Die Teilnehmer des Roundtables (v.l.): Hajo Schmitz, Axa; Karen Schmidt, Pfefferminzia; Siegfried Hischke, Elips-Life; Karl-Heinz Seiffert, Inter; Sandra Dangelmayer, Hallesche; Folke Tedsen, Hanse-Merkur; Stephanie Griese, Signal Iduna; Joachim Haid, Softfin/ Paleo-Mental; und Matthias Heß, Pfefferminzia. © Robert Schlossnickel
  • Von Karen Schmidt
  • 17.10.2019 um 10:10
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Unser Gesundheitssystem ist derzeit noch zu stark darauf ausgerichtet, Krankheiten zu behandeln, statt sie zu vermeiden. Welche großen Chancen sich durch den Präventionsgedanken Krankenversicherern und Maklern bieten, diskutierten wir mit Experten.

Fast jeder trägt ja heute einen Fitness-Tracker und ist dadurch viel besser über den eigenen Gesundheitszustand informiert als noch vor fünf Jahren. Inwiefern ändert das, was man als Krankenversicherer heute anbieten muss?

Schmitz: Gesundheit ist ein Riesenthema für die Menschen. Und wir müssen davon wegkommen, nur eine Krankenversicherung zu sein. Wir müssen uns vom Kostenerstatter zum Lebensbegleiter entwickeln. Dabei gibt es aber auch ein paar Restriktionen. Die Dynamik von Jens Spahn ist bemerkenswert, geht aber leider meistens in Richtung der gesetzlichen Krankenversicherung – aktuelles Beispiel ist das Präventionsgesetz. Wir müssen auf solche Initiativen mit immer neuen Angeboten antworten, um von der GKV nicht abgehängt zu werden. Dabei verlieren wir aber mitunter den Bestand aus den Augen, der genauso Bedarf an Präventionsleistungen hat.

Haid: Was sie eben sagten ist genau mein Aufruf an die Versicherungsbranche. Ihr müsst davon wegkommen, der reine Leistungserbringer zu sein und dazu übergehen, der Gesundheitsmanager des Kunden zu werden. Bei den Fitness-Trackern zum Beispiel wird sich auch noch einiges tun. Sie können jetzt schon vieles messen, was auf einen Herzinfarkt hindeutet. Ich weiß, dass der Anbieter Garmin gerade an einem Schweißsensor arbeitet, um hier noch feinere Daten zu sammeln. Die bisherige Zukunftsvision, dass nachts um 2 Uhr Ärzte an meinem Bett stehen, weil mir gleich ein Herzinfarkt droht, ist da gar nicht mehr so abwegig. Nachgearbeitet werden muss da noch beim Datenschutz. Da sind die USA und China schon deutlich weiter, dass man die vom Kunden freigegebenen Daten auch wirklich nutzen darf.

Tedsen: Wobei man mit Zustimmung des Kunden schon eine ganze Menge machen kann. Wir müssen diese Zustimmung nur bekommen, und das klappt dann, wenn der Kunde einen Mehrwert und Nutzen für sich sieht. Was sich mit der neuen Generation vor allem ändert, ist die Erwartung. Früher war die Kern-Frage: Was erstattet ihr mir? Heute ist die Denke: Ich will gesund bleiben, wie könnt Ihr mir dabei helfen? Wenn wir diese Bedürfnisse einfach und praktikabel befriedigen können, haben wir die große Chance auf eine neue Art der Kundenkommunikation. Der Kunde hat dann gerne mit der Krankenversicherung zu tun, weil er ganz neue Mehrwerte bekommt. Das wird sehr spannend werden.

Haid: Und das ist genau das, was sich viele Versicherer wünschen – nämlich mehr Kundenkontaktpunkte zu haben, nicht nur beim Angebot, Antrag, im Leistungsfall und dann bei Tod oder Vertragsende. Als Gesundheitsmanager des Kunden bietet sich dem Versicherer die Möglichkeit, im Positiven mit dem Kunden im Kontakt zu sein. Eine Statistik aus dem vergangenen Jahr zeigt, dass Kunden die Gesundheit noch wichtiger ist als die Altersvorsorge oder die Familie. Das muss die Versicherungsbranche entsprechend aufnehmen.

Griese: Unser Ziel ist es, unseren Kunden „mehr Lebensqualität“ zu bieten. Wir möchten, dass unsere Kunden gesund sind und gesund bleiben.  Zur aktiven Erinnerung an Vorsorgeuntersuchungen bieten wir unseren Kunden in der Signal Iduna App einen intelligenten Vorsorgereminder an. Darüber hinaus erhalten unsere Kunden in den Tarifen Vorsorgegutscheine, die mögliche Beitragsrückerstattungen oder den Selbstbehalt nicht negativ tangieren. Auch die elektronische Patientenakte halten wir für sinnvoll. Durch die zentrale Ablage von Arztunterlagen und -daten, die der Kunde selbst hochladen kann, behält der Kunde den Überblick. Auch kann das Risiko von Fehl- und Doppelbehandlungen minimiert oder die Vergabe von Medikament mit Wechselwirkungen vermieden werden, wenn verschiedene Ärzte kontaktiert werden.  Es zeichnet sich ab, dass neue digitale Angebote die Patientenversorgung revolutionieren. Natürlich sind wir auch jederzeit für die kranken Kunden da und halten neben den Leistungen auch Präventionsangebote vor. Für Personen in psychischen Belastungssituationen bieten wir zum Beispiel die App Selfapy oder für Versicherte mit Rückenbeschwerden die App Kaia an.

Seiffert: Und das ist auch wichtig. Diese kranken Kunden haben wir zum Beispiel bei unserem Programm für Typ-1-Diabetiker ebenfalls im Blick. Wir arbeiten da seit über fünf Jahren mit Roche zusammen. Die Mitarbeiter beraten die Kunden über ein Callcenter. Sie verschicken die Teststreifen, die Messgeräte und beraten zu allen möglichen Dingen rund um das Thema Diabetes, empfehlen Behandlungen bei Diabetologen. Das Programm läuft sehr, sehr gut. Die Kostenentwicklung hat sich im Verlauf deutlich gebessert. 

Siegfried Hischke, Leiter Mitarbeiter Benefits, Elips-Life: Wir sind ein Schweizer Lebensversicherer, der im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung Unternehmen jeder Größe eine kollektive Arbeitskraftabsicherung ihrer Belegschaften anbietet. Das Konzept ist eine Kombination aus Gruppen-Berufsunfähigkeit und Care Management. Dies ist ein völlig neuer Ansatz, da wir nicht nur BU-Leistungen auszahlen, sondern schon im Vorfeld präventiv oder reintegrativ tätig werden. Dabei geht es uns darum, dem Arbeitgeber Kosten durch krankheitsbedingte Fehlzeiten zu sparen. Die wichtigsten Bestandteile des Elips-Life Care Managements sind das Gesundheitstelefon und der Gesundheitslotse. Beide Komponenten sind in dieser Kombination derzeit einzigartig am Markt und bieten Arbeitnehmern und Arbeitgebern Unterstützung bei der Gesunderhaltung. Für uns ist es wichtig, dass wir mehr bieten als nur eine Versicherung. Damit erhalten aber auch unsere Vermittler ein Alleinstellungsmerkmal in der bAV-Beratung.

Schmitz: Mit Kooperationspartnern zu arbeiten, ist der richtige Weg. Wir haben innerhalb der PKV das größte Partnernetzwerk. Gemeinsam mit Partnern aus dem Gesundheitsmarkt fördern wir die Gesundheitsversorgung und so eben auch die Prävention: Das haben wir auch gerade bei einem Mailing zur Darmkrebsfrüherkennung gemacht. Das Mailing ging an 50.000 männliche Kunden mit dem Pröbchen direkt dabei, um einen Anreiz zu setzen, an der Aktion teilzunehmen. Das Ergebnis: 10.000 Kunden, also 20 Prozent, haben den Test tatsächlich durchgeführt und bei 409 Menschen war er positiv. Wir haben damit Leben gerettet! Auf Prävention zu setzen, ist also auch kommunikativ deutlich interessanter, als nur Leistungen zu erstatten.

Hischke: Für uns sind die Vermittler ein wichtiger Zugang zu den Firmenkunden. Gleichzeitig wissen wir, dass das Vermittler-Image in der Öffentlichkeit leider nicht zum Besten steht. Ihnen hilft es sicherlich, wenn sie die Kommunikation auf etwas Positives ausrichten können. Ich denke, da kann die Branche noch besser werden. Wir denken noch immer in sehr langen Zeiträumen und glauben, dass unsere Kunden uns ewig die Treue halten. Wenn ich mir meine Töchter anschaue, erlebe ich eine andere Einstellung zu Produkten und Dienstleistungen. Da wird heute digital eine Leistung gebucht, und in fünf Jahren überzeugt sie ein Anderer mit einer attraktiveren Leistung. Da geht es dann nicht nur um den Preis, sondern auch um die Art und Weise der Darstellung. Das sind alles Dinge, die wir neu denken müssen. Da können wir auch von den agilen Insurtechs lernen – auch wenn nicht unbedingt alle erfolgreich sind.  

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Karen Schmidt

Karen Schmidt ist seit Gründung von Pfefferminzia im Jahr 2013 Chefredakteurin des Mediums.

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