Stefan Schmitt ist Geschäftsführer der Vermögensverwaltung Inno Invest. © Inno Invest
  • Von Redaktion
  • 06.05.2024 um 11:51
artikel drucken artikel drucken
lesedauer Lesedauer: ca. 02:30 Min

Viele Finfluencer bewegen sich mit ihren Inhalten rechtlich in einer Grauzone, beobachtet Stefan Schmitt, Geschäftsführer der Vermögensverwaltung Inno Invest. Ein Haftungsdach könnte hier Abhilfe schaffen, schlägt der Experte vor.

Über Finanz-Influencer wird derzeit heftig diskutiert: Aus der Politik gibt es Stimmen, die sich für ein Finfluencer-Verbot aussprechen. Auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) warnt ausdrücklich vor Content Creatoren, die gefährliches Finanz-Halbwissen in den sozialen Medien verbreiten. Doch ist das Thema wirklich so schwarz-weiß?

Nein, sagt etwa Finfluencer Ibo Ahmiane, bekannt als Professor Finanzen. Er sorge sich, dass alle Finfluencer über einen Kamm geschoren werden und Verbraucher durch ein Verbot nicht mehr die Möglichkeit hätten, auf verlässliche Empfehlungen zurückzugreifen.

Mehr zum ThemaMehr zum Thema

In meinen Augen ein berechtigter Einwand, denn Finfluencer erschließen dem Finanzmarkt eine ganz neue Generation und vermitteln ihren Followern wichtiges Finanzwissen. Diesen Trend belegt auch eine aktuelle Statistik über Jungaktionäre in Deutschland: 2017 investierten noch 905.000 Menschen unter 30 Jahren in Aktien oder Fonds. Im Jahr 2023 waren es bereits 1,68 Millionen – ein enormer Anstieg.

Finfluencer tragen aus meiner Sicht maßgeblich zu dieser Entwicklung bei, da sie über soziale Medien die Inhalte zielgruppengerecht aufbereiten. An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass wir in der Schule kaum etwas über Finanzen lernen und ein entsprechendes Schulfach nach wie vor fehlt. Finfluencer haben also einen wichtigen Painpoint erkannt und diese Bildungslücke geschlossen.

Was darf ein Finfluencer?

Zugegeben, die Bedenken von Politik und Gesellschaft sind nicht unbegründet, denn die Regulierung der Finfluencer ist an vielen Stellen zu unklar. Werfen wir einen genaueren Blick auf die Problematik.

Finfluencer bewegen sich mit ihren Aktivitäten zwischen Influencer-Werberecht und Finanzmarktregulierung. Zumindest dann, wenn ihr Content über die reine Wissensvermittlung zu Finanzthemen hinausgeht und in Werbung für Angebote und Produkte übergeht. Dann gilt eine entsprechende Kennzeichnungspflicht.

Eine andere Situation ergibt sich, wenn der Influencer den Kauf eines bestimmten Finanzinstruments empfiehlt. Je nach Setup (zum Beispiel ein begrenzter Mitgliederkreis oder Links zum Erwerb) können die Grenzen zwischen einer regulierten Wertpapierdienstleistung in Form von Anlagevermittlung oder Anlageberatung verschwimmen. Dadurch werden Aspekte wie Compliance, Rechtsweg und Haftung relevant.

Finfluencer versuchen derzeit oft, dieses Problem zu umgehen, indem sie in ihren Beiträgen darauf hinweisen, dass es sich nicht um Anlageberatung handelt. So simpel ist die Sache aber nicht. Das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) bestimmt, dass eine Anlageberatung auch dann vorliegt, wenn sie als solche interpretiert werden kann. Anders ausgedrückt: Selbst wenn Beiträge lediglich dazu anregen, bestimmte Anlagestrategien zu verfolgen, greift das Gesetz.

Sehr dunkle Grauzone

Wer die Vorschriften nicht kennt, tappt schnell in die rechtliche Falle. Doch noch schwieriger ist es für den Verbraucher, denn es gibt derzeit zu viele unzuverlässige Quellen im Netz. Das Swiss Finance Institute hat festgestellt, dass von den weltweit untersuchten 29.000 Finfluencern ganze 56 Prozent als „anti skilled“ eingestuft werden – sie haben also keinerlei Fachkenntnisse im Finanzbereich.

Das deckt sich mit meiner Erfahrung: Ich folge ungefähr 30 der 50 bis 60 relevanten deutschen Finfluencer. Die meisten von ihnen bewegen sich rechtlich in einer sehr dunklen Grauzone.

Die Lücke schließen

Wie also können Verbraucher seriöse Influencer erkennen? Und: Darf ein Influencer Finanzprodukte ohne Fachwissen bewerben? Ein Verbot würde diese Fragen natürlich obsolet machen. Der Gesetzgeber kann aber auch bestehende Regeln konsequent durchsetzen und damit den Mehrwert von Finfluencern anerkennen.

Schwierig wird es vor allem dann, wenn konkrete Produkte in den Inhalten auftauchen. Denn dann greift das WpHG und Finfluencer benötigen eine Lizenz nach dem Wertpapierhandelsgesetz. Diese Anforderungen können Finfluencer erfüllen, indem sie sich beispielsweise einem Haftungsdach anschließen.

Es bietet bietet Regulierung, Compliance und administrative Unterstützung, während der Finfluencer rechtlich unabhängig bleibt. Wenn wir also die Grauzone durch die bestehende Finanzmarktregulierung schließen, ist das eine Win-Win-Situation für alle Seiten. Die Finfluencer selbst profitieren, da sie unter einem Haftungsdach sicher sein können, nicht für ihre Inhalte haftbar gemacht zu werden.

Die Verbraucher können sich darauf verlassen, dass die Inhalte der Finfluencer seriös sind. Und die Bafin ist zufrieden, weil die Compliance die Beiträge kontinuierlich überwacht.

Über den Autor

Stefan Schmitt ist Geschäftsführer der Vermögensverwaltung Inno Invest.

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

Hinterlasse eine Antwort