Julia Hummel ist Produktmanagerin und Expertin im Bereich Unfall bei der Vema Versicherungsmakler Genossenschaft. © Vema
  • Von Lorenz Klein
  • 30.09.2021 um 17:36
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Private Unfallversicherungen haben oft mit dem Vorurteil zu kämpfen, dass die Hürden sehr hoch sind bis es überhaupt „Geld vom Versicherer“ gibt. Was an dieser Sicht dran ist, warum die Policen immer kundenfreundlicher werden und welche Rolle die krankheitsbedingte Invalidität inzwischen spielt, sagt Vema-Unfallexpertin Julia Hummel im Interview.

Pfefferminzia: Vor dem Hintergrund, dass viele Arbeitnehmer pandemiebedingt ins Homeoffice gezogen sind – und dies auch nach der Pandemie nicht gänzlich zurückgedreht werden dürfte – ist der Leistungsumfang der gesetzlichen Unfallversicherung vermehrt in den Fokus gerückt – zumal ein gutes Drittel der Unfälle sich Zuhause ereignen, der gesetzliche Unfallschutz jedoch enge Grenzen hat. Halten Sie es für denkbar, dass die Nachfrage nach privatem Unfallschutz davon profitieren könnte?

Julia Hummel: Vorab ist zu betonen, dass der Ort, an dem sich der Unfall ereignet bezogen auf einen Arbeitsunfall irrelevant ist. Ausschlaggebend ist, wodurch der Unfall entstand und ob dieser während der Arbeitszeit passiert ist. Im Homeoffice wird es jedoch etwas kniffelig, denn die Abgrenzung zwischen Arbeitspflicht und privaten Angelegenheiten ist nicht immer einfach. Ging der Arbeitnehmer also zum Unfallzeitpunkt seiner Arbeitspflicht nach, so ist er in diesem Moment auch durch die gesetzliche Unfallversicherung abgesichert. Ein Beispiel hierfür: Der Arbeitnehmer ist auf dem Weg zum Drucker, stürzt dabei und bricht sich den Arm. Klar, hier handelt es sich um einen Arbeitsunfall. Im privaten Bereich befindet sich der Arbeitnehmer jedoch, wenn er sich etwas zu Essen oder einen Kaffee holt.

Eine Ausnahmeregelung besagt jedoch, dass auch solche Ereignisse in der gesetzlichen Unfallversicherung abgesichert sind, sofern der ausgeübte Beruf ein besonderes Hunger- oder Durstgefühl verursacht. Gerade bei Bürotätigkeiten lässt sich ein solcher Unfall hierdurch kaum begründen. Eine private Unfallversicherung ist dann besonders wichtig, wenn gar kein gesetzlicher Versicherungsschutz greift oder eben dann, wenn Lücken im Versicherungsschutz bestehen, so wie es im Homeoffice der Fall ist. Die Nachfrage nach einer privaten Unfallversicherung wird also vermutlich steigen, da die Unsicherheit der Betroffenen zunimmt und sich eine Abgrenzung – berufliche oder private Tätigkeit? – schwierig gestaltet. Mit einer privaten Unfallversicherung sind Arbeitnehmer im Homeoffice in jedem Fall bestmöglich abgesichert.

Nicht wenige Menschen stehen privaten Unfallversicherungen skeptisch gegenüber, weil sie die Hürden als sehr hoch einschätzen bis es überhaupt „Geld vom Versicherer“ gibt. Was ist aus Ihrer Sicht dran an diesen Vorbehalten?

Für Laien ist das Thema Versicherungen oft ein böhmisches Dorf. Nicht selten kommt es vor, dass Versicherungsnehmer dennoch ihre Versicherungen selbst abschließen, weil sich dadurch der eine oder andere Euro einsparen lässt. Andere Versicherungsnehmer haben eventuell bereits eine Unfallversicherung, die jedoch schon vor Jahrzehnten abgeschlossen wurde. Der Markt entwickelt sich weiter und somit auch die Versicherungsprodukte, die Hürden heutzutage sind bei weitem nicht mehr so hoch, wie sie es früher einmal waren. Zudem haben sich auch die Leistungen kundenfreundlicher entwickelt.

Unzufriedene Kunden entstehen meistens durch eine schlechte oder keine Beratung. Man sollte daher solch ein komplexes Thema immer in die Hände eines Profis geben. Die Fachkompetenz vom Versicherungsmakler zahlt sich vor allem bei umfangreichen und damit beratungsintensiven Versicherungsprodukten aus. Die Folge: Weniger Hürden und Unzufriedenheit im Leistungsfall.

Darüber hinaus stehen Versicherungsnehmer im Leistungsfall nicht alleine da, denn zu den Aufgaben eines Versicherungsmaklers gehört neben dem Abschluss auch die Unterstützung und Betreuung im Schadenfall. Wieso gibt es aber aus Sicht der Versicherungsnehmer oft Hürden in der Unfallversicherung? Nun ja, die Unfallversicherung ist keine „Vollkasko-Versicherung“, die für Kleinschäden konzipiert wurde, sondern ein Großschadenprodukt, das dem Kunden im Falle einer erheblichen körperlichen Einschränkung durch ein unvorhergesehenes Ereignis finanziell den Rücken freihalten soll. Kommt es also zum absoluten Ernstfall, dann leistet die Unfallversicherung also auch.

In immer mehr Unfallpolicen wird eine krankheitsbedingte Invalidität zumindest teilweise anerkannt, etwa indem beim Zusammentreffen von Krankheiten und Unfallfolgen sich die Leistungen unter bestimmten Voraussetzungen nicht mehr um den Anteil vermindert, den die Krankheit an der Gesundheitsschädigung oder deren Folgen hat (Mitwirkungsanteil). Welche Rolle spielen dieser und weitere Trends im Markt, um Unfallpolicen attraktiver zu machen?

Was Laien nicht wissen: Die Unfallversicherung prüft im Schadenfall, ob bestehende Krankheiten oder Gebrechen bei der Invalidität mitwirken. Erst im Leistungsfall bekommt der Versicherungsnehmer dann zu spüren, dass diese Klausel auf einmal doch sehr wichtig ist, da Leistungen teilweise oder sogar ganz gekürzt werden können. Daher ist das Thema der Mitwirkung von Krankheiten bei unseren Partnern mittlerweile sehr wichtig!

Das Herzstück einer Unfallversicherung ist bekanntlich die Invaliditätsleistung. Damit diese auch zum Tragen kommt, sollte auf jeden Fall ein großes Augenmerk auf die Begrifflichkeiten des Unfallbegriffs gelegt werden. Erhöhte Kraftanstrengung und Eigenbewegen gehören auf jeden Fall zu einer guten Unfallversicherung dazu. Die Bedeutung von Assistance-Leistungen – als beitragsfreie Einschlüsse oder optionale Bausteine – in Form von Reha-Management, Vermittlungsleistungen bei der Wahl von Ärzten/Krankenhäusern oder Alltagshilfen für zu Hause nehmen immer weiter zu.

Schmerzens-, Gips- und Krebsgelder gewinnen ebenfalls an Bedeutung. Last but not least: Das Thema „Corona“ ist leider immer noch im Trend und wir werden dieses auch nicht so schnell los. Daher ist es besonders wichtig darauf zu achten, dass Impfschäden und überdies Tröpfcheninfektionen mitversichert sind.

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Lorenz

Lorenz Klein

Lorenz Klein gehörte dem Pfefferminzia-Team seit 2016 an, seit 2019 war er stellvertretender Chefredakteur bei Pfefferminzia. Im Oktober 2023 hat Klein das Unternehmen verlassen, um sich neuen Aufgaben in der Versicherungsbranche zu widmen.

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