Christian Nuschele (li.), Standard Life, und Guntram Overbeck, Helvetia. © Rüdiger Glahs
  • Von Karen Schmidt
  • 09.11.2020 um 12:43
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Ist die Nettomethode geeignet, um Ablaufleistungen in der Altersvorsorge am transparentesten hochzurechnen? Oder doch eher die Bruttomethode? Pfefferminzia lud zum Streitgespräch. Im Team „Netto“: Guntram Overbeck, Leiter Produktmanagement Leben bei Helvetia. Im Team „Brutto“: Christian Nuschele, Vertriebschef bei Standard Life Deutschland.

Warum haben Sie sich jeweils für Ihre Methode entschieden?

Overbeck: Für uns ist es wie bereits dargestellt wichtig, dass Kunde und Berater etwas mit der Hochrechnung anfangen können. Und das sehe ich bei der Bruttomethode gar nicht. Aus zwei Gründen. Die Bruttorendite, vor Abzug der Kosten also, bekommen Kunden und Vermittler nirgendwo. Selbst wenn sie bei der Fondsgesellschaft anrufen, werden sie diese oft nicht bekommen.

Wenn ich da kurz einhaken darf, wieso nicht?

Overbeck: Weil die Fondsgesellschaften die Bruttorendite teilweise selber nicht haben. Sie kennen selbst nicht alle Kosten aller Transaktionen zum Beispiel. Das ist ein unglaublicher Verwaltungsaufwand. Jetzt tut sich langsam etwas in dem Bereich, weil es bei der Basisrente zum Beispiel Pflicht ist, diese Kosten auszuweisen. Aber in aller Regel bekommt man die Bruttorendite nur sehr schwer raus. Deswegen haben wir uns gegen die Bruttomethode entschieden. Der zweite Grund ist, dass die meisten Kunden beim Kauf eines Autos zum Beispiel auch nicht interessiert, was der Motor kostet. Oder die Reifen. Ich will wissen, was ich insgesamt bezahlen muss. Und genauso ist es bei der Nettomethode. Mich interessiert nicht, was ein Fonds kostet, auch den Kunden interessiert das nicht. Mich interessiert, was der Fonds netto erwirtschaftet, und was von dieser Nettorendite für die Versicherung abgezogen wird.

Nuschele: Diese Argumentation schwächelt für mich an drei Stellen. Es ist völlig richtig, dass wenn ich zum Beispiel ein Factsheet aufrufe, ich dort die Performance sehe, die der Fonds bisher erzielt hat – Management Fees und so weiter schon abgezogen. Das Problem ist aber, dass es ein retrospektiver Wert ist. Er ist ein Indikator dafür, wie gut das Fondsmanagement in der Vergangenheit war. Die Bruttomethode hat den entscheidenden Vorteil, dass sie eine Einschätzung der Wahrscheinlichkeit ermöglicht, wie realistisch es ist es, dass so etwas in Zukunft auch wieder passiert. Die Gesamtkostenbetrachtung, die ich bei der Bruttomethode habe, zeichnet ein viel realistischeres Szenario. Ich versuche, das mal plastisch zu machen. Wenn ich 6 Prozent netto vergleiche, unterstelle ich immer, dass 1,5 bis 2,0 Prozent zusätzliche Kosten auch noch erwirtschaftet werden. Die Wahrscheinlichkeit aber, dass das auch tatsächlich passiert, ist doch relativ gering bei der Kapitalmarktsituation, die wir aktuell vorfinden. Und hier macht es natürlich einen Unterschied, ob 1, 2 oder mehr Fondskosten anfallen – auch das sehen wir noch im Markt. Wenn ich 6 Prozent brutto vergleiche, gehe ich von niedrigeren Werten aus. Aber die sind realistischer und führen in der Zukunft nicht zu Enttäuschungen.

Der zweite Aspekt ist, dass es bei der Nettomethode durchaus Usus ist, dass in solchen Produkten zusätzliche Kickbacks berücksichtigt werden. Diese Masse, die da entsteht – teilweise zwischen 0,3 und 0,9 Prozent – ist Manövriermasse, die der Versicherer nutzen kann, um die Illustrationen zu schönen und ein positiveres Bild von der Zukunft zu zeichnen als es in der Realität eigentlich eintreten kann.

Wir haben uns als dritten Punkt auch für die Bruttomethode entschieden, weil wir großen Wert auf Clean Share Classes legen. Wir bieten in unserer Produktwelt eben nicht die klassischen Publikumsfonds an, die man auf jeder Fondsplattform findet, sondern wir haben uns für die Tranchen ohne Vertriebsvergütung entschieden, die die Kosten auf der Investmentseite deutlich senken.  Schauen wir uns beispielsweise den Flossbach von Storch Multiple Opportunities als Bestseller im Fondspolicen-Bereich an: Hier weist die Retail-Klasse 1,65 Prozent laufende Kosten auf, die Clean Share Class lediglich 0,9 Prozent. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei vielen anderen Fonds.

Overbeck: Da würde ich ganz gern an einigen Punkte einhaken. Natürlich rechnen wir immer mit Vergangenheitswerten hoch, das ist ganz klar. Eine andere Möglichkeit haben wir aber nicht. Bezüglich der Renditehöhe, die Sie angesprochen haben – das ist kein Argument für die Bruttomethode. Das ist einfach nur ein Argument dafür, realistische Werte anzunehmen. Denn natürlich können Sie auch bei der Nettomethode einfach mit 4, 5 oder 6 Prozent hochrechnen.

Die Kickbacks, die Sie angesprochen haben, sind definitiv da. Deswegen ist die Bruttomethode ja überhaupt erst entstanden. Eine einzige Gesellschaft am Markt hatte damals gespiegelte Fonds angeboten, dort massiv Kosten reingebucht, dadurch höhere Kickbacks bekommen und so die Ablaufleistung getunt. Ob man aber provisionsfreie Tranchen nimmt wie jetzt Standard Life oder Publikumsfonds, in denen höhere Kosten eingerechnet werden, die man aber über die Kickbacks wieder an den Kunden gibt, spielt effektiv auch keine Rolle. Das Fazit ist also, wenn ich die Nettomethode nehme und realistische Renditen dort eingebe, habe ich überhaupt kein Problem.

Mit der Bruttomethode, nochmal betont, kann ein Kunde dagegen nichts anfangen. Hier geht es nicht um bekannte und veröffentlichte Renditen, sondern um mögliche Renditen, bei denen die Kosten des Fonds mit integriert sind. Und den Kunden, und davon gehe ich immer wieder aus, interessieren die Kosten nicht. Ihn interessiert immer nur das, was er wirklich bekommt. Der Makler könnte die Bruttomethode nutzen, um einen identischen Fonds zu vergleichen. Der muss dann aber wirklich identisch sein, es darf nicht irgendeine andere Tranche, und auch nicht die thesaurierende statt der ausschüttenden Variante sein. Nur mit der Nettomethode kann der Kunde erkennen, ob sein Ziel – z.B. die Rentenlücke zu schließen – auch erreicht wird. Mit der Bruttomethode ist dies nicht möglich. Eine andere Situation kenne ich nicht, in der man die Bruttomethode sinnvoll einsetzen kann.

Nuschele: Ein guter Vermittler ordnet seinem Kunden die gesamten Werte, also auch die anfallenden Kosten, ein. Bei der Bruttomethode hat er alle Zahlen auf dem Tisch, die er braucht, um zu sagen: Okay, das ist zwar nicht 1:1 die Fondsperformance, die du im Internet wiedergefunden hast, aber wir hatten ein Konzept gewählt, das schonungslos alle Kosten offenlegt, und es tut das, was es soll, sprich es bewegt sich im Rahmen  der Illustrationen und Erwartungen. Der Aussage, dass die Bruttomethode im Beratungsgespräch nicht sinnvoll eingesetzt werden kann, würde ich definitiv widersprechen.

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Karen

Karen Schmidt

Karen Schmidt ist seit Gründung von Pfefferminzia im Jahr 2013 Chefredakteurin des Mediums.

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