Reiner Will © Assekurata
  • Von Lorenz Klein
  • 23.02.2023 um 16:21
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Die Zinswende hat die Lebensversicherer erreicht: Immerhin 30 Prozent der Anbieter haben die laufende Verzinsung in der privaten Rentenversicherung gegenüber 2022 angehoben. Gesenkt hat keine Gesellschaft, wie eine Analyse der Rating-Agentur Assekurata ergab. Der Versicherungsverband GDV feiert dies als „Signal an die Kunden“ – andere finden die Branche zu zögerlich.

Die aktuelle Deklarationsrunde der Lebensversicherer stehe erstmals seit langer Zeit wieder im Zeichen steigender Marktzinsen, resümierte Reiner Will, Geschäftsführer der Rating-Agentur Assekurata, am Donnerstag im Rahmen eines Pressegesprächs. „Allerdings spiegeln sich diese in den Überschussbeteiligungen erst allmählich wider“, gab Will zu bedenken. Der Experte stützt sich für seine Einschätzung auf die hauseigene „21. Marktstudie zu Überschussbeteiligungen und Garantien 2023“. Die Ergebnisse stellte Will in Köln vor.

In Zahlen sieht das so aus: 13 von insgesamt 43 untersuchten Lebensversicherer haben die laufende Verzinsung in der privaten Rentenversicherung gegenüber 2022 angehoben – gesenkt hat keines der Unternehmen. Im Durchschnitt liegt die laufende Verzinsung für einen Referenztarif mit einem Garantiezins von 1,25 Prozent nunmehr bei 2,14 Prozent – im Vorjahr waren es 2,01 Prozent.

Einen Schnaps mehr an Zinsen bieten jene Lebensversicherer, die klassische Rentenversicherungen nach wie vor im Neugeschäft anbieten: Bei jenen 13 Gesellschaften bekommen Kunden eine laufende Verzinsung von durchschnittlich 2,26 Prozent gutgeschrieben. Bezieht man alle klassischen Produktarten und Tarifgenerationen aus der Studie mit ein – also neben Klassik-, auch Neue-Klassik-Tarife sowie Indexpolicen –, so ist die laufende Verzinsung 2023 auf 2,62 Prozent geklettert, nach 2,55 Prozent im Vorjahr.

„Marktweit steigt damit die Überschussbeteiligung gegenüber dem Vorjahr an“, fasst Reiner Will das Gesamtbild zusammen. Dies habe „historischen Charakter“, erfolgte die Zinswende doch letztmals vor 15 Jahren. Der Auslöser für diese Zinswende ist bekanntermaßen eng verknüpft mit der politischen Zeitenwende infolge des russischen Überfalls auf die Ukraine: So haben mehrere Leitzinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) auf mittlerweile 3 Prozent maßgeblich dazu beigetragen, dass die Zinsen am Kapitalmarkt deutlich gestiegen sind. Weitere Zinsschritte hat die Notenbank unlängst angekündigt. Hiermit reagiere die EZB „auf die äußerst hohe Inflation, die auf Jahressicht mit 7,9 Prozent ihren historisch höchsten Wert seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland einnahm“, ruft Reiner Will die Hintergründe in Erinnerung.

GDV: Zinswende gut für die Kunden – doch so einfach ist es nicht

Beim Versicherungsverband GDV ist man sogleich bemüht, die Zinswende als positives Signal für die Versichertengemeinde zu deklarieren. „Die Zinswende ist gut für die Kundinnen und Kunden der Lebensversicherer“, kommentiert GDV-Hauptgeschäftsführer die Ergebnisse der Assekurata-Studie. Die Lebensversicherer passten ihre Überschussbeteiligung schon immer den Verhältnissen am Kapitalmarkt an, da dieser ausschlaggebend sei für die Ertragslage, so Asmussen. „Der Trendwende bei den Zinsen dürfte daher auch eine Trendwende bei den Überschüssen der sicherheitsorientierten Produkte folgen“, prognostiziert der Verbandsrepräsentant.

Doch es gibt auch zweifelnde Stimmen im Markt, die sich grob auf diesen Nenner bringen lassen: Mit ihren Mini-Zinsschritten nach oben sind die Lebensversicherer nicht wirklich konkurrenzfähig – etwa im Vergleich zu Bankprodukten. „Bis Ende 2021 schien die Verzinsung von Versicherungen attraktiver als alternative Bankprodukte. Jetzt kehrt sich dieser Effekt um. Nicht das Versicherungsprodukt ist schlechter geworden – sondern die Banken und anderen Wettbewerber werden besser“, wird Analyst und Versicherungsökonom Carsten Zielke im Wirtschaftsmagazin „Capital“ zitiert.

Kritik am Verhalten der Versicherer

So moniert „Capital“, dass selbst die in der Spitze deklarierten 2,7 Prozent mau wirkten angesichts der Zins-Konditionen, die Banken bereits wieder ins Schaufenster stellen: „Fürs dreijährige Festgeld gibt’s bei seriösen Anbietern rund 3 Prozent Zins, völlig kostenfrei. Warum also sollten sich Sparer für 30 Jahre an eine Versicherung binden, wenn sie mit Festgeld mehr herausholen können?“, schreibt eine sichtlich aufgebrachte „Capital“-Redakteurin. Dass eine Festgeld-Anlage nicht per se eine gute Altersvorsorge darstellt, wollen wir an dieser Stelle nicht vertiefen. Gleichwohl weist die leicht übersteuerte Empörung auf ein Problem hin, dass die Lebensversicherer haben.  

Geschäftsmodell lässt keine großen Zins-Sprünge zu

Assekurata-Chef Reiner Will bringt es auf diese Formel: Da die Branche nach wie vor mit einem Berg stiller Lasten in ihren Kapitalanlagen beschwert ist, können die Zins-Deklarationen nur langsam steigen – Zinswende hin, Zinswende her. „Dass sich der abrupte Zinsanstieg am Kapitalmarkt nicht eins zu eins bei den Überschussbeteiligungen niederschlägt, ist den Eigenschaften des Geschäftsmodells geschuldet“, betont Will. Daher sei es nicht verwunderlich, dass viele Lebensversicherer in ihrer Überschusspolitik noch zurückhaltend seien, wenngleich sich die langfristige Ertragsperspektive mit dem Zinsaufschwung verbessert habe.

Deutlich agiler reagierten die Lebensversicherer hingegen im kürzer laufenden Einmalbeitragsgeschäft. Hier hat Assekurata festgestellt, dass die Überschussbeteiligungen insbesondere in den ersten Vertragsjahren gegenüber dem Vorjahr spürbar angezogen haben. „Der Zinsanstieg wirkt sich bei Einmalbeitragspolicen somit stärker aus als bei Versicherungen gegen laufenden Beitrag“, stellt Assekurata-Analyst Lars Heermann fest. „Offenbar verfolgen die Lebensversicherer das Ziel, im Zinswettbewerb gegenüber Banken weiterhin bestehen zu können.“ Außerdem passe dieses Vorgehen zur derzeit inversen Zinsstrukturkurve am Kapitalmarkt, so Heermann, bei der Anleihen mit kurzen Laufzeiten bisweilen höher rentierten als Langfristanlagen.

Die rund 150-seitige Marktstudie einschließlich vieler Einzelauswertungen können Interessenten über Assekurata kostenpflichtig bestellen.

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Lorenz

Lorenz Klein

Lorenz Klein gehörte dem Pfefferminzia-Team seit 2016 an, seit 2019 war er stellvertretender Chefredakteur bei Pfefferminzia. Im Oktober 2023 hat Klein das Unternehmen verlassen, um sich neuen Aufgaben in der Versicherungsbranche zu widmen.

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