanzaufsicht Bafin könnte hier gemäß Paragraf 48 a VAG eingreifen. „Das alles hat der Bundesminister verschwiegen“, so Brodesser weiter – der dann noch einmal grundsätzlich wurde: Die SPD habe offensichtlich „ein grundsätzliches Problem mit bestimmten Berufsgruppen aus Versicherungen, Banken oder Handwerk und versuche nun, über das Fehlverhalten Einzelner ihre ideologische Agenda auf den letzten Metern in der Legislaturperiode durchzudrücken“. Damit lenke Scholz vom eigenen Fehlverhalten seiner ihm unterstehenden Kontrollbehörden wie der Bafin ab, so Brodesser weiter, „über die wir gerade in einer Anhörung des Finanzausschusses lange diskutiert haben“.

FDP-Politiker Schäffler hält dagegen

Auch der FDP-Politiker Frank Schäffler zeigt sich von Scholz‘ Aussagen irritiert. Schäffler gehört, wie Brodesser, zu jenen Finanzpolitkern im Bundestag, die sich vehement gegen einen Provisionsdeckel ausgesprochen haben. Schriftlich teilte sein Büro am Montagabend mit:

„Wenn Scholz mit einem Finger auf andere zeigt, dann zeigen mindestens drei auf ihn zurück. Wenn die Bafin ihre Arbeit machen würde, dann hätte sie das Provisionstreiben bei den Restschuldversicherungen längst unterbunden. Paragraph 48 a VAG ermöglicht ihr das längst. Jedoch schläft die Bafin vor sich hin und hat bislang nie eingegriffen, obwohl teilweise Provisionen von über 70 Prozent bezahlt wurden. Es gibt hier kein Gesetzesdefizit, sondern ein Vollzugsdefizit.“

Scholz gibt nur augenscheinlich Rätsel auf

Tatsächlich geben die Äußerungen des Finanzministers augenscheinlich Rätsel auf. Denn vor nicht einmal vier Wochen lobte CDU-Finanzpolitiker Brodesser seine sozialdemokratischen Partner für das gemeinsame Vorgehen in Sachen Provisionsdeckel ausdrücklich: „Wir konnten in konstruktiven Gesprächen mit unserem Koalitionspartner und dem Bundesfinanzministerium eine allgemeinverbindliche Neudefinition der Abschlussprovision sowie die spartenübergreifende Normierung sonstiger Vergütungen aus diesem Gesetzentwurf ausklammern“, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete dem Finanzmagazin Cash (wir berichteten). Ein allgemeiner Provisionsdeckel über die Restschuldversicherung hinaus werde mit diesem Gesetzentwurf nicht geschaffen, betonte Brodesser damals.

Dass die SPD diese Einigung womöglich eher zähneknirschend akzeptiert haben könnte, legt allerdings ein Hinweis nahe, den das Finanzministerium im Anschluss auf seiner Internetseite machte. Dort heißt es, dass man „die Regelungen hinsichtlich der Lebensversicherung zunächst zurückgestellt“ habe (wir berichteten). Zugleich betonte das BMF, dass man hier auch „weiterhin Handlungsbedarf“ sehe, „um mögliche Fehlanreize durch überhöhte Provisionen zu vermeiden“.

Die aktuellen Äußerungen des Finanzministers scheinen diese Sichtweise nun zu untermauern. Und natürlich verdeutlicht das Grollen des SPD-Kanzlerkandidaten in Richtung einer angeschlagenen Union vor allem eines: Der Wahlkampf ist eröffnet.

+++Update+++

Die Äußerungen von Olaf Scholz haben am Dienstag auch den AfW Bundesverband Finanzdienstleistung zu einer kritischen Stellungnahme veranlasst. Hier geht es zum Beitrag. 

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Lorenz Klein

Lorenz Klein gehörte dem Pfefferminzia-Team seit 2016 an, seit 2019 war er stellvertretender Chefredakteur bei Pfefferminzia. Im Oktober 2023 hat Klein das Unternehmen verlassen, um sich neuen Aufgaben in der Versicherungsbranche zu widmen.

kommentare
Ditmar Gall
Vor 3 Jahren

So ein Schelm, Milliarden bei Wirecard und Coronahilfen versenkt, Pensionsansprüche, die vorab keine Beratung zu passender Altersvorsorge benötigt, will unseren Aufwand nicht gerecht entlohnen.
Wie konnten wir nur solche Politiker zu lassen.

Josef Netzer
Vor 3 Jahren

Zuerst die Renten kürzen und den Menschen dann sagen “Sorgt mal schön Selbst vor fürs Alter“ ! Aber die Beratung der Produkte muss natürlich kostenlos sein, der Berater kann ja von Luft und Liebe leben.
Als Berufspolitiker ist die Altersvorsorge ja von Seiten des Staat optimal geregelt!

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Ditmar Gall
Vor 3 Jahren

So ein Schelm, Milliarden bei Wirecard und Coronahilfen versenkt, Pensionsansprüche, die vorab keine Beratung zu passender Altersvorsorge benötigt, will unseren Aufwand nicht gerecht entlohnen.
Wie konnten wir nur solche Politiker zu lassen.

Josef Netzer
Vor 3 Jahren

Zuerst die Renten kürzen und den Menschen dann sagen “Sorgt mal schön Selbst vor fürs Alter“ ! Aber die Beratung der Produkte muss natürlich kostenlos sein, der Berater kann ja von Luft und Liebe leben.
Als Berufspolitiker ist die Altersvorsorge ja von Seiten des Staat optimal geregelt!

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