Von links: Christian Nuschele, Vertriebschef von Standard Life Deutschland, und Sir Gerry Grimstone, Aufsichtsratsvorsitzender von Standard Life Aberdeen. © Standard Life
  • Von Oliver Lepold
  • 30.04.2018 um 08:55
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Britische Produktgeber mit Absatzmärkten in Kontinentaleuropa sind vom Brexit besonders betroffen. Planungsunsicherheit kann sich kein Unternehmen leisten. Welche Strategie fährt Standard Life Aberdeen? Wir fragten Sir Gerry Grimstone, Aufsichtsratsvorsitzender von Standard Life Aberdeen, und Christian Nuschele, Vertriebschef von Standard Life Deutschland.

Pfefferminzia: Was passiert mit Standard Life Aberdeen, wenn der Brexit vollzogen wird? Werden Sie Großbritannien verlassen?

Gerry Grimstone: Nein, aber wir haben uns globaler aufgestellt. Denn die beste Verteidigung für ein britisches Unternehmen gegen den Brexit ist die Globalisierung. Wer globaler wird, verfügt über mehr Auswahl. Wir mussten annehmen, dass wir unsere Kunden in Europa nach dem Brexit nicht wie bisher bedienen können, also haben wir einen anderen Standort für unsere kontinentaleuropäischen Kunden gefunden. Irland lag nahe, weil wir dort bereits jetzt aktiv sind.

Warum wird das Versicherungsgeschäft nach Irland transferiert, wenn Sie es doch kürzlich komplett an die Phoenix-Gruppe verkauft haben?

Grimstone: Das ist unabhängig vom Brexit zu sehen. Die britischen Retail-Plattformen und das Finanzberatungsgeschäft verbleiben weiterhin bei Standard Life Aberdeen. Der Verkauf bedeutet, dass sich unser Investmenthaus künftig auf sein Kerngeschäft konzentrieren kann und das kapitalintensive und aufwändige Versicherungsgeschäft in Zukunft gemeinsam mit dem Spezialisten Phoenix betrieben wird, was zu Synergieeffekten führt. Unser Arrangement sieht vor, dass das Versicherungsgeschäft unter der Marke Standard Life weiterverfolgt wird und die Kunden keinen Unterschied in Leistung und im Serviceerlebnis erfahren. Damit ist das eine wirtschaftlich verständliche und nachvollziehbare Entscheidung.

Wie gehen Sie mit der Planungsunsicherheit um, noch fehlen ja wesentliche Details des Brexits?

Christian Nuschele: Für unser Versicherungsgeschäft ist es fast schon unerheblich, ob es zu einem harten Brexit oder zu einem weichen mit vielen Übergangsphasen kommt. Wir haben uns bereits vor Monaten konsequent neu ausgerichtet. Wir werden das neue Geschäft in Zukunft von Dublin aus betreiben und die Bestände unter irischer Aufsicht führen. Das ist ein Vorteil, denn durch die Übergangsphase gehen wir mit einer klaren Strategie. Wir können unsere Pläne weiter verfolgen und uns voll auf das konzentrieren, was wir können: Neugeschäft erschließen und unser Unternehmen weiterentwickeln.

Wird es als britischer Versicherer schwerer werden, Produkte künftig in der EU an Berater und Kunden bringen?

Grimstone: Das ist eine gute Frage. Es war bisher vergleichsweise einfach, in den europäischen Markt zu verkaufen. Falls das nun schwieriger werden sollte, werden womöglich andere Märkte außerhalb der EU wieder attraktiver. Immer wenn es Unsicherheit gibt, warten die Menschen erst einmal ab, was passiert. Wir müssen jetzt sehen, wie die praktischen Konsequenzen aus dem Brexit aussehen werden. Ich bin sehr zuversichtlich, dass es keine negativen Folgen für unsere Kunden in Europa geben wird, aber ich verstehe, dass es Leute gibt, die dafür eine Garantie haben möchten.

Herr Nuschele, lassen sich konkrete Auswirkungen auf den Vertrieb in Deutschland abschätzen?

Nuschele: Ich glaube, dass sich für den Vertrieb von Finanzprodukten kaum Änderungen ergeben werden. Wir werden von Dublin aus dieselben Produkte, Ideen und Philosophien vertreten. Wir werden alles tun, um unsere Kunden und unsere Vertriebspartner genauso zu stellen, wie es vorher auch war. Im Großen und Ganzen sollte es ein relativ nahtloser Übergang werden.

Was kann der deutsche Markt vom irischen lernen?

Nuschele: Mich fasziniert an Irland, dass ich dort sehr pragmatische Berater vorgefunden habe, die sich aktiv überlegen, welche Strategie für ihr Geschäft die richtige ist. Wenn man in Deutschland Berater nach der größten Bedrohung für ihr Geschäft fragt, hört man häufig: die Regulierung, die Unsicherheit, die wirtschaftliche Situation. In Irland hingegen stellt man sich die Fragen: Wie kann ich all meine Kunden bestmöglich betreuen? Wie kann ich mein Service-Konzept so gestalten, dass es wirklich für alle funktioniert und ich es auch bezahlen kann? Das ist ein ganz anderer Fokus, von dem wir lernen können. Regulatorik können Sie schließlich nicht beeinflussen, aber die anderen Faktoren schon.

Hier sehen Sie ein kurzes Videointerview mit Sir Gerry Grimstone, Aufsichtsratsvorsitzender von Standard Life Aberdeen:

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Oliver Lepold

Oliver Lepold ist Dipl.-Wirtschaftsingenieur und freier Journalist für Themen rund um Finanzberatung und Vermögensverwaltung. Er schreibt regelmäßig für Pfefferminzia und andere Versicherungs- und Kapitalanlage-Medien.

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