Jan Berger ist Geschäftsführer der Denkfabrik 2b Ahead. © 2b Ahead
  • Von Karen Schmidt
  • 02.10.2019 um 13:34
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Wie werden der demografische Wandel und die Digitalisierung die Krankenversicherung verändern? Darüber sprachen wir mit Jan Berger, Geschäftsführer der Denkfabrik 2b Ahead. Sein Fazit in aller Kürze: Es wird dramatisch.

Welche Vorteile ergeben sich dadurch für die Anbieter?
Ich tue mich schwer, auf diese Frage in diesem Rahmen zu antworten. Es geht nicht um diese und die andere Seite, Vorteile für den einen oder den anderen. Ich stehe im engen Austausch mit Gründern und etablierten Unternehmen im Gesundheitsbereich – und die, die wirklich gute Lösungen haben, sind alles Menschen mit einer Mission, anderen Menschen ein gesundes, würdevolles Leben zu ermöglichen. Ich denke da an Start-ups, die Daten aus Ihren Exkrementen analysieren und Ihnen den personalisierten Mix aus Bakterien und Enzymen anbieten, damit Ihre unangenehmen und manchmal peinlichen Darmbeschwerden aufhören. Solch eine Medikation gestützt durch Krankenversicherungen würde die Algorithmen aufgrund von noch mehr Daten verbessern und noch passgenauere Lösungen für individuelle Bedürfnisse liefern. Sie ermöglichte tausenden mehr Menschen ein würdevolles Leben und böte privaten Anbietern die Möglichkeit, Ihre Mitglieder durch das Angebot nicht-invasiver Therapien langfristig zu binden. Das ist nur ein Beispiel, das demonstriert, dass erfolgreiche Strategien darauf aufbauen, nicht in „die“ und „wir“ und Vorteilen zu denken, sondern diese Mauern in unseren Köpfen einzureißen.

Welche Rolle wird die Politik in diesem Wandel spielen – eher Bremsklotz oder Förderer?
Das ist eine gute Frage! Und an dieser Stelle sind wir Zukunftsforscher ziemlich machtlos. Wir leiten unsere Erkenntnisse ab von Gesprächen mit Menschen, die über genügend Einfluss, Charisma, Geld oder Macht verfügen, um eine neue Technologie, ein neues Geschäftsmodell, eine neue Methode und so weiter in die Welt zu tragen. Und natürlich analysieren wir Kapitalströme, um abzuwägen, welche Lösung in den Markt getrieben wird. Diese Empirie gibt uns leider keine Auskunft darüber, wie sich ein Abgeordneter verhalten wird, wenn er aus Partei-Räson, Wählerdruck oder tagesaktuellen Skandälchen heraus seine Hand für oder gegen eine Resolution hebt. Wer hätte denn gedacht, dass eine Kanzlerin einer konservativen Partei das Programm der Grünen beim Atomausstieg verwirklicht? Oder ein sozialdemokratischer Kanzler Hand an den Sozialstaat legt?

Aber im Ernst: Politik folgt ihren eigenen Regeln. Und somit werden wir beides sehen. Ich habe neulich mit Jens Spahn ein tieferes Gespräch geführt und ihn als einen Modernisierer erlebt, der sich ernsthafte Gedanken darüber macht, wie wir mit den Paradigmenwechseln in unserer Gesellschaft, in unserem Leben, in unserer Wirtschaft umgehen. Und dennoch: Weder beneide ich ihn um seinen Job, die Interessen unterschiedlichster Gruppen unter einen Hut zu bringen oder auch gegen deren Willen eine Entscheidung durchzudrücken, noch wage ich eine Prognose, unter welche Zwänge er geraten wird. Ich wünsche ihm aber den Mut, die Weitsicht und die Weisheit, die Entscheidungen zu treffen, die wirklich zukunftsgewandt sind.

Es haben sich schon einige Plattformen gebildet, auf denen private und gesetzliche Krankenversicherer zusammenarbeiten und auch Ärzte, Apotheken & Co. mit ins Boot holen – „Vivy“ zum Beispiel oder „Meine Gesundheit“. Was halten Sie davon?
Das sind gute und wichtige Entwicklungen – nicht zuletzt für die tradierten Unternehmen, die diese Experimente in der Digitalwirtschaft starten. Ob sich viele Nutzer um diese Initiativen sammeln, wird die nahe Zukunft zeigen. Die Stoßrichtung ist allemal richtig.

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Karen

Karen Schmidt

Karen Schmidt ist seit Gründung von Pfefferminzia im Jahr 2013 Chefredakteurin des Mediums.

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