Brot – gesund oder Dickmacher? © Pixabay
  • Von Joachim Haid
  • 30.07.2019 um 09:57
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Im vorletzten Teil unserer sechsteiligen Reihe zum Thema Ernährungsmythen betrachten wir das Thema Getreide. Ist glutenfrei nur ein Hype? Ist Vollkorn wirklich gesünder? Helfen Ballaststoffe beim Abnehmen und macht Weizen wirklich dick und krank? Hier gibt’s die Antworten.

Ballaststoffe sind nicht gleich Ballaststoffe

Vollkorn ist also nicht gleich Vollkorn. Es kommt auf die Zusammensetzung der enthaltenen Kohlenhydrate des jeweiligen Getreides drauf an. In Ihrem Buch „GAPS® Wie Darm und Psyche sich beeinflussen“ schreibt Natasha Campbell-McBride folgendes:

„Eine Ernährung mit einem hohen Ballaststoffanteil (insbesondere Kleie und Frühstücksflocken) wirkt sich äußerst schädigend auf die Darmflora, die Darmgesundheit und den Stoffwechsel im Allgemeinen aus und macht den Menschen anfällig für Reizdarmsyndrom, Darmkrebs, Nährstoffdefizite und viele weitere Probleme. Ballaststoffe aus Obst und Gemüse dagegen sind hochwertiger und belasten das Verdauungssystem weitaus weniger stark“.

Damit wird klar: Auch Ballaststoffe sind nicht gleich Ballaststoffe. Dennoch wird Übergewichtigen, die abnehmen wollen, häufig empfohlen, ihre Ballaststoffzufuhr zu erhöhen. Beim Ernährungskreis der DGE besteht der größte Anteil der empfohlenen Ernährung aus Vollkorn und Ballaststoffen aus Getreide. Gemüse kommt erst an zweiter Stelle. Die erhöhte Ballaststoffzufuhr wird empfohlen, da diese das Sättigungsgefühl verlängern. Ballaststoffe werden so genannt, da man ursprünglich davon ausging, sie würden dem Körper keine Nährwerte und Kalorien zuführen, da er sie nicht verdauen kann. Sie sind eben Ballast. Dabei wurde jedoch das Darmmikrobiom nicht berücksichtigt.

Heute wissen wir, dass bestimmte Bakterienarten in unserem Darm in der Lage sind, Ballaststoffe zu verdauen. Das ist für uns durchaus förderlich. Denn dabei entstehen Stoffe, die unsere Darmschleimhaut ernähren. Ist das Darmmikrobiom jedoch aus der Balance geraten und sind beispielsweise besonders viele Firmicutes vorhanden, kann die Empfehlung an Übergewichtige, den Ballaststoffanteil zu erhöhen, nach hinten los gehen.

Diese Bakterien haben die Eigenschaft, Ballaststoffe viel besser verdauen zu können als andere Bakterien. Dabei werden für den Körper zusätzliche Kalorien zugänglich gemacht. Liegt eine Fehlbesiedlung mit diesen Bakterien vor, können bis zu 15 Prozent mehr Kalorien aus Lebensmitteln gewonnen werden, als auf der Packung angegeben wird. Leider liegt nun aber gerade bei Übergewichtigen häufig eine Überbesiedlung mit genau diesen Bakterien vor. Ohne einen Darmcheck einem abnehmwilligen Übergewichtigen pauschal die erhöhte Zufuhr von Ballaststoffen zu empfehlen, könnte also ein Bärendienst sein.

Ist die Darmbesiedlung jedoch im Gleichgewicht, ist es für nahezu jeden Menschen sinnvoll, mehr Ballaststoffe zu sich zu nehmen, als es mit der durchschnittlichen Ernährung geschieht. Denn diese Ballaststoffe sind im ausgewogenen Darm das Futter der Darmbakterien, die, wie oben bereits erwähnt, unsere Darmschleimhaut ernähren. Damit kann diese optimal funktionieren. Ballaststoffe wie beispielsweise in Flohsamenschalen enthalten, quellen sehr stark. Dies vergrößert das Nahrungsvolumen und damit den Druck auf die Darmwand. Dadurch wird die Peristaltik (die Darmbewegung) angeregt, was die Verweildauer des Speisebreis im Darm reduziert. Enthaltene Abfall- und Giftstoffe können so schneller ausgeschieden werden.

Reis – der Weizen Asiens

Reis, der Weizen Asiens, gibt es sowohl als weiße, geschälte Variante oder als Vollkornreis. Beide haben ihre Vor- und Nachteile. Die Reispflanze entgiftet den Boden und nimmt beispielsweise besonders viel Arsen auf. Wird der Reis geschält, ist der Schadstoffanteil geringer. Dafür ist jedoch auch der Mineralstoffanteil niedriger. Achten Sie bei der Reisauswahl auf solchen, der möglichst aus biologischer Landwirtschaft stammt und auf Böden mit geringer Schadstoffbelastung gewachsen ist. Wer ständig schwankende Blutzuckerspiegel vermeiden möchte, die langfristig zu Gewichtszunahme und Diabetes führen können, sollte auf Reiswaffeln als Zwischensnack besser verzichten. Basmatireis lässt den Blutzuckerspiegel langsamer ansteigen als Standardreis. Auch Reis ist also nicht gleich Reis.

Fazit

Weder sind Weizen, Getreide und Vollkorn pauschal böse noch sind Ballaststoffe pauschal gut. Auch Gluten alleine verursacht bei den meisten Menschen nicht die gesundheitlichen Probleme, die heute immer mehr auftreten. Vielmehr ausschlaggebend ist, wie vielseitig und ausgewogen die Ernährung ist, ob viel frisch gekochte oder eher industriell gefertigte Lebensmittel verzehrt werden. Weiterhin, ob der Darm und das Mikrobiom durch die häufige direkte oder indirekte Einnahme von Antibiotika beziehungsweise durch Umweltgifte geschwächt sind.

Wichtige Ernährungstipps auf einen Blick

  • Essen Sie weniger Getreide, vor allem nicht immer das gleiche. Abwechslung lautet die Devise. So reduziert sich die Gefahr von Unverträglichkeiten.
  • Verwenden Sie auch ursprüngliche Getreidesorten wie Einkorn, Emmer und Kamut, Hirse oder Pseudogetreide wie Buchweizen und Amaranth.
  • Backen Sie Ihr Brot entweder selbst oder achten Sie auf Brot von Bäckern, die noch traditionell backen. So vermeiden beziehungsweise reduzieren Sie unnötige Zusatz-, Farb- und Backtriebstoffe. Kann der Teig lange ruhen, wie beim klassischen Sauerteig, so werden Antinährstoffe deutlich reduziert. Das Brot wird bekömmlicher.
  • Reduzieren Sie den Verzehr von industriell gefertigten Nahrungsmitteln. In diesen sind sehr häufig Gluten enthalten. Das ständige Bombardement mit Gluten kann jedoch auch den Darm von Personen überfordern, die nicht an Zöliakie leiden.
  • Der Darm und die Darmbakterien benötigen Ballaststoffe. Wer jedoch unter einer Fehlbesiedlung des Darms leidet, sollte nicht pauschal den Ballaststoffanteil erhöhen. Das gilt gerade häufig für Übergewichtige. Eine erhöhte Ballaststoffzufuhr kann in diesen Fällen kontraproduktiv sein und das Gewicht steigen lassen. Hier gilt es zunächst, die Balance wiederherzustellen und anschließend mehr Ballaststoffe zu essen.
  • Geschälter Reis enthält weniger Nährstoffe als Vollkornreis. Dafür ist er meist auch mit weniger Arsen belastet und enthält weniger Phytinsäure.
  • Lassen Sie versuchsweise ein paar Wochen Getreide komplett weg. Anschließend führen Sie bestimmte Getreidesorten nach und nach Ihrem Speiseplan wieder zu. Achten Sie nun auf die Reaktion Ihres Körpers. Bekommen Sie Blähungen oder fühlen Sie sich nach dem Verzehr bestimmter Getreidesorten müde? Dann lassen Sie diese weg und variieren zwischen denen ohne nachteilige Reaktionen. Rezepte für getreidefreie Brote und Semmeln finden Sie hier unter „Rezepte“.
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Joachim Haid

Joachim Haid ist Gründer des Gesundheitsprogramms PaleoMental®, zudem Gesundheitscoach und Heilpraktiker in Ausbildung.

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