Mitglieder der Fokusgruppe private Altersvorsorge © Bundesministerium der Finanzen / Photothek
  • Von Lorenz Klein
  • 18.07.2023 um 14:33
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Die Fokusgruppe zur privaten Altersvorsorge hat geliefert – und die Vermittlerverbände scheinen sich nicht ganz einig zu sein, wie sie die Ergebnisse finden sollen. Die Reaktionen schwanken zwischen „mehr als zu erwarten war“ und „eher enttäuschend“. Pfefferminzia hat die Stimmen von Aba, AfW, BVK und Votum zusammengetragen.

Das Warten hat ein Ende: Seit Dienstag liegen die Reformvorschläge der Fokusgruppe private Altersvorsorge offiziell auf dem Tisch (wir berichteten). Das Bundesministerium der Finanzen (BMF), das die Expertenrunde Ende 2022 ins Leben gerufen hatte, spricht von einem „Meilenstein“.

Doch sehen das die Vermittlerverbände auch so? Das BMF hatte zwar den Versicherungsverband GDV in die Fokusgruppe eingeladen, die Vermittlerbranche war jedoch von den mehrmonatigen Beratungen ausgeschlossen. Insofern dürften sich die Erwartungen bei den großen Vermittlerverbänden AfW, BVK und Votum in Grenzen gehalten haben. Doch, oh Wunder, das Echo der Branche lässt sich mit einem „positiv überrascht“ recht gut zusammenfassen.

Wie insbesondere die Vermittlerschaft, aber auch andere Interessengruppen, die Ergebnisse der Fokusgruppe konkret einschätzen, hat Pfefferminzia nachfolgend zusammengetragen.

Das Stimmungsbild ist alphabetisch sortiert nach Absender, daher beginnen wir mit der Reaktion der aba – Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung:

aba – Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung

Die Empfehlungen der Fokusgruppe private Altersversorgung seien zu begrüßen, teilte die aba mit. „Die aba begrüßt es sehr, dass sich eine deutliche Mehrheit der Fokusgruppe private Altersvorsorge gegen einen öffentlich verantworteten Altersvorsorgefonds entschieden hat“, erklärte Georg Thurnes, Vorsitzender der aba Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung in Berlin.

„Eine solide gesetzliche Rente, eine entsprechend unseren Vorschlägen gestärkte betriebliche Altersversorgung und die vorgeschlagene Weiterentwicklung der privaten Vorsorge reichen aus, um die Altersversorgung in Deutschland zukunftsfest zu machen“, unterstrich Thurnes. Daneben bestünde kein Bedarf für einen öffentlich verantworteten Altersvorsorgefonds.

Und weiter: „Es ist gut, dass der Bericht sich nicht allein auf die private Vorsorge konzentriert. Die Empfehlung, die Geringverdienerförderung in der betrieblichen Altersversorgung auszubauen, deckt sich mit Ergebnissen des Fachdialogs zur Stärkung der Betriebsrenten, den das BMAS gemeinsam mit dem BMF durchgeführt hat. Damit kann die betriebliche Altersversorgung gerade bei den Niedrigverdienern einen weiteren großen Schub erhalten“, betonte Thurnes.

Auch die Empfehlung bestimmte Formen der Förderung für die private Vorsorge auch für die betriebliche Altersversorgung nutzen zu können sei richtig. Die Erfahrungen habe man bereits im Bereich der Riester-Rente gemacht, denn rund 10 Prozent aller Riester-Renten würden als Betriebsrente organisiert.

Doch die aba übt auch Kritik: „Die diskutierte Verwendung eines Altersvorsorgevermögens zum Erwerb von Entgeltpunkten in der gesetzlichen Rentenversicherung halten wir hingegen für äußerst bedenklich. Potenziell würde damit eine zusätzliche Belastung der Versichertengemeinschaft resultieren. Hier sollte nochmals kritisch geprüft werden“, fordert Thurnes.

Bedauerlich sei zudem, dass sich die Fokusgruppe nicht deutlicher für eine Absicherung des Langlebigkeitsrisikos durch Altersvorsorgeprodukte ausgesprochen habe. „Menschen leben durchschnittlich deutlich länger als sie vermuten und sie verfügen über zu wenig Finanzwissen, um angesammeltes Kapital in eine lebenslange Leistung umzuwandeln. Deshalb brauchen wir nicht mehr Vermögensbildung, sondern mehr lebenslange Leistungen“, fordert Thurnes. „Das gilt im Übrigen auch für den derzeit geplanten Ausbau der Mitarbeiterkapitalbeteiligung. Versorgungstechnisch ist das keine gute Idee, denn dies führt zu einer Risikokonzentration von Arbeitsplatz- und Altersvorsorgerisiko.“

AfW – Bundesverband Finanzdienstleistung

Der AfW begrüßt die Ergebnisse der Fokusgruppe Altersvorsorge. „Was hier vorliegt, ist mehr als zu erwarten war!“, kommentierte der geschäftsführende Vorstand des Bundesverband Finanzdienstleistung AfW, Norman Wirth. „Riester soll endlich reformiert werden und man verabschiedet sich von der problematischen Idee eines Staatsfonds beziehungsweise eines öffentlich verantworteten Vorsorgefonds in der privaten Altersvorsorge.“

Nach einer ersten Durchsicht des Berichtes begrüßt der AfW folgende weitere Punkte:

„Bei Riester sind die Vorschläge überzeugend: die Garantien sollen fallen, es soll keine Verrentungspflicht mehr bestehen und eine Auszahlung soll zum Beispiel auch für die selbstgenutzte Immobilie verwendet werden können, sei es zur Sanierung, zum altersgerechten Umbau oder zur Tilgung einer Immobilienfinanzierung.“

Laut AfW scheint sich die Erkenntnis durchgesetzt zu haben, dass risikoorientierter, offensiver vorgegangen werden muss, „da ansonsten keine Chance besteht, die Altersvorsorgelücke zu schließen“. Der klare Blick auf Großbritannien und die Vereinigten Staaten deuteten eine Zeitenwende an.

Doch der AfW übt auch Kritik: „Man will sich von der Pflicht zur Leibrente verabschieden, was sicherlich ein noch zu diskutierender Punkt sein wird, wie auch das Minderheitsvotum des GDV hierzu zeigt.“ Der Vorschlag eines Altersvorsorgedepots, in dessen Rahmen Fonds, aber auch in andere geeignete realwertorientierte Anlageklassen investiert werden könnten, wäre hingegen „eine zukunftsfähige Neuerung“ aus Sicht des AfW.

Und auch darüber jubelt der Verband: „Das beim Thema der geringen Kosten einmal nicht die Vermittlervergütung prominent platziert wird, sondern vielmehr zur Senkung der Kosten Produkt- und Bürokratieanforderungen vereinfacht werden sollen“, begrüße man ausdrücklich.

Es bleibe abzuwarten, was von den Vorschlägen der Fokusgruppe letztlich den Weg in ein Gesetzgebungsverfahren finden werde. „Die Uhr tickt. Reformen sind überfällig. Der AfW wird den Prozess weiter konstruktiv begleiten“, so Wirth abschließend.

Seite 2: BVK findet Ergebnisse „eher enttäuschend“, Votum spricht von einem „ersten Meilenstein“

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Lorenz Klein

Lorenz Klein gehörte dem Pfefferminzia-Team seit 2016 an, seit 2019 war er stellvertretender Chefredakteur bei Pfefferminzia. Im Oktober 2023 hat Klein das Unternehmen verlassen, um sich neuen Aufgaben in der Versicherungsbranche zu widmen.

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