Sprachen mit Pfefferminzia über die Zukunft der Krankenversicherung (v. l.): Frank Girolstein, R+V Krankenversicherung, Kabil Azizi, Gothaer, und Pedro Chica Sanchez, Signal Iduna. © Freepik.com, Florian Sonntag
  • Von Karen Schmidt
  • 21.10.2021 um 14:00
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Prävention wird in der Krankenversicherung in Zukunft immer wichtiger werden. Entsprechende Service-Angebote gibt es bereits, nur wissen die Kunden davon oft nichts. Hier spielt der Makler eine wichtige Rolle, sagen Branchenexperten.

Pfefferminzia: Die gesetzliche Krankenversicherung rechnet unter anderem wegen der Corona-Pandemie im kommenden Jahr mit einer deut­lichen Anhebung der Zusatzbeiträge – wenn der Staat nicht noch mittels Steuerzuschuss interveniert. Drohen auch in der PKV demnächst deutliche Beitragssteigerungen?

Pedro Chica Sanchez, Marktmanager Krankenversicherung, Signal Iduna: Wir als Signal Iduna konnten keine außergewöhnlichen Belastungen durch die Corona-Pandemie verzeichnen. Im Gegenteil, wir haben weniger Ausgaben im stationären Bereich, weil coronabedingt viele Operationen verschoben wurden und werden. Sicherlich werden diese OPs – oder ein Großteil davon – irgendwann nachgeholt. Aber das bewegt sich im normalen Bereich. Übrigens: Wenn man sich mal vor Augen führt, was an Kurzarbeitergeld und Ähnlichem gezahlt worden ist aus der GKV-Leistung heraus und wie viel dabei über Steuermittel quersubventioniert wird, dann kann man getrost sagen, dass die Erhöhung der GKV-Beiträge von der PKV über die Steuern mitfinanziert wird.

Frank Girolstein, Leiter KV Kompetenzcenter, R+V Krankenversicherung: In der privaten Krankenversicherung dürfen nur dauerhafte Effekte in der Kalkulation berücksichtigt werden. Und deswegen ist es jetzt noch viel zu früh, um beurteilen zu können, ob die Pandemie solche Effekte auf die PKV haben wird. Wirft man einen Blick auf die gesetzlichen Krankenversicherungen, zeigt sich folgender Sachverhalt: Die GKV ist umlagefinanziert und erhebt keine kostendeckenden Beiträge. Defizite in der Finanzierung werden bereits seit mehreren Jahren durch Steuerzuschüsse ausgeglichen. Alternativ können auch die Zusatzbeiträge angehoben werden, was allerdings angesichts der Bundestagswahl in diesem Jahr nicht mehr zu erwarten ist. Hier wird dann die Pandemie gerne als Argument vorgeschoben. Aber sie ist nicht der tatsächliche Grund für die finanzielle Situation.

Kabil Azizi, National Category Manager Gesundheit, Gothaer: In der PKV gibt es, anders als in der gesetzlichen Krankenversicherung, kein Solidarsystem. Die Beiträge wie auch die Leistungen werden individualvertraglich vereinbart und auch individuell im Kollektiv kalkuliert. Auch wir gehen davon aus, dass es in der PKV demnächst nicht zu deutlichen Beitragssteigerungen kommen wird. Denn es ist nicht abschätzbar, wie sich die Corona-Pandemie auswirkt. Im Jahr 2020 sind die Gesundheitsausgaben in Deutschland auf 425 Milliarden gestiegen – das ist mit Abstand der größte Markt noch vor der deutschen Automobilindustrie mit lediglich 378 Milliarden. Von den 425 Milliarden entfallen gute 58 Prozent auf die GKV und nur 8 Prozent auf die Ausgaben der privaten Krankenversicherer. Das ist eine ziemlich große Spanne. Wie hoch hier der coronaspezifische Anteil ist, ist bislang sehr schwer zu ermitteln, weil detaillierte Zahlen noch nicht vorliegen.

Kommen wir mal vom Preis weg hin zu den Leistungen. Man sieht aktuell am Markt, dass die meisten Tarife in der PKV darauf ausgerichtet sind, Krankheiten zu behandeln. Aber im Interesse vieler Kunden liegt es ja eher, überhaupt nicht krank zu werden. Inwiefern wird vor diesem Hintergrund die Prävention künftig eine größere Rolle spielen?

Girolstein: Wir leben in einem Land mit einer älter werdenden Gesellschaft und einer hohen Nachfrage nach medizinischen Dienstleistungen. Das muss kompensiert werden. Und die zunehmende Digitalisierung im Gesundheitswesen mit Telemedizin, elektronischer Patientenakte und mehr bietet dazu eine hervorragende Möglichkeit. Der Prävention von Krankheiten, also ihre Vermeidung, eine bessere Früherkennung und eine bessere  Verzahnung mit Rehabilitation, wird eine immer größere Bedeutung zukommen. Das wird Folgekosten minimieren helfen. Ein ganz spannendes Thema also, das wir noch viel, viel stärker in den Fokus stellen müssen.

Azizi: Da stimme ich zu. Schauen wir uns einfach mal an, wie heutzutage die Kontaktaufnahme zu bestehenden Kunden funktioniert. Es gibt im Grunde genommen zwei Kontaktpunkte pro Jahr. Der erste ist das Schreiben zur Beitragsanpassung. Der zweite ist, wenn Leistungen erstattet werden. Das ist sehr reaktiv. Die digitale Welt bietet sehr schöne Möglichkeiten, präventiv mit dem Kunden zu interagieren. Nehmen wir die elektronische Patientenakte, die Herr Girolstein bereits ansprach. Da sehen wir als Krankenversicherer: Der Kunde hat Krankheitsbild A und nimmt dafür Medikament A. Er hat aber auch Krankheitsbild B und bekommt dafür Medikament B. Von diesen Daten wissen aber teilweise die behandelnden Ärzte nichts. Wir als Krankenversicherer aber schon und können so die Behandlungen besser aufeinander abstimmen oder Wechselwirkungen der Medikamente untereinander verhindern helfen.

Sanchez: Auf Tarifebene gibt es schon viele Features, die die Prävention fördern sollen – Gesundheitsboni, Vorsorgegutscheine oder Ähnliches. Der PKV-Verband überarbeitet derzeit auch bereits die Musterbedingungen in Richtung Einbeziehung digitaler Gesundheitsanwendungen – sodass der Kunde in der Folge eine entsprechende rechtliche Grundlage hat. Wobei wir – und andere Versicherer bestimmt auch – darüber hinausgehen werden. Was ich aber ärgerlich finde: Wir boten in einem unserer Tarife die Leistung an, dass ein Kunde, der ins Fitness-Studio geht, sich das von uns fördern lassen kann. Das hat die Aufsichtsbehörde Bafin untersagt – wir mussten diese Leistung also wieder einstellen.

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Karen Schmidt

Karen Schmidt ist seit Gründung von Pfefferminzia im Jahr 2013 Chefredakteurin des Mediums.

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