Senior-Portfoliomanager David Wehner, Do Investment: „Das hätten wir uns vor zwei oder drei Jahren nicht vorstellen können“ © Do Investment
  • Von Andreas Harms
  • 10.01.2023 um 12:18
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Wer hatte 2022 schon einen derartigen Kursrutsch bei Aktien und Anleihen auf dem Zettel? Nicht viele. Auch nicht David Wehner, wie er im Interview einräumt. Der Senior-Portfoliomanager betreut für Do Investment Geld von Privatanlegern, Versicherern und Pensionsfonds. Hier spricht er über das neue Renditehoch, den Unterschied zur Finanzkrise und die zukünftige Inflation.

Leider konnte man mit solch klassischen Sachen in den vergangenen Jahren renditetechnisch keinen Blumentopf gewinnen.

Wehner: Ja, es war wirklich hart. Wir haben viele Mischfonds, und da lautete auf der Rentenseite das Ziel: nur so wenig wie möglich verlieren. Vieles haben wir über die Laufzeiten beziehungsweise die Durationen gesteuert. Leider hatten wir 2022 die Duration zu früh erhöht. Einen derartigen Renditeanstieg hatten wir nicht auf dem Zettel.

Die anderen aber auch nicht.

Wehner: Ein paar vielleicht, aber sicher nicht viele.

In der Finanzkrise 2008 und 2009 hatten Bundesanleihen mit steigenden Kursen noch andere Verluste abgefedert. Warum dieses Jahr nicht?

Wehner: Es gab einen anderen Auslöser für die Krise. 2022 hatten wir einen Bärenmarkt mit hoher Inflation. In der Finanzkrise war der Bärenmarkt mit sinkender Inflation oder sogar Deflation verknüpft. Die Rohstoffbörsen kollabierten damals, die Nachfrage brach ein. Heute dagegen ist die Nachfrage durch zu viel gedrucktes Geld, Covid-19 und gestörte Lieferketten eher zu hoch. Die Energiekrise durch Putin hat die Situation zwar nicht ausgelöst, aber noch verschärft. Gegen so eine Mischung konnte der Rentenmarkt nicht ankommen. Und selbst für die eigentlich als inflationssicher geltenden Aktienmärkte war der Schock zu groß.

„Zentralbanken liegen häufig falsch und sind oft spät dran“

Und ausgerechnet in so einer Zeit hört die Zentralbank auf, Anleihen zu kaufen. Nicht gerade hilfreich.

Wehner: Nein. Seit der Finanzkrise war das gedruckte Geld zugleich Medizin und Droge für die Märkte. Immer wenn Finanzmärkte ins Trudeln gerieten, kamen die Zentralbanken an und stützten sie mit Geld. Jetzt bauen sie sogar demnächst ihre Bilanzen ab, um 15 Milliarden Euro im Monat. Für die Anleihemärkte ist diese ganze Mischung ziemlich giftig.

Jetzt aber mal bitte wieder zu den guten Nachrichten.

Wehner: Die Zentralbanken liegen mit ihren Prognosen sehr häufig falsch und sind oft spät dran. Sie hatten mit ihrer Vorhersage, die Inflation sei nur kurzfristig, weit daneben gelegen. Jetzt wollen sie wieder Vertrauen schaffen und steuern deshalb vielleicht zu stark gegen die Inflation. Denn allein durch die Basiseffekte dürfte sie dieses Jahr wieder auf Werte von vielleicht 3 Prozent sinken.

Und die Zentralbanken müssen dann schon wieder umdenken?

Wehner: Sie könnten merken, dass sie zu viel getan haben und eine Rezession droht. Es ist wie im Portfoliomanagement: Wenn man einmal aus dem Tritt geraten ist, kommt man nur schwer wieder rein.

Das heißt also?

Wehner: Dass sich die Wirtschaft schneller und stärker abschwächt, als es die Zentralbanken erwarten. Trotzdem werden die Anleihemärkte den Aussagen noch folgen und weiter steigen. Aber dann kommt die Gegenbewegung mit wieder sinkenden Renditen und steigenden Kursen. Allerdings sagte der Chef der US-Notenbank, Jerome Powell, nach der letzten Fed-Sitzung einen bemerkenswerten Satz.

Seite 3: „Vielleicht sind 3 Prozent Inflation für so eine Lage angemessen“

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Andreas Harms

Andreas Harms schreibt seit 2005 als Journalist über Themen aus der Finanzwelt. Seit Januar 2022 ist er Redakteur bei der Pfefferminzia Medien GmbH.

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