Die Teilnehmer des Roundtables - Obere Reihe (v.l.): Claus Mischer, Standard Life; Martin Gräfer, die Bayerische; Guntram Overbeck, Helvetia. Untere Reihe (v.l.): Adrian Santoro, Swiss Life; Karen Schmidt, Pfefferminzia, Markus Drews, Canada Life. © Ruediger Glahs
  • Von Redaktion
  • 19.12.2015 um 14:12
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Ohne Fondspolicen werden viele Verbraucher ihre Rentenlücke im Alter nicht schließen können. Hat das der Berater aber auch schon verstanden? Und haben Garantien ausgedient? Diese Fragen beantworten die Teilnehmer unseres Roundtables zur Zukunft der Altersvorsorge.

Overbeck: Ich glaube auch, dass wir uns vom Begriff Garantie im jetzigen Marktumfeld verabschieden müssen. Eine Garantie funktioniert nur mit einem risikolosen Zins. Wenn wir einen Zins von 9 Prozent pro Jahr bei Bundesanleihen bekämen, könnten wir Garantien anbieten. Jetzt liegt er aber bei 0 Prozent – dann klappt das nicht mehr. Seit einigen Jahren ist die Sparquote in Deutschland vergleichsweise niedrig. Das liegt daran, dass die Kapitalanlage zurzeit nicht lukrativ ist und die Leute sich lieber ein neues iPhone kaufen. Ich muss also die Deutschen und die Berater in Richtung sichere, aber auch rentierliche Anlagen steuern. Ein Durchschnittsverdiener braucht 5 Prozent nach Kosten und Steuern, um seine Rentenlücke zu schließen. Und das geht mit Garantien nicht, auch nicht mit den neuen Garantievarianten.

Sie sehen aus, als wollten Sie widersprechen, Herr Gräfer?

Gräfer: Ja, klarer Widerspruch zu dem, was Sie gesagt haben, Herr Mischler. Die Zufriedenheit in der Kundschaft von Lebens- und Rentenversicherungen ist ausgesprochen groß. Schauen Sie sich die Beschwerdequoten in der Branche von Allianz bis Zurich an – die sind unglaublich gering. Kunden halten außerdem an ihren Verträgen fest, selbst wenn die Performance nicht mehr in den Regionen liegt, die man früher mit Hochrechnungen von 7 Prozent mal versprochen hat. Das liegt nicht an einer möglichen Dummheit der Leute oder an einer Inkompetenz der Berater. Die Leute wissen, Zinssituationen können sich ändern, und das hat dann auch Auswirkungen auf die Ablaufleistung ihrer Verträge. Wir dürfen nicht dogmatisieren. Jetzt pauschal zu sagen, Garantien bringen gar nichts mehr – das sehe ich nicht so. Ich glaube etwa an den garantierten Rentenfaktor. Nur weil sich ein Produkt für den Versicherer nicht mehr lohnt, heißt das nicht, dass es ein schlechtes Produkt ist. Nehmen Sie die Riester-Rente. Macht die Versicherern heute noch Spaß? Nein. Ist sie deswegen für  Kunden ein schlechtes Produkt? Keinesfalls.

Mischler: Nur weil ein Kunde sich nicht beschwert, heißt das nicht, dass er zufrieden ist. Wir müssen am Erwartungsmanagement arbeiten. Fragen Sie mal, welcher Aktuar davon ausgeht, dass die heutige Überschussbeteiligung nicht in den kommenden fünf Jahren sinken wird. Kaum einer. Und trotzdem rechnet die ganze Branche mit den heutigen Überschussbeteiligungen hoch. Damit schaffen wir eine Unzufriedenheit. Eigentlich weiß es die Branche heute besser und verkauft dem Kunden etwas, woran sie nicht glaubt. Das kann nicht funktionieren. Das Problem ist also größtenteils hausgemacht.

Santoro: Da bin ich ganz bei Ihnen. Wenn ich heute noch lese, wie ein Drei-Topf-Hybrid komplett mit 6 Prozent hochgerechnet wird, läuft etwas falsch. Oder wenn man andere Produkte beim Kunden bewirbt mit dem Satz „Du bist voll investiert“, aber eigentlich liegt das Kapital zu 100 Prozent im Deckungsstock, ist das einfach nicht korrekt. Die Branche muss ehrlicher werden und dem Vermittler und Kunden darstellen, wie die Produkte in Wahrheit funktionieren. Langfristig wären wir so alle erfolgreicher.

Overbeck: Gerade die Hochrechnungen sind das Problem. Sie haben recht, Herr Gräfer, man darf Garantien nicht verteufeln, da bin ich vielleicht ein bisschen zu weit gegangen. Man muss aber  realistisch hochrechnen. Ab 2017 bekommen wir von der Produktinformationsstelle Altersvorsorge für Riester- und Rürup-Renten Renditeangaben für verschiedene Risikoklassen vorgegeben. Eine Beitragsgarantie dürfen Sie dann nur noch mit 4 Prozent hochrechnen – selbst das finde ich aber mutig in der jetzigen Zinsphase. Zu den Beschwerden: Die Welle kommt ja jetzt erst. Die ganzen klassischen Verträge, die mit 6 Prozent hochgerechnet wurden, werden das nicht erwirtschaften. Wenn ich aber nur noch die Hälfte von dem bekomme, was mir versprochen wurde, wird die Unzufriedenheit ganz sicher steigen.

Gräfer: Das gilt übrigens auch für die gemanagten Fonds, die oft mit sehr hohen Kosten belastet sind. Ich kenne Varianten mit Kosten von über 5 Prozent. Wie viel Rendite sollen die denn abwerfen, damit sie sich bezahlt machen?

Drews: Schwarze Schafe gibt es immer. Aber in der Regel sind die gemanagten Lösungen heute viel  günstiger als früher. Sie werden professionell gemanagt und sind meiner Ansicht nach besser zum unkomplizierten Aufbau der Altersvorsorge geeignet als Einzelfonds. Auch aus Versicherersicht. Es macht nämlich keinen Spaß, Kunden nach Jahren anzuschreiben und ihnen mitzuteilen, dass ein Fonds aus dem Sortiment genommen wird, weil er sich nicht wie erwartet entwickelt hat.

Fondspolicen sind in der Regel in der Rentenphase nicht mehr fondsgebunden. Ist es hier nicht Zeit, umzudenken?

Drews: Definitiv. Bislang sind nur wenige gegen den Strom geschwommen, da hat die Branche immensen Nachholbedarf. Allein durch die demografische Entwicklung in Deutschland gibt es hier ein Riesenpotenzial. Menschen, die heute 65 Jahre alt sind, haben noch oft 20 und mehr Jahre Rentenbezugsphase vor sich. Da ist eine Fondsanlage nicht uninteressant – ich würde beinahe behaupten elementar, um attraktive Renten zu finanzieren. Hier bietet sich künftig großes Potenzial für smarte Produktentwicklungen.

Santoro: Es ist absolut nachvollziehbar, dass man bei einer investmentbasierten Ansparphase auch die restlichen 25 oder 35 Jahre noch in Fonds investiert sein möchte. Gerade in einem solchen Niedrigzinsumfeld, wie wir es jetzt haben, ist es aber sehr schwierig, diese Produkte zu bauen. Wir wollen keine Alibi-Produkte schaffen, sondern als Swiss Life nur entsprechende Lösungen anbieten, wenn sie auch einen Kundennutzen haben. Daran arbeiten wir momentan.

Gräfer: Hier gilt es noch stärker als in der Ansparphase zu bestimmen, welche Risikotragfähigkeit ich als Kunde habe. Kann ich mir das überhaupt leisten? Da ist der Beratungsbedarf also sehr hoch.

Mischler: Wir werden in der Branche 2016 viele Vertragsabläufe sehen. Wenn wir als Versicherer unser verwaltetes Vermögen einigermaßen konstant halten wollen, müssen wir uns um diese Kunden kümmern. Das wird man nie mit Neugeschäft kompensieren können. Aktuell ist sehr viel Geld auf Tagesgeldkonten geparkt, wo es absolut falsch liegt. Wir haben hier ein Wahnsinnspotenzial, wenn wir Produkte anbieten, die Rendite und Sicherheit bringen und vor allem flexibel sind. Das ist ein entscheidender Punkt – der Kunde muss das Gefühl haben, dass er die Kontrolle über sein Geld hat. Hier werden wir in Zukunft viele neue Produkte sehen.

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