Thomas Dommermuth ist bAV-Experte und Mitglied des fachlichen Beirats des Instituts für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP). © IVFP
  • Von Karen Schmidt
  • 09.02.2022 um 16:00
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Die Senkung des Höchstrechnungszinses zum Jahreswechsel auf 0,25 Prozent hat für Teile der betrieblichen Altersversorgung (bAV) deutliche Folgen. Die „Beitragszusage mit Mindestleistung“ etwa ist damit praktisch tot. Warum das so ist, welche Folgen das hat und inwiefern der Gesetzgeber hier die Schuld trägt, erklärt Thomas Dommermuth vom fachlichen Beirat des Instituts für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP).

Pfefferminzia: Wegen der Senkung des Höchstrechnungszinses auf 0,25 Prozent in diesem Jahr haben viele Versicherer ihre Garantien bereits angepasst oder sich aus Produkten mit Garantiepflicht wie Riester zurückgezogen. Wie sieht das für die betriebliche Altersversorgung, kurz bAV, aus, die ja auch 100-prozentige Beitragsgarantien vorsieht. Ist auch hier mit einem Rückzug von Anbietern zu rechnen?

Thomas Dommermuth: Die typisch juristische Antwort – das kommt drauf an. In der bAV sind diese Zusammenhänge komplexer als im Bereich der privaten Vorsorge. Es tritt nämlich neben das Versicherungsrecht ein weiteres Gebiet: Das Arbeitsrecht, dessen wichtige Ausprägung im Rahmen der bAV das Betriebsrentengesetz ist. Dieses Spezialgesetz kennt mehrere Arten von Betriebsrentenzusagen, die ein Arbeitgeber mit seinen Mitarbeitern vereinbaren kann, auch bei Entgeltumwandlung.

Sehr häufig verbreitet ist bei Direktversicherungen, Pensionskassen und Pensionsfonds die „Beitragszusage mit Mindestleistung“, kurz BZML. Im Rahmen der arbeitsrechtlichen Bindung muss der Arbeitgeber bei dieser Zusageart für Differenzbeträge haften, wenn die tatsächliche Leistung die Beitragssumme abzüglich Risikokosten unterschreitet. Daher wird ein solcher Arbeitgeber nur Tarife akzeptieren, die – wie bei privaten Riester-Verträgen – eine Bruttobeitragsgarantie gewähren. Anbieter, die nur eine BZML im Köcher haben, können daher nach 2021 keine Neuverträge in der bAV mehr platzieren.

Anders hingegen diejenigen, deren Tarife mit der „beitragsorientierten Leistungszusage“, kurz BOLZ kompatibel sind. Sie können auch künftig Verträge anbieten, die lediglich 80 Prozent der Beitragssumme und sogar weniger garantieren.

Kann man denn die Garantien in der bAV so einfach anpassen?

Für vor 2022 vereinbarte Altverträge ist das weder notwendig noch praktikabel. Neuverträge mit unter 100 Prozent abgesenkten Garantien haben jedoch keinerlei Probleme in der bAV, wenn sie die Zusageart BOLZ nutzen und mindestens 50 Prozent der Beitragssumme garantieren. Das gilt übrigens auch für Riester-Verträge, wenn sie über die bAV-Schiene mit BOLZ vereinbart werden.

Welche Folgen hat eine solche Anpassung für die bAV-anbietenden Unternehmen?

Der Arbeitgeber kann nichts falsch machen, da kein Produktanbieter die BZML ab 2022 mehr verkaufen wird. Für die Produktanbieter bedeutet die neue Situation, dass sie im Bereich der Direktversicherungen, Pensionskassen und Pensionsfonds nur noch Tarife verkaufen können, die mit BOLZ oder der seit 2018 rechtlich möglichen, jedoch nur über Tarifverträge oder deren Anlehnung zulässigen reinen Beitragszusage – ohne Mindestleistung – kompatibel sind.

Ist eine Beitragsgarantie in der bAV überhaupt noch zeitgemäß – oder muss der Gesetzgeber hier reagieren?

Die BZML ist nicht mehr zeitgemäß, da es dazu seit 2022 keine Tarife der Anbieter mehr gibt. Der Gesetzgeber hat das selbstverständlich schon längst auf sich zukommen sehen, denn er selbst hat ja den Auslöser zu diesem Problem, nämlich die Absenkung des Höchstzinssatzes zum 1. Januar 2022 auf 0,25 Prozent ins Leben gerufen – ohne gleichzeitig das Problem der BZML anzupassen. Er hat also schlichtweg geschlafen. Will man daher auch künftig, dass die BZML die Landschaft der bAV bereichert, muss man als Gesetzgeber schnell handeln.

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Karen

Karen Schmidt

Karen Schmidt ist seit Gründung von Pfefferminzia im Jahr 2013 Chefredakteurin des Mediums.

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