Redakteur Andreas Harms: „Das Beste aus allen Lagern“ © Pfefferminzia
  • Von Andreas Harms
  • 07.03.2023 um 16:50
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lesedauer Lesedauer: ca. 02:35 Min

Das Institut für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP) legt ein Konzept zur Altersvorsorge in Deutschland vor, das diesen Namen einfach mal verdient. Darin werden so viele alte Zöpfe abgeschnitten, dass Rapunzel blass wird. Aber am Ende ergibt alles Sinn.

In dem Comic „Streit um Asterix“ gibt es eine bemerkenswerte Szene. Der Dorfhäuptling Majestix hat Geburtstag, und alle schenken ihm dasselbe wie in den Jahren davor: Obelix einen Hinkelstein (mit Schleifchen), Verleihnix einen Fisch, Automatix ein Schwert und Asterix einen Schild. Und alle tun so, als hätten sie sich sonst wie viele Gedanken darüber gemacht und in diesem Jahr etwas ganz besonderes vorbereitet.

An diese Situation fühle ich mich erinnert, wenn die „Fokusgruppe private Altersvorsorge“ ihre Arbeit aufnimmt und um Vorschläge bittet. Die Interessenverbände kommen mit Ideen um die Ecke, die hauptsächlich ihre eigenen Interessen bedienen. Beim Versicherungsverband GDV ist es die Bürgerrente, beim Investmentverband BVI ein Fondsspardepot und beim Verbraucherzentrale Bundesverband ein öffentlich verantworteter Vorsorgefonds. Und so weiter.

So sinnvoll die einzelnen Ideen sein mögen (und das sind sie in der Tat) – ein wirkliches Konzept ist das alles nicht. Umso spannender liest sich das, was jüngst das Institut für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP) auf den Diskussionstisch warf (Details dazu lesen Sie hier). Das ist nämlich wirklich mal ein Konzept, dessen Vorteile ich hier darzulegen versuche:

Es nimmt das Beste aus allen Lagern

Die beiden Verfasser und IVFP-Chefs Thomas Dommermuth und Michael Hauer greifen sich munter die Ideen der einzelnen Lager, pflücken daraus die besten Elemente heraus und mischen sie mit bereits vorhandenen Regelungen. So tauchen tatsächlich Teile der Bürgerrente dort auf (zum Beispiel: 50 Cent Förderung auf jeden eingezahlten Euro). Das Fondsspardepot des BVI ist ebenfalls mit drin, soll aber per Halbeinkünfteverfahren der Rentenversicherung steuerlich ebenbürtig werden. Und auch der öffentliche Vorsorgefonds findet sich an.

Damit wirkt das Konzept ideologisch angenehm unbelastet. Dommermuth und Hauer werfen sich für keinen Interessenverband überdimensional stark in die Brust. Das lässt die ganze Sache besonders glaubwürdig erscheinen.

Es geht auf arme Menschen ein

Vielleicht können sich das manche Verbände und deren Funktionäre nicht so richtig vorstellen – aber es gibt in Deutschland Menschen, die hart arbeiten und trotzdem keinen einzigen Euro in eine Vorsorge abdrücken können. Sie brauchen ihr komplettes Einkommen, um über die Runden zu kommen. Und das ist in den vergangenen zwei Jahren angesichts der großen Inflationswelle nicht besser geworden. Willkommen im Leben! Willkommen in Deutschland!

Diesem Armutszeugnis trägt das IVFP-Konzept Rechnung. Der wirklich umwälzende Gedanke: Arme Menschen können sich Zulagen in ihren Vorsorgevertrag einspeisen lassen, ohne selbst einzahlen zu müssen.

Damit kann erstmals wirklich jeder Mensch in Deutschland vorsorgen. Keine Steuernachlässe, kein Herumgehampel mit Eigenbeiträgen – einfach nur direktes Geld für arme Menschen.

Es nimmt Einwände vorweg

Natürlich wird es wieder Menschen geben, die das Vorhaben für nicht bezahlbar halten. Oder halten wollen. Denen nehmen die beiden Autoren an einer Stelle den Wind aus den Segeln. Man könnte nämlich als Gegenrechnung mal überlegen, was es kostet, wenn Menschen gar nicht vorsorgen.

Wenn wir diesen Gedanken weiterdrehen, dürfte auch folgendes einleuchten: Jeder Mensch, den wir aus der Altersarmut herausholen oder dessen Armut wir lindern, entlastet die Staatskasse und wird zum (besser) zahlenden Kunden für die Wirtschaft. Mit anderen Worten: Keine Angst, liebe Kassenwärter, das Geld kommt ja wieder zurück in den Kreislauf.

Es ist wirklich einfach(er)

An allen möglichen Stellen tauchen immer wieder Vorschläge auf, die die Bürokratie merklich abbauen würden. Dazu ein paar Beispiele:

  • die Zulagenrente (alias Riester-Rente) mit der Basisrente (alias Rürup-Rente) zusammenschmeißen.
  • Pflicht zum Eigenbeitrag abschaffen
  • weniger Eigengebrödel, stattdessen gleiche Steuerkonzepte (Halbeinkünfteverfahren) für Fondsspardepot und Rentenversicherungen
  • die ausgezahlte Zulagenrente bleibt steuerfrei (dürfte vielen Rentnern und Finanzämtern die Steuererklärung ersparen)

Es mag sein, dass auch dieses Konzept nicht frei von Fehlern ist (wer ist das schon?). Ein echter Hingucker ist es aber auf jeden Fall. Hoffentlich bekommt das in Berlin auch jemand mit.

autorAutor
Andreas

Andreas Harms

Andreas Harms schreibt seit 2005 als Journalist über Themen aus der Finanzwelt. Seit Januar 2022 ist er Redakteur bei der Pfefferminzia Medien GmbH.

kommentare
Norbert Wichmann
Vor 1 Jahr

Was sollen denn neue Konzepte, wenn vorrangig nicht die Altlasten abgeräumt werden? Da ist die 2004 eingeführte “Doppelverbeitragung” der betrieblichen Altersvorsorge. Selbst wenn Beitäge aus dem schon sozialverbeitragten Netto geleistet wurden, scheut sich der Gesetzgeber nicht, bei Kapitalleistung abermals 20%!!! (Freibetrag 169,75) Sozialabgaben zu fordern.
Solange dieses Unrecht besteht, lohnt sich nicht Neues anzufassen.

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Norbert Wichmann
Vor 1 Jahr

Was sollen denn neue Konzepte, wenn vorrangig nicht die Altlasten abgeräumt werden? Da ist die 2004 eingeführte “Doppelverbeitragung” der betrieblichen Altersvorsorge. Selbst wenn Beitäge aus dem schon sozialverbeitragten Netto geleistet wurden, scheut sich der Gesetzgeber nicht, bei Kapitalleistung abermals 20%!!! (Freibetrag 169,75) Sozialabgaben zu fordern.
Solange dieses Unrecht besteht, lohnt sich nicht Neues anzufassen.

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