Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Fachanwalt für Versicherungsrecht und für Gewerblichen Rechtsschutz bei der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte. © Kanzlei Jöhnke & Reichow
  • Von Redaktion
  • 11.01.2021 um 12:24
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Muss ein Versicherter im Leistungsfall wichtige Angaben etwa zu seinen Vermögensverhältnissen von sich aus dem Anbieter melden? Oder reicht es zu warten, bis der Versicherer die Infos abfragt? Mit dieser Frage hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) befasst. Das Urteil ist zwar schon älter, aber nach wie vor relevant, wie Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke betont – die Kanzlei Jöhnke & Reichow verhandelt gerade in mehreren Fällen zu diesem Thema.

Leistungsfreiheit des Versicherers gemäß Paragraf 28 Abs. 2 VVG

Das Berufungsgericht habe rechts- und verfahrensfehlerfrei festgestellt, dass im vorliegenden Fall eine Ausnahme unaufgeforderter Anzeigepflicht greife und die Verletzung dieser spontanen Anzeigeobliegenheit gemäß Paragraf 28 Abs. 2 VVG vorliegend zur Leistungsfreiheit des Versicherers führe, so der BGH. Dem stehe nicht entgegen, dass es für die Mitteilung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorliegend an einer versicherungsvertraglich vereinbarten Grundlage fehle, so der BGH weiter. Die Auskunftspflicht des Versicherungsnehmers gemäß Paragraf 31 Abs. 1 VVG sei demnach eine Obliegenheit im Sinne von Paragraf 28 Abs. 2 VVG.

Kann die Entscheidung des BGH überzeugen?

Die Entscheidung des BGH überzeugt im Ergebnis wenig, da mit ihr dem Aufklärungsinteresse des Versicherers eine mehr als gerechtfertigte Bedeutung beigemessen wird. Nehme man eine spontane Anzeigeobliegenheit nicht an, so bestünde eine erhebliche Gefährdung von Interessen des Versicherers bereits dann, wenn dieser durch eine unterbliebene Auskunftserteilung der Gefahr ausgesetzt sei, sich gegen eine erneute Leistungsforderung des Versicherungsnehmers wehren zu müssen. Nach der vorliegenden Auffassung des BGH sei zu beachten, dass die Kenntnis solcher Vermögensverhältnisse wie im Streitfall im Rahmen der Leistungsprüfung für den Versicherer unverzichtbar sei.

Diese Ausführungen des BGH überzeugen jedoch nicht. Denn die Anforderungen an die sogenannte spontane Anzeigeobliegenheit würden nach Ansicht unserer Kanzlei damit deutlich überspannt. Versicherungsnehmer können im Zweifel gar nicht wissen, was für „ungeschriebene Pflichten“ über den Pflichtenkatalog der Versicherungsbedingungen hinaus bestehen. Versicherungsnehmer könnten damit nicht auf die Rechten und Pflichten der Parteien aus dem Versicherungsvertrag vertrauen und müssten im Leistungsfall, beziehungsweise Versicherungsfall immer damit rechnen, keine Leistungen aus dem Versicherungsvertrag von der Versicherung zu erhalten.

Wann liegt ein „krasser Einzelfall“ vor?

Unter anderem ist ein Augenmerk darauf zu richten, dass unklar bleibt, wann die Grenze zu einer Gefährdung des elementaren Aufklärungsinteresses des Versicherers überschritten wird. Der Senat bezieht sich dabei auf die Mitteilung außergewöhnlicher und besonders wesentlicher Informationen, nämlich sehr restriktiv zu handhabende, „krasse“ Ausnahmefälle. Der BGH betont lediglich, dass es sich um Fälle handelt, in denen es um Dinge gehe, die für jedermann erkennbar das Aufklärungsinteresse des Versicherers in ganz elementarer Weise betreffen und deren Bedeutung für den Versicherungsnehmer auf der Hand liegen.

Diese Ausführungen vermögen jedoch nicht zu überzeugen. Denn die Frage, wann ein „krasser Ausnahmefall“ im Einzelfall vorliegt, müsste der Versicherungsnehmer vor der Meldung des Versicherungsfalls an die jeweilige Versicherung positiv erkennen können und die vorgenannte Abwägung des BGH im Einzelfall selbst machen. Diese Anforderungen dürfte nach Auffassung der Kanzlei zu weit gehen.

Auswirkungen auf die Praxis

Die Entscheidung des BGH weist eine sehr hohe Relevanz für die Praxis, respektive Vermittler-Praxis auf. Zum einen stärkt diese Entscheidung die Rechte der Versicherer in Bezug auf die Leistungsfreiheit in besonderen Fällen. Zum anderen zeigt sie, dass es zur Leistungsfreiheit des Versicherers eben nur in „krassen“ Ausnahmefällen kommen kann. Den Regelfall bildet demnach weiterhin der allgemein anerkannte Umstand, dass den Versicherungsnehmer keine spontane Anzeigeobliegenheit trifft. Es besteht mithin keine eindeutige und einheitliche, höchstrichterliche Regelung für den Fall der sogenannten „spontanen Anzeigeobliegenheit“ im Versicherungsfall. Jeder Einzelfall muss damit auch „im Einzelfall“ geprüft werden.

Damit bleibt festzuhalten, dass es quasi unabdingbar ist, jeden Versicherungsfall anwaltlich überprüfen zu lassen und frühzeitig eine kompetente Beratung durch versierte Fachanwälte für Versicherungsrecht in Anspruch zu nehmen, um eine spätere Leistungsablehnung im Rahmen der vertraglich zugesicherten Ansprüche des Versicherten bestenfalls zu vermeiden.

Die Kanzlei Jöhnke & Reichow wird auf dem digitalen Vermittler-Kongress 2021 am 04. Februar 2021 zu diesem Thema referieren. Anmeldungen sind unter www.vermittler-kongress.de möglich.

Über den Autoren

Björn Thorben M. Jöhnke ist Fachanwalt für Versicherungsrecht, Gewerblichen Rechtsschutz & IT-Recht, Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte.

kommentare
Michael Schmid
Vor 3 Jahren

Der Fall: Das Büro u. Geschäftsgebäude eines Unternehmers brennt ab.
Der Unternehmer unterrichtet unmittelbar den ermittelnden Beamten und die Versicherung über das eingeleitete Insolvenzverfahren.
Nun kann sich jeder selbst ausmalen, daß die Ermittlunge nur noch in eine Richtung gelaufen sind und seitens der Brandermittler (Polizei), keine Ergebnisse vorgelegt werden konnten. Für die Versicherung war jedoch klar, daß der Unternehmer das Gebäude selbst in Brand gesetzt hat, obwohl es teilvermietet war und sich selbst getragen hat und nach Ablauf der Finanzierung die Altersvorsorge für Ihn sein sollte. Die Angebote der Versicherung waren nach dem Motto friß oder stirb und leider war der hinzugezogenen RA kein Fachanwalt.
Es bringt also nichts, wenn man stillschweigt oder sofort seiner “Anzeigepflicht” nachkommt! Das Ergebnis ist i.d.Regel das Gleiche.
Manchmal bedarf es schon eines tiefen Glauben in unseren Rechtsstaat um nicht zu verzweifeln und/oder wütend zu werden.
Im Übrigen zu dem BGH Urteil: Jeder VN muß bei Abschluß einer Bonitätsprüfung zustimmen. Warum machen die Versicherer das nicht im Schadenfall?

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Michael Schmid
Vor 3 Jahren

Der Fall: Das Büro u. Geschäftsgebäude eines Unternehmers brennt ab.
Der Unternehmer unterrichtet unmittelbar den ermittelnden Beamten und die Versicherung über das eingeleitete Insolvenzverfahren.
Nun kann sich jeder selbst ausmalen, daß die Ermittlunge nur noch in eine Richtung gelaufen sind und seitens der Brandermittler (Polizei), keine Ergebnisse vorgelegt werden konnten. Für die Versicherung war jedoch klar, daß der Unternehmer das Gebäude selbst in Brand gesetzt hat, obwohl es teilvermietet war und sich selbst getragen hat und nach Ablauf der Finanzierung die Altersvorsorge für Ihn sein sollte. Die Angebote der Versicherung waren nach dem Motto friß oder stirb und leider war der hinzugezogenen RA kein Fachanwalt.
Es bringt also nichts, wenn man stillschweigt oder sofort seiner “Anzeigepflicht” nachkommt! Das Ergebnis ist i.d.Regel das Gleiche.
Manchmal bedarf es schon eines tiefen Glauben in unseren Rechtsstaat um nicht zu verzweifeln und/oder wütend zu werden.
Im Übrigen zu dem BGH Urteil: Jeder VN muß bei Abschluß einer Bonitätsprüfung zustimmen. Warum machen die Versicherer das nicht im Schadenfall?

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