KVProfi Thorulf Müller. © privat
  • Von Redaktion
  • 04.10.2016 um 12:06
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Es ist schon verwunderlich, was sich gerade in den Medien zum Thema Beitragsanpassungen abspielt, findet KVProfi Thorulf Müller. Was soll denn eine untypische Beitragsanpassung sein? Und was eine unauffällige? In seinem Kommentar geht Müller auf die aktuellen – und ab März weiter hinzukommenden – Beitragsanpassungen ein, und stellt sieben Forderungen auf, wie man mit dem Thema in Zukunft umgehen sollte.

Höchstrechnungszins Lebensversicherung

Wir beachten, dass die Bundesregierung die Lebensversicherer zum 1. Januar 2017 zum Rechnungszins 0,9 Prozent verpflichtet. Dieser Veränderung des Rechnungszinses in der Lebensversicherung liegt eine Systematik zu Grunde, die auf den Umlaufrenditen von Staatsanleihen beruht.

Das Verfahren war früher im Paragrafen 65 VAG aF geregelt und seit dem 1. Januar 2016 in Paragraf 88 VAG nF. Der Höchstrechnungszins wurde zunächst auf Basis der von der Europäischen Zentralbank (EZB) veröffentlichten Umlaufrendite europäischer AAA-gerateter Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit berechnet. Von den Durchschnittsrenditen der vergangenen zehn Jahre aus wurden – unter Annahme verschiedener Zinsentwicklungen – die Durchschnittsrenditen für die Zukunft hochgerechnet.

Der Höchstrechnungszins durfte bis 2015 maximal 60 Prozent der durchschnittlichen Rendite dieser zehnjährigen Staatsanleihen betragen. Der Höchstrechnungszins stellte laut Gesetz eine Obergrenze dar, die nicht überschritten werden durfte. Seit 2016 gilt eine vergleichbare Verordnungsermächtigung, die aber wegen des Entfalls der bisherigen europarechtlichen Grundlage kein Berechnungsverfahren bestimmt. Die Begründung des  Gesetzgebers ist die gesunkene Bedeutung der Deckungsrückstellung nach Einführung von Solvency II.

Limitierung

Es stellt sich die berechtigte Frage, wie die PKV die Renditen erzielen soll, die die Lebensversicherung nicht erreicht. Der Markt gibt, gemäß der oben genannten Berechnung nur 0,9 Prozent her und das sind 60 Prozent der mathematischen Umlaufrenditen in dem Rechenmodell, also 1,5 Prozent.

Das Ganze wird aber noch komplexer, wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass in den 90er und den frühen 2000er Jahren erhebliche Überzinsen erwirtschaftet wurden, die den Bedarf an Beitragsanpassung abgemildert haben.

Zusätzlich gab es RfB-Mittel (Rückstellung für Beitragsrückerstattung) die zur Limitierung eingesetzt werden konnten. Diese Überzinsen, die ja teilweise auch noch einmal 3,5 Prozent ausgemacht hatten, sind nicht mehr vorhanden. Das hat kurz bis mittelfristig erhebliche Auswirkungen auf die tatsächlichen Beitragsanpassungen.

Bei vielen Versicherern konnte man das in den vergangenen Jahren daran erkennen, dass die Limitierungen oft nur für ein oder zwei Jahre ausgewiesen wurden. Früher wurden sie lebenslang ausfinanziert.

Wirkung von Beitragsanpassungen

Beiträge werden nicht in Prozent angepasst und weder die Versicherer noch der Markt der Vermittler spricht Beitragsanpassungen in Euro aus. Kosten für Behandlung steigen in Euro und nicht in Prozent. Der Bedarf an Behandlungskosten eines heute 30-jährigen Neukunden wird auf die Vertragslaufzeit in Euro berechnet. Die möglichen Vererbung von Sparanteilen anderer Kunden, die Ihre Verträge stornieren, werden auch in Euro ermittelt.

Die Beitragsanpassung bekommt man immer zu dem Eurobetrag, um den der Neugeschäftsbeitrag des versicherten Produkts für das heute erreichte Alter angepasst wird. Nicht zu dem Erhöhungsbetrag, des ursprünglichen Alters. Bei Nachversicherungen ist das ja auch so.

Daraus ergeben sich höhere gefühlte Beitragsanpassungen bei Bestandskunden. Gefühlt wird eine BAP nämlich in Prozent. Dabei wird der Anpassungsbetrag in prozentuale Relation zum bisherigen Beitrag gestellt. Das bedeutet, dass die gefühlte Beitragsanpassung bei den Kunden höher gefühlt wird, als sie – in Prozent – in den Medien dargestellt wird.

Wird jetzt also von 10, 11 oder 12 Prozent gesprochen, werde die Kunden alleine nur deswegen erzürnt sein, weil sie dann 20, 25 oder 30 Prozent fühlen.

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