Die Türme des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg. © dpa/picture alliance
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  • 01.08.2017 um 14:47
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Storniert ein Kunde seinen Versicherungsvertrag innerhalb von ein paar Monaten nach Vertragsabschluss, muss der Vertreter die dafür erhaltene Provision zurückzahlen. Was aber, wenn der Versicherer durch nervige Nachfragen das Vertrauen der Kunden verspielt hat? Über diese Frage musste nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheiden.

Welche Rechtsvorschrift kann hier eine Rolle spielen?

Hier geht es um die Auslegung von Artikel 11 der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter.

Dieser Artikel bestimmt:

„(1) Der Anspruch auf Provision erlischt nur, wenn und soweit

  • feststeht, dass der Vertrag zwischen dem Dritten und dem Unternehmer nicht ausgeführt wird, und
  • die Nichtausführung nicht auf Umständen beruht, die vom Unternehmer zu vertreten sind.

(2) Vom Handelsvertreter bereits empfangene Provisionen sind zurückzuzahlen, falls der Anspruch darauf erloschen ist.

(3) Vom Absatz 1 darf nicht durch Vereinbarungen zum Nachteil des Handelsvertreters abgewichen werden.“

Das slowakische Gericht bat den EuGH nun folgende Fragen zu klären:

1. Ist die Wendung „der Vertrag zwischen dem Dritten und dem Unternehmen nicht ausgeführt wird“ in Artikel 11 der Richtlinie 86/653 dahin auszulegen, dass darunter:

a) die vollständige Nichtausführung des Vertrags, also dass weder der Unternehmer noch der Dritte die im Vertrag vorgesehenen Leistungen, auch nicht teilweise, erbringen, oder

b) auch die teilweise Nichtausführung des Vertrags, also dass beispielsweise der vorgesehene Geschäftsumfang nicht erreicht wird oder der Vertrag gegebenenfalls eine kürzere als die vorgesehene Laufzeit hat,

zu verstehen ist?

2. Sofern die Auslegung nach Buchstabe b der Frage Nummer 1 richtig ist, ist Artikel 11 Absatz 2 der Richtlinie 86/653 dahin auszulegen, dass eine Klausel des Handelsvertretervertrags, wonach der Vertreter zur anteiligen Rückzahlung seiner Provision verpflichtet ist, wenn der Vertrag zwischen dem Unternehmer und dem Dritten nicht in dem vorgesehenen Umfang beziehungsweise nicht in dem im Handelsvertretervertrag festgelegten Umfang ausgeführt wird, keine Abweichung zum Nachteil des Vertreters darstellt?

3. Sind in Fällen wie denen des Ausgangsrechtsstreits bei der Beurteilung des „Vertretenmüssens des Unternehmers“ im Sinne von Artikel 11 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 86/653

a) nur die rechtlichen Umstände zu prüfen, die unmittelbar zur Beendigung des Vertrags führen (beispielsweise, dass der Vertrag wegen Nichterfüllung der vertraglichen Verpflichtungen durch den Dritten beendet worden ist), oder

b) ist auch zu prüfen, ob diese rechtlichen Umstände nicht eine Folge des Verhaltens des Unternehmers in der Rechtsbeziehung mit dem Dritten sind, die zu einem Vertrauensverlust des Dritten in den Unternehmer geführt und folglich den Dritten veranlasst haben, seine Pflichten aus dem Vertrag mit dem Unternehmer zu verletzen?

Die Ergo ist übrigens der Ansicht, dass die Richtlinie 86/653 hier nicht anwendbar sei. Der Grund: Der Vertrag, der hier zugrunde liegt, sei kein Handelsvertretervertrag, sondern ein Vermittlungsvertrag.

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