Björn Thorben M. Jöhnke ist Fachanwalt für Versicherungsrecht und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz, Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Hamburg. © Kanzlei Jöhnke & Reichow
  • Von Björn Thorben M. Jöhnke
  • 23.07.2018 um 10:51
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Gerade Selbstständige neigen dazu, weiterzuarbeiten, obwohl eigentlich gar nichts mehr geht. Sie betreiben damit „Raubbau an der eigenen Gesundheit“, der zu Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) berechtigen kann. Allerdings erkennen Versicherer in ihrer Leistungsfallprüfung oft nicht, wenn der Versicherte den Zeitpunkt des „Ausstiegs“ überschreitet. Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke schildert einen aktuellen Fall.

Das OLG Hamm musste sich mit Urteil vom 27. April 2018 (Aktenzeichen 20 U 75/17) mit dem Sonderproblem des Raubbaus an der eigenen Gesundheit im Rahmen einer Berufsunfähigkeitsversicherung auseinandersetzen.

Der Sachverhalt vor dem OLG Hamm:

Die Parteien des Rechtsstreits stritten über Leistungen aus Berufsunfähigkeitsversicherungen (SBU sowie BUZ). Zwar wurden mehrere Versicherungen verklagt, im Wesentlichen soll jedoch der Kern der Rechtsfragen angesprochen werden. Der Sachverhalt wird folglich verkürzt dargestellt.

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„Die BU taugt nicht für eine Dunkelverarbeitung“

Aus den zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen ergibt sich ein Anspruch auf BU-Leistungen, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, „voraussichtlich sechs Monate“ ununterbrochen außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben. Die anderen Bedingungen des weiteren Versicherungsvertrages enthalten eine entsprechende Regelung zum Eintritt der Berufsunfähigkeit, jedoch mit dem Passus  „voraussichtlich dauernd“ anstelle von „voraussichtlich sechs Monate“.

Die Klägerin trug vor, bis 2008 in einem Unternehmen tätig gewesen zu sein, welches sie von ihrem Vater übernommen hatte. Dabei handelte es sich um eine Unternehmensgruppe mit mehreren Gesellschaften und mehr als 500 Mitarbeitern. Im März 2008 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der zur Unternehmensgruppe gehörenden Gesellschaften eröffnet, am 1. Juli 2008 zudem auch über das Vermögen der Klägerin selbst.

Berufsunfähig wegen Depressionen

Zum 1. April 2008 beantragte die Klägerin bei sämtlichen beklagten Versicherungen Leistungen aus den BU-Versicherungen, weil sie wegen einer Depressionserkrankung berufsunfähig sei. Es wurde im Rahmen der Leistungsprüfung, federführend durch einen Versicherer, ein psychiatrisches Gutachten eingeholt, welches zu dem Ergebnis kam, dass die Klägerin zwar nicht zu einer Ableistung ihres Arbeitsalltages in der Lage sei, dies jedoch eine „normale Reaktion auf den erlittenen Verlust“ (die Insolvenz des Unternehmens) darstelle und daher keinen Krankheitswert im Sinne der jeweiligen Versicherungsbedingungen habe. Die beklagten BU-Versicherungen lehnten daraufhin die Leistungen ab.

Im September 2012 gab der Insolvenzverwalter gegenüber sämtlichen Beklagten sowie auch gegenüber der Klägerin die Ansprüche aus den streitgegenständlichen Versicherungsverträgen aus dem Insolvenzbeschlag frei, so dass die Klägerin ihre Ansprüche geltend machen konnte.

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Björn Thorben M.

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Björn Thorben M. Jöhnke ist Gründer und Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte.

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