Spaniens Wirtschaftsministerin Nadia Calviño und die Finanzminister Bruno Le Maire (links, Frankreich) und Christian Lindner (Deutschland): Lebensversicherer müssen ihre Staatsanleihenquote beachten © picture alliance / ROPI | Sierakowski/EUC
  • Von Andreas Harms
  • 10.11.2023 um 09:29
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Großer Durchblick bei den Lebensversicherern – wie ist es um die Solvenzquoten bestellt, und was ist in den Handelsbilanzen los? Zielke Research Consult hat nachgesehen. Und siehe da: Die Solvenzquoten sind Hui und die Bilanzen Pfui.

Das Analysehaus Zielke Research Consult (ZRC) hat die Solvenzsituationen der Lebensversicherer zum aller ersten Mal zu einer Gesamtnote zusammengefasst. Die vier Einzelaspekte lauten:

  • Reine Solvenzquote
  • Diversifikation (also Streuung der Kapitalanlage)
  • Staatsanleihequote
  • Transparenz

Die Ergebnisse hat ZRC in der „Leben-Studie 2023“ veröffentlicht. Und hier sind diejenigen Lebensversicherer, die fünf von sechs möglichen Punkten bekamen (sechs Punkte schaffte keiner):

  • Alte Leipziger LV
  • Baloise LV
  • Debeka Leben
  • Deutsche Ärzteversicherung
  • Gothaer LV
  • Hanse-Merkur LV
  • R+V LV
  • Württembergische LV

Insgesamt stellen die Analysten fest, dass sich die Branche in Hinsicht auf Solvenz und Handelsbilanz in höchst unterschiedliche Richtungen entwickelt. „Während die Solvenz blendend aussieht, bereiten hohe stille Lasten auf der Aktivseite einige Liquiditätssorgen“, schreiben sie. Gehen wir auf einige Aspekte im Detail ein:

Solvenzquote

Bei den Solvenzquoten greift ein Effekt, den wir schon in früheren Geschichten beschrieben haben (zum Beispiel hier). Denn in der Solvenzformel stehen sich die Habenseite mit den Vermögensgegenständen und die Sollseite mit den künftigen Zahlungspflichten in zum Teil sehr ferner Zukunft gegenüber. Die Zinswende sorgte nun dafür, dass beide Seiten an Wert verloren. Die Habenseite, weil die Kurse der Anleihen sanken. Und die Sollseite, weil der Abzinsfaktor stieg und zukünftige Verpflichtungen stärker auf heute hinabgezinst werden.

Bei den meisten Versicherern liegen die durchschnittlichen Laufzeiten beim Soll höher als beim Haben. Soll heißen: Der heutige Zeitwert vom Soll sinkt stärker als der Kurswert vom Haben. Und weil alles auf der Welt relativ ist, wird die Habenseite somit gegenüber der Sollseite gestärkt.

Insofern verzeichnet man bei Zielke eine von 458 Prozent Ende 2021 auf 601 Prozent Ende 2022 regelrecht ausufernde Solvenzquote. Sogar die reine Quote (ohne Übergangsmaßnahmen, nicht eingezahltem Eigenkapital und Volatilitätsanpassung) erhöhte sich von 265 Prozent auf 390 Prozent. Nur noch ein einziger Lebensversicherer verzeichnet eine reine Solvenzquote unter 100 Prozent, nämlich die Öffentliche Oldenburger mit 71 Prozent.

Staatsanleihequote

In der Rechnung nach Solvency II gelten Staatsanleihen aus dem Europäischen Wirtschaftsraum und der OECD als ausfallsicher und müssen deshalb nicht mit Eigenkapital unterlegt werden. Das treibt die Solvenzquote – oft unnötigerweise – zusätzlich hoch, senkt aber die Renditechancen. Weshalb sich die Analysten ansehen, welchen Anteil Staatsanleihen in den Portfolios der Lebensversicherer ausmachen. Einen Punkt für die eingangs erwähnte Gesamtwertung gibt es, wenn die Quote unter 25 Prozent liegt. Die Top 5 in dieser Hinsicht lauten (mit Quote in Klammern):

  • VPV (0,0 Prozent)
  • Europa LV (0,9 Prozent)
  • Entis LV (0,9 Prozent)
  • Continentale (1,3 Prozent)
  • Deutsche LV (2,7 Prozent)

Die höchsten Quoten hingegen fahren:

  • Süddeutsche LV (77,3 Prozent)
  • Concordia LV (68,1 Prozent)
  • Öffentliche LV Oldenburg (55,3 Prozent)
  • Landwirtschaftlicher Versicherungsverein Münster (LVM, 47,0 Prozent)
  • Nürnberger Beamten LV (44,8 Prozent)

Insgesamt stellen die Analysten fest, dass die Geldanlage für Lebensversicherer nicht gerade einfacher geworden ist. Geopolitische Spannungen und noch immer recht hohe Inflation lassen die Finanzmärkte wackeln. Und an den Immobilienmärkten droht eine veritable Krise.

Doch Staatsanleihen – schließlich geraten auch die Schuldenberge der Länder ins Zentrum des Interesses – können laut Zielke nicht die Lösung sein. Weshalb die Versicherer streuen sollen. „Die Assekuranzen, die in ihrer Anlagepolitik auf Aktien setzen und somit auch das Marktrisiko in Kauf nehmen, stehen besser da als jene die kaum Marktrisiken eingehen“, schreiben die Analysten deutlich. Kunden sollten deshalb schauen, welche Versicherer künftig die Inflation ausgleichen können.

Die Versicherer mit den höchsten Kapitalmarktrisiken – und das ist positiv gemeint – sind die folgenden:

  • Axa LV
  • DEVK Deutsche Eisenbahn LV
  • Deutsche Ärzteversicherung
  • Bayerische Beamten LV
  • R+V LV

Mehr zur Studie erfahren Sie hier.

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Andreas Harms

Andreas Harms schreibt seit 2005 als Journalist über Themen aus der Finanzwelt. Seit Januar 2022 ist er Redakteur bei der Pfefferminzia Medien GmbH.

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