Björn Thorben M. Jöhnke ist Fachanwalt für Versicherungsrecht und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz, Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Hamburg. © Kanzlei Jöhnke & Reichow
  • Von Björn Thorben M. Jöhnke
  • 23.07.2018 um 10:51
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Gerade Selbstständige neigen dazu, weiterzuarbeiten, obwohl eigentlich gar nichts mehr geht. Sie betreiben damit „Raubbau an der eigenen Gesundheit“, der zu Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) berechtigen kann. Allerdings erkennen Versicherer in ihrer Leistungsfallprüfung oft nicht, wenn der Versicherte den Zeitpunkt des „Ausstiegs“ überschreitet. Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke schildert einen aktuellen Fall.

Die Klägerin trug vor, als Geschäftsführerin durchschnittlich von Montag bis Samstag etwa 14 Stunden täglich, Sonntags etwa sechs bis acht Stunden täglich gearbeitet zu haben. Ihre Aufgaben hätten sich auf die allgemeine Geschäftsführung, das Controlling, den Vertrieb, den Einkauf, die Produktionsüberwachung und das Personalmanagement bezogen. Wegen einer Depression sei sie jedenfalls seit dem 16. März 2008 gesundheitlich nicht mehr in der Lage, diese oder eine andere Tätigkeit auszuüben.

Die rechtliche Würdigung des OLG Hamm:

Die Berufung hatte teilweise Erfolg, denn der Senat bejahte einen Anspruch der Klägerin auf Leistungen, da sie den Nachweis erbracht habe, ab dem 16. März 2008 voraussichtlich für sechs Monate berufsunfähig gewesen zu sein. Die Klägerin habe zunächst die konkrete Ausgestaltung ihres Berufs dargelegt und danach als Inhaberin und Geschäftsführerin eine ganz umfassende unternehmensleitende Tätigkeit erbracht. Weiter stützte sich das OLG auf die Einschätzung des medizinischen Sachverständigen, der die ungünstige Prognose von sechs Monaten damit begründete, dass bereits im Oktober 2007 eine medikamentöse Behandlung eingeleitet worden sei, die im März 2008 aber noch zu keiner nachhaltigen Verbesserung geführt habe.

Der Sachverständige hatte ebenfalls überzeugend ausgeführt, dass sich durch die Dokumentation mehrerer ärztlicher Diagnosen und Behandlungen auch schon für die Zeit vor März 2008 das für ihn stimmige Bild einer mittelgradigen depressiven Episode ergeben habe.

Der Prognose stehe auch nicht entgegen, dass die Klägerin vorher beruflich tätig wurde, denn soweit sie bis zum 16. März 2008 weiter wie gewohnt arbeitete, sei dies unter „Raubbau an ihrer Gesundheit“ geschehen. Ab März 2008 sei sie zu einer Tätigkeit, die 50 Prozent des ursprünglichen Umfangs erreicht hätte, ohne Raubbau nicht in der Lage gewesen. Zu einem Raubbau an seiner Gesundheit sei der Versicherte jedoch gerade nicht verpflichtet. Die Klägerin habe ihre Tätigkeit auch nicht „umorganisieren“ können, so dass sie trotz ihrer Erkrankung hätte weiter arbeiten können.

Nicht ersetzbare Fachkompetenz

Die durchgeführte Beweisaufnahme des OLG hat die Richtigkeit der Behauptung der Klägerin bestätigt, sie habe in ihrem Unternehmen eine Art „Klammerfunktion“ mit Letztentscheidungskompetenz innegehabt, die wegen ihres umfassenden Überblicks über das Unternehmen unverzichtbar gewesen sei und nicht durch eine anderweitige Organisation hätte aufgefangen werden können.

So hatte insbesondere ein Zeuge, der ebenfalls eine herausgehobene Stellung innehat, bestätigt, die Klägerin sei aus seiner Sicht nicht austauschbar gewesen, weil sie diejenige gewesen sei, welche die Kompetenz zu abschließenden Entscheidungen hatte.

Der Sachverständige habe zudem einleuchtend dargelegt, dass die Überzeugungskraft der bereits im Juni 2007 durch den Hausarzt gestellten Diagnose nicht dadurch in Frage gestellt werde, dass dieser kein Facharzt ist. Denn seine Diagnose sei nicht nur mehrfach bestätigt worden, sondern es werde auch deutlich, dass der Hausarzt sachkundig geurteilt habe.

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Björn Thorben M. Jöhnke ist Gründer und Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte.

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