KVProfi Thorulf Müller © privat
  • Von Redaktion
  • 10.12.2015 um 08:08
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Das Jahr neigt sich dem Ende. Zeit, mal Bilanz zu ziehen. Pfefferminzia hat KVProfi Thorulf Müller zur Zukunft der PKV, Beitragsanpassungen, Tarifwechsel und Tarifhygiene befragt. Müllers Fazit: In vielen Bereichen sieht es düster aus.

Wie sehen Sie denn das Thema Tarifwechsel?

Worüber wollen wir reden? Über unzulässige Rechtsdienstleistung durch bestimmte Versicherungsmakler? Über die Tatsache, dass sich einige unter Missachtung des Rechts die Taschen voll machen und es letztendlich keinen kümmert? Da werden keine neuen Tarife vermittelt und das sind auch keine Nettotarife. Demnach dürfen Versicherungsmakler auch kein Vermittlungsentgelt nehmen.

Aber auch hier sind die Versicherer verantwortlich, die die Verträge eben oft nicht courtagepflichtig für Bestandscourtage übertragen, wenn der Kunde einen neunen Vermittler sucht und findet. Bei den Versicherern erleben wir eine völlig unterschiedliche Qualität der Bearbeitung. Das geht von sehr sehr gut bis zur vollständigen Behinderung auf jeder Ebene zu Lasten der Kunden.

Der PKV-Verband startet aber doch wenigstens 2016 die Tarifwechsel-Leitlinie.

Ihr wollt mich amüsieren oder doch wütend machen? Tarifwechsel-Leitlinie? Das ist eine Witznummer und eigentlich auch eine Frechheit, weil es die Intelligenz der Menschen beleidigt. Was steht denn da genau drin, was auch nur etwas mehr ist, als das Gesetz, dass bereits seit 21 Jahren Gültigkeit hat? Nichts! Oder doch: Die 15-Tage-Regelung, die ist tatsächlich mehr, als das, was wir heute haben. Innerhalb von 15 Arbeitstagen gibt es einen Vorschlag oder einen Zwischenbescheid. Vor 30 Jahren konnte ich als Azubi bei der DKV einen Tarifwechsel in 5 Minuten online rechnen. Wo ist das Problem?

Hinter der Tarifwechsel-Leitlinie steht aber etwas ganz anders. Die wollen den Tarifwechsel in die Hauptverwaltung holen. Gemäß Pragraf 6 VVG entfallen die Beratungs- und Dokumentationspflichten nämlich im Fernabsatz. Dazu gehört auch die Text- und Schriftform. Die wollen ohne Beratung, ohne Dokumentation und vor allem ohne Verzicht auf Beratung und/oder Dokumentation die Kunden wechseln lassen. Das hat auch Auswirkungen auf die Kunden, die eben nicht wissen, was sie da tun.

Und sie wollen „Trichtern“. Unter „Trichtern“ versteht man die Definition von Zieltarifen, die dem Versicherer recht sind. Alles, wo der Versicherer die Kunden nicht haben will, wird demnach auch nicht vorgeschlagen. Noch brutaler gehen aber einige andere Versicherer vor, die die Beitragsersparnis aus dem Tarifwechsel dann sofort mit Beitragsenlastungstarifen auffüllen wollen. Einige zahlen dafür sogar Provision, obwohl diese Tarife gar keine kalkulierten Provisionsanteile enthalten dürfen.

Unterm Strich ist das aber ein Problem, dass die PKV durch die katastrophale Politik mit ständig neuen Tarife selbst erschaffen hat. Es fehlt an Tarifhygiene und es gibt zu viele Mini-Kollektive mit einigen wenigen Versicherten.

Aber die großen Versicherer haben doch viele tausend Versicherte?

Die heute 30-Jährigen zahlen aber doch nicht für die 70-Jährigen. Jeder Geburtsjahrgang ist eine Alterskohorte. Bei Bisex auch noch getrennt nach Männern und Frauen. Dann sind teilweise sogar einzelne Selbstbehaltstufen für sich isoliert noch einmal Tarifwerke mit einer entsprechenden Anzahl von Jahrgängen. Soll heißen, dass A 200 und A 400 der abc-PKV kalkulatorisch und in der Regel nichts miteinander zu tun haben.

Was wäre denn die Lösung?

Eigentlich wäre es einfach. Das Geheimnis für einen Bestand ohne Tarifwechsel, mit Ausnahme von vielleicht einer Reduzierung der Leistungshöhe bei Zahnbehandlung und -ersatz oder den Wahlleistungen stationär beziehungsweise einer Erhöhung oder Veränderung eines Selbstbehaltes, sind modulare Bausteine für die Grundleistung. Also ambulante Grundleistung, allgemeine Pflegeklasse stationär und bei dentalen Leistungen 100/50 oder 60 plus gegebenenfalls Kieferorthopädie. Alles andere wird über Tarife, die auch Module sind, angebaut, so wie es der GKV-Versicherte auch macht.

Die ganzen sinnlosen Experimente wie Einsteigertarife, Primär- oder Hausarztmodelle, Kompakttarife und so weiter müssen abgeschafft und zusammengefasst werden. Unisex muss mit Bisex-Bestand dauerhaft und unverrückbar verbunden sein. Wenn Sie genau zuhören, dann haben wir gerade einen Grundschutz plus Zusatztarife erschaffen. Schon kann die Zusammenlegung von GKV und PKV kommen.

Der neue Tarif BMG der DKV zeigt ja, dass man die GKV aufstocken kann, ohne die GKV zu verlassen. Obwohl ich da lieber modular denke, um die unterschiedlichen Bedürfnisse der unterschiedlichen Menschen besser befriedigen zu können.

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