Reiner Schwinger ist Nordeuropa-Chef des Beratungsunternehmens Willis Towers Watson. © Willis Tower Watson
  • Von Redaktion
  • 27.04.2017 um 08:30
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Wie eine starke Alterssicherung funktioniert, ob die reine Beitragszusage ein Renner oder Ladenhüter wird und welche Bedeutung der Versorgungslohn hat – Reiner Schwinger, Nordeuropa-Chef des Beratungsunternehmens Willis Towers Watson teilt seine Meinung zu diesen und weiteren Themen in einem Interview. Zentraler Punkt dabei: die Reform der betrieblichen Altersvorsorge (bAV).

Wird die reine Beitragszusage ein Renner oder ein Ladenhüter?

Das kommt ganz darauf an, wie die Tarifpartner sie gestalten und umsetzen. Unternehmen werden nur Lösungen wählen, die ökonomisch sinnvoll sind (das heißt: bei denen der angedachte Risikopuffer am Ende nicht teurer ist als die herkömmlichen Garantien) und die betrieblichen Interessen angemessen berücksichtigen.

Die reine Beitragszusage kann meines Erachtens nur dann ein Erfolg werden, wenn sie gerade nicht zu „pay and forget“ führt, bei denen sich die Betriebspartner gemeinsam aus der Verantwortung stehlen, sondern wenn Unternehmen ihre treuhänderische Verantwortung für die Pensionsgelder ihrer Mitarbeiter sorgsam erfüllen.

Genauso sieht eine gute Governance in der Praxis in den angelsächsischen Ländern aus, wo reine Beitragszusagen schon lange Tradition haben. Ansonsten entstehen auch neue Haftungsrisiken.

Werden Arbeitnehmer sich für eine bAV ohne Garantien erwärmen können?

Arbeitnehmer in Deutschland kommen aus einer Welt der bAV-Garantien. Daher muss man gut erklären, welche Vorteile eine reine Beitragszusage ohne Garantien für sie bietet. Dieser Prozess wurde in den angelsächsischen Ländern bereits gemeistert; er wird auch für Deutschland zu meistern sein. Allerdings sollte der Kommunikationsbedarf hierfür nicht unterschätzt werden. Betriebliche Altersvorsorge ohne Garantien wird nur dann ein Renner werden, wenn Unternehmen auch ihre Mitarbeiter mit auf den Weg nehmen.

Eine auskömmliche Rente für alle – wie kann das funktionieren?

Wie schon gesagt, gut funktionierende Alterssicherungssysteme beruhen auf einer stabilen gesetzlichen Rente und einer gut ausgebauten bAV.

Darüber hinaus sehe ich zwei weitere wesentliche Erfolgsfaktoren:

  1. Gute Erwerbsbiografien stärken die Alterssicherung: Sowohl gesetzliche Rente als auch bAV fußen auf dem Verdienst der Mitarbeiter in ihrem Berufsleben. Werden also die Voraussetzungen für erfolgreiche Erwerbsbiografien verbessert, wird damit gleichzeitig die Alterssicherung gestärkt.
  2. Versorgungslohn immer mitdenken: Versorgungslohn, also bAV, ist ebenso wichtig wie Barlohn – dieser Gedanke muss in den Köpfen von Mitarbeitern, Unternehmensleitung und Tarifparteien verankert werden. So ließe sich etwa vereinbaren, dass ein Teil jeder Gehaltserhöhung direkt für die bAV eingesetzt wird – so lange, bis die Versorgungsbeiträge einen bestimmten Zielwert erreicht haben. Würde dieses Prinzip konsequent umgesetzt, würde der Ausbau der bAV sehr schnell vorangehen.

Mit Blick auf Ihre Kunden – welche bAV-Reform würden Sie sich wünschen?

Die bAV-Reform sollte auch die Stolpersteine für die schon bestehende bAV beseitigen. Die Unternehmen, die heute schon eine bAV anbieten, erwarten hier zuerst:

  1. die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge auf die bAV in der Rentenbezugsphase
  2. die Senkung des steuerlichen Rechnungszinses für Direktzusagen
  3. gute Voraussetzungen für eine schlanke Umsetzung und Verwaltung der bAV

Das hat eine Umfrage von Willis Towers Watson gezeigt.

In der jetzt geplanten Version bietet das Betriebsrentenstärkungsgesetz sicherlich viele positive Impulse für bAV-Neulinge – aber eben kaum Abhilfe für die bestehenden Hürden. Hier sehe auch ich Nachbesserungsbedarf.

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