Bernhard Gramlich ist Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht bei der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte. © Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte
  • Von Redaktion
  • 11.08.2020 um 16:22
artikel drucken artikel drucken
lesedauer Lesedauer: ca. 03:05 Min

Will ein Berufsunfähigkeitsversicherer im Rahmen der Nachprüfung die Leistungen an seinen Kunden einstellen, muss er dabei bestimmte formale Voraussetzungen beachten. Das zeigt ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Köln, über das Rechtsanwalt Bernhard Gramlich von der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte berichtet.

Diese Regelung sei nämlich für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer überraschend, da ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer nicht davon ausgehen müsse, dass ein Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag typischerweise eine Regelung enthält, wonach der Versicherer ihn im Nachprüfungsverfahren auf eine konkrete Vergleichstätigkeit verweisen darf. Im konkreten Fall gelte dies umso mehr, da die Versicherungsbedingungen – aus Sicht des Gerichts in untypischer Weise – die Verweisungsmöglichkeit nur im Nachprüfungsverfahren und nicht bereits auch im Erstprüfungsverfahren vorsahen.

Versicherungsnehmer werden durch diese Vertragsklausel daher entgegen dem Gebot von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, so die Überzeugung des Gerichts.

Fazit und Praxishinweis

Eine Leistungseinstellung des Versicherers nach Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens unterliegt bekanntermaßen formalen und materiellen Voraussetzungen (vergleiche OLG Saarbrücken vom 7. April 2017 – Aktenzeichen 5 U 32/14). Wie man an dieser vorliegenden Entscheidung sieht, ist jedes Nachprüfungsverfahren ein Einzelfall.

Werden nach einem Anerkenntnis neue Tätigkeiten aufgenommen, so kann der Versicherer im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens eine konkrete Verweisung aussprechen. Allerdings natürlich nur, wenn durch die neue Tätigkeit die bisherige Lebensstellung gewahrt wird (vergleiche OLG Jena vom 21. Dezember 2017 – Aktenzeichen 4 U 699/13) und der Versicherungsvertrag insbesondere erst einmal eine entsprechende Regelung vorsieht und diese dann auch wirksam ist.

Für die Praxis ist folglich festzustellen, dass es sinnvoll ist, jede Leistungseinstellung eines Berufsunfähigkeitsversicherers anwaltlich überprüfen zu lassen. Dieses gerade auch in Hinsicht eines durch den Versicherer durchgeführten Nachprüfungsverfahrens. Wie eine solche Überprüfung der Entscheidung im Nachprüfungsverfahren aussehen kann, kann hier eingesehen werden. Das Nachprüfungsverfahren ist dabei nur ein Teil des gesamten BU-Verfahrens. Den genauen Ablauf eines BU-Verfahrens können Sie hier einsehen.

Über den Autoren

Bernhard Gramlich ist Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht bei der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte.

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

kommentare

Hinterlasse eine Antwort