Michael Hauer, Geschäftsführer Institut für Vorsorge und Finanzplanung, Peter Paschke, Sales Director Star Fund, und Jens Göhner, Leiter Produkt- und Vertriebsmarketing Vorsorge und Investment bei der Stuttgarter (v.l.). © Freepik.com/IVFP/Felix Will Fotografie/Die Stuttgarter
  • Von Redaktion
  • 25.08.2021 um 16:12
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Im kommenden Jahr sinkt der Höchstrechnungszins in der Lebensversicherung von 0,9 auf 0,25 Prozent. Welche Folgen wird das für die Altersvorsorge haben? Welches Produkt wird als Gewinner daraus hervorgehen? Das besprachen wir mit Altersvorsorge-Experten.

Nun ist es ja trotzdem so, dass sich viele Menschen ein gewisses Maß an Sicherheit wünschen. Wie kann man den Spagat zwischen Sicherheit und Rendite heutzutage meistern? 

Göhner: Ich glaube, viele Kunden sagen Garantie – und meinen Sicherheit. Die Aufgabe des Vermittlers ist, die Unterschiede zu erläutern und die genauen Bedürfnisse des Kunden herauszufinden. Auch Fondspolicen bieten Sicherheiten: Schwankungen gleichen sich über die lange Laufzeit aus. Dazu trägt bei ratierlichen Einzahlungen auch der Cost-Average-Effekt bei. Das Fondsportfolio und das Verhältnis von Sicherheit und Renditechancen können Kunden bei jedem modernen Produkt zudem selbst festlegen und so ihren Spagat zwischen Sicherheit und Rendite finden. Diese Flexibilität hat der Kunde schon bei Vertragsbeginn, aber auch noch während der Laufzeit.   

Hauer: An diesem ausgeprägten Sicherheitsbedürfnis vieler Kunden sind die Versicherer übrigens ein Stück weit selbst schuld. Sie haben das oft so dargestellt, als ob Kunden die Garantie geschenkt bekämen. Und welcher Kunde würde dazu Nein sagen? Was die Menschen eigentlich wollen, ist – wie Herr Göhner schon sagte – Sicherheit. Und Sicherheit ist etwas ganz anderes als Garantien. Sicherheit ist, wenn ich mein Geld so anlege, dass ich den Kaufkraftverlust über 30 Jahre ausgleichen und on top noch Vermögen aufbauen kann. Damit ich im Alter keine Lebensstandardlücke mehr habe. Und das funktioniert nur mit Produkten ohne Garantien. Aber es ist leider nicht ganz einfach, nach 10 oder 20 Jahren des „Ihr braucht Garantien“-Predigens, diese gedankliche Einstellung zu ändern.  

Göhner: Auch von politischer Seite bekommen die Kunden das ja eingebläut: Solange bei der Riester-Rente und in der Beitragszusage mit Mindestleistung die 100-Prozent-Garantie vorgeschrieben ist, vermittelt die Politik dadurch der Bevölkerung, dass diese 100-Prozent-Garantie etwas ganz Wichtiges sein muss.  

Das Niedrigzinsniveau hat in der Vergangenheit schon Spuren hinterlassen. Die Überschussbeteiligungen sind gesunken, die Ablaufleistungen ebenso. Der eine oder andere Kunde wird auf seine Policen schauen und sich denken: „Da habe ich mir irgendwie mehr von versprochen. Was mache ich jetzt mit meiner Police?“ Herr Paschke, Star Fund bietet die Rückabwicklung von Lebensversicherungen an – wie hat sich die Nachfrage hier entwickelt?  

Paschke: Die Zahlen nehmen deutlich zu. Wir arbeiten mit Aktuaren zusammen, um Lebensversicherungen finanzmathematisch zu beurteilen. Immer wieder sehen wir in der klassischen Lebensversicherung, aber auch bei Fondspolicen, einen sehr hohen Kostenanteil. Zusammen mit den sinkenden Überschussbeteiligungen sind viele Kunden dann einfach sehr unzufrieden mit der Performance ihrer Police. Wir haben selbst über 40.000 Policen von 120 Lebensversicherungsgesellschaften aus den Jahren 1995 bis 2007 geprüft – und da teilweise Dinge gesehen, die für den Kunden alles andere als positiv waren. Verwaltungskosten von 8 oder 9 Prozent zum Beispiel oder Abschlusskosten, die bei rund 13 Prozent liegen.

Wir möchten kein Bashing von klassischen Lebensversicherungen oder Fondspolicen betreiben, und wir stellen auch nicht jeden Lebensversicherer an den Pranger. Aber bei einer Vielzahl von Verträgen haben die Anbieter einen schlechten Job gemacht, und es wäre für den Kunden deutlich mehr Geld drin gewesen. Jetzt in der Corona-Zeit haben wir – bedingt durch Kurzarbeit & Co. – viele Anfragen von Kunden und Vermittlern erhalten, die wollten, dass wir mal nachrechnen, ob der Vertrag aus finanzmathematischer Sicht gut gelaufen ist. Das ist unser Business-Case, dass wir aus solchen Policen einen Mehrwert für den Kunden garantieren, herausholen und vorfinanzieren. 

Sie sind aber kein klassischer Policenkäufer?  

Paschke: Genau. Wir kaufen den Kunden die Rückabwicklungsansprüche ab. Aufgrund der eindeutigen Bundesgerichtshof- und EuGH-Rechtsprechung können wir so einen Mehrwert garantieren. Wir führen die Policen nicht weiter oder stellen sie beitragsfrei. Den Rückkaufswert bekommt immer zu 100 Prozent der Kunde. Uns geht es nur um den Mehrwert, den wir bei gewissen Versicherern noch herausholen können. Unser Spezialgebiet sind neben laufenden auch beendete und gekündigte Policen.  

Welche Vorteile haben Kunden und Vermittler?  

Paschke: Die Kunden profitieren erst mal durch die kostenlose Beurteilung eines solchen Vertrags. Wenn wir feststellen, dass ein Mehrwert existiert, bekommt der Kunde von uns eine Sofort-Auszahlung. Setzen wir uns erfolgreich gegen den Versicherer durch, gibt es noch eine Erfolgsbeteiligung oben drauf. Für den Vermittler ist dieses Modell deshalb sehr spannend, weil wir den Kunden unabhängig vom Ausgang des Verfahrens bezahlen. Der Berater kann seinem Kunden also einen Mehrwert andienen, ohne dass dieser irgendein Risiko hat.  

Hauer: Ich finde, solche Angebote sind wichtig in einem funktionierenden Markt. Dass Dinge korrigiert werden, wenn etwas schlecht gelaufen ist. In den neunziger Jahren war es zum Beispiel üblich, mit 10 oder 12 Prozent hochzurechnen, weil die Aktienbörsen ordentlich liefen. Dass das ein Fehler war, wissen wir jetzt alle. Heute sollte bei den Beispielen im Angebot nur noch mit 5 oder 6 Prozent pro Jahr hochgerechnet werden.

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