Frisör bei der Arbeit: Auch Menschen mit sehr niedrigem Einkommen sollen nach Plan des IVFP vorsorgen können © Orna Wachman / Pixabay
  • Von Andreas Harms
  • 06.03.2023 um 16:50
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Wir bemühen ungern das sprachliche Bild des Paukenschlags – aber das hier ist einer. Denn das Institut für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP) hat jetzt ein Konzept für die deutsche Altersvorsorge vorgelegt, das sich die Verantwortlichen in Berlin mal ansehen sollten. Es denkt manche Dinge neu, zum Beispiel die Riester-Rente.

Die „Fokusgruppe private Altersvorsorge“ brütet gerade darüber, wie man das deutsche Rentensystem erneuern und auf solide Füße stellen könnte. Einige Vorschläge von Branchenverbänden liegen bereits vor. Jetzt steigt das Institut für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP) in die Diskussion mit ein und gibt ein Konzeptpapier heraus. Und das hat es in sich. Denn einerseits führt es „die vorhandene einzigartige Zulagensystematik bei der geförderten Altersvorsorge“ vereinfacht weiter. Andererseits wirft es steuerliche Standards über den Haufen und lockert Regeln kräftig.

Die Riester-Rente

Verschleppte Reformen, zu viel Bürokratie, die Garantiepflicht als Renditehemmschuh – die Riester-Rente hat es dieser Tage nicht leicht mit ihrem Image. Das sieht man auch beim IVFP so und stellt nüchtern fest, dass der Name „Riester-Rente“ verbrannt ist.

Wie könnte man also den – eigentlich völlig vernünftigen – Ansatz einer durch Zulagen geförderten Vorsorge mal entrümpeln? Dem IVFP schwebt eine „Zulagenrente“ vor: Förderfähig ist jeder in Deutschland, der Unterschied zwischen unmittelbarer und mittelbarer Förderung soll somit weg. Und für die neu hinzukommenden Selbstständigen könnte es eine sinnvolle Ergänzung zu bereits bestehender Vorsorge sein, heißt es vom IVFP.

Die Bruttobeitragsgarantie wird gestrichen. Um eventuell vorhandenen Sicherheitsbedürfnissen gerecht zu werden, könne man das Garantieniveau zum Beispiel auf 50 Prozent senken. Die konkrete Höhe soll frei wählbar sein.

Zulagen sogar ohne eigenen Beitrag

Jeder unter dem durchschnittlichen deutschen Bruttoeinkommen (zurzeit 43.142 Euro im Jahr) bekommt analog zum Riester-System Grund- und Kinderzulagen. Allerdings: Sogar, wenn er keinen einzigen Euro selbst einzahlt – was nicht weniger als eine Revolution wäre. Denn damit könnten sogar Menschen vorsorgen, die kein Geld dafür übrig haben. Der Mindesteigenbeitrag soll ebenso wie der Maximalbetrag von 4 Prozent des Einkommens wegfallen – damit muss man beides aber auch nicht mehr prüfen. Das bedeutet, dass der ganze bisherige umständliche Verwaltungs- und Prüfkram wegfällt. Einzig zu klären wäre nur noch: Sollte mal jemand in einem Jahr über dem Durchschnitt verdienen, bekommt er einfach keine Zulage – und das war’s.

Ebenfalls anders als bei Riester heute soll die gezahlte Rente im Alter steuerfrei bleiben. Das wäre ein enormer Imagegewinn. „Eine hohe Verbreitung dieser Vorsorgelösung ist damit erwartbar und bietet eine hervorragende Lösung für Geringverdiener und kinderreiche Familien“, heißt es vom Institut.

50 Cent Förderung auf jeden Euro

Und damit die Menschen freiwillig noch mehr Geld in diese Zulagenrente stecken, soll der Staat auf jeden Euro zusätzlich 50 Cent Förderung packen. Das entspricht übrigens dem Vorschlag des Versicherungsverbands GDV zur Bürgerrente. Natürlich braucht man für so etwas eine Obergrenze. Das könnten – wie auch der GDV vorschlägt – 4 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung sein.

Kleiner Hinweis des IVFP in Richtung Berlin: Wem das alles zu teuer vorkommt, der könnte auch mal ausrechnen, was es kostet, wenn die Menschen in Deutschland gar nicht vorsorgen.

Seite 2: Mehr Spielraum in der dritten Schicht

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Andreas Harms

Andreas Harms schreibt seit 2005 als Journalist über Themen aus der Finanzwelt. Seit Januar 2022 ist er Redakteur bei der Pfefferminzia Medien GmbH.

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