Brot – gesund oder Dickmacher? © Pixabay
  • Von Joachim Haid
  • 30.07.2019 um 09:57
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Im vorletzten Teil unserer sechsteiligen Reihe zum Thema Ernährungsmythen betrachten wir das Thema Getreide. Ist glutenfrei nur ein Hype? Ist Vollkorn wirklich gesünder? Helfen Ballaststoffe beim Abnehmen und macht Weizen wirklich dick und krank? Hier gibt’s die Antworten.

Spätestens seit dem Spiegel-Bestseller „Weizenwampe – Warum Weizen dick und krank macht“ von William Davis wird intensiv über Weizen und Getreide diskutiert. Der amerikanische Präventionsmediziner und Kardiologe warnt in seinem Buch vor übermäßigem Weizenverzehr. Er sieht in ihm die Ursache für die weltweite Adipositas-Epidemie und einen Auslöser vieler heutiger Zivilisationskrankheiten. Kritiker halten entgegen, Davis würde dies zu einseitig darstellen und die gesundheitlichen Vorteile von Vollkorn außer Acht lassen. Der Verzicht auf Getreide und andere schnelle Kohlenhydrate wie Kartoffeln und Reis würden zu einer einseitigen, nährstoffarmen Ernährung führen.

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Was ist eigentlich Gluten?

Aber beginnen wir am Anfang. In immer mehr Supermärkten gibt es glutenfreie Produkte. Ganze Regale widmen sich mittlerweile diesem Thema. Grund genug, einmal zu klären, was Gluten eigentlich ist und weshalb immer mehr Menschen versuchen, es zu vermeiden.

Gluten ist ein Eiweiß, das in Verbindung mit Wasser eine klebrige Konsistenz entwickelt. Daher auch die Bezeichnung Klebereiweiß. Für die Backfähigkeit ist die Menge des enthaltenen Glutens von besonderer Bedeutung. Je mehr Gluten enthalten ist, desto dehnfähiger ist der Teig, desto mehr kann er Gase halten und der Teig damit gut aufgehen. Auch deshalb wurden in den vergangenen Jahrzehnten gerade Weizensorten gezüchtet, die deutlich mehr Gluten enthalten als alte Sorten.

Gluten selbst lässt sich in zwei Hauptgruppen einteilen. Die Gliadine und die Glutenine. Vom Weizen, den unsere Eltern und Großeltern noch vor 50, 60 Jahren verzehrt haben, unterscheidet sich der heutige Zuchtweizen deutlich. Er ist nur etwa halb so groß. Er kann damit deutlich größere Ähren mit mehr Korn tragen. Deshalb ist er deutlich ertragreicher. Damit unterscheidet er sich auch von seiner Urform Emmer und Urkorn.

Wer über einen gesunden Darm verfügt, für den ist Gluten in Maßen unproblematisch. Heute ist jedoch in geschätzt 80 Prozent aller industriell gefertigter Produkte Weizen beziehungsweise Gluten enthalten. Bereits bei den Beiträgen zu Obst und Gemüse sind wir auf Antinährstoffe zu sprechen gekommen. Gluten gehört hier mit dazu und ist neben Weizen auch in Dinkel, Gerste, Roggen, Grünkern, Emmer, Einkorn und Kamut enthalten. Die Pflanzen setzen es zur Abwehr von Fressfeinden ein. Während der Mensch jedoch Obst und Gemüse seit Hunderttausenden von Jahren verzehrt, steht Getreide regelmäßig erst seit rund 12.000 Jahren auf seiner Speisekarte. Aus evolutionärer Sicht ist das ein Wimpernschlag.

Unverträglichkeit und Zöliakie

Genau hier liegt die Herausforderung für immer mehr Menschen. Da der Glutengehalt gerade im Zuchtweizen stark erhöht wurde und dieses Eiweiß in immer mehr industriell gefertigten Produkten enthalten ist, wird unsere Verdauungssystem vom Frühstück über das Mittagessen und Zwischenmahlzeiten bis hin zum Abendessen fast ständig mit diesem Antinährstoff konfrontiert. Das kann die Darmwand schädigen und zum Leaky-Gut, dem löchrigen Darm, führen.

Dieser kann entstehen, wenn die Darmzellen mit Gluten in Verbindung kommen. Dann wird Zonulin ausgeschüttet. Das ist ein Eiweiß, welches die Verbindungen zwischen unseren Darmzellen, den sogenannten Tight Junctions, öffnet. Sind diese nahezu ständig geöffnet, spricht man vom Leaky-Gut. Jetzt können unverdaute Nahrungsbestandteile, darunter auch Gluten, ins Blut gelangen. Das alarmiert das Immunsystem, welches nun permanent damit beschäftigt ist, die Eindringlinge abzuwehren. Besteht der Zustand längere Zeit, entstehen stille Entzündungen, die das Immunsystem noch aktiver werden lassen.

Ein überaktives Immunsystem kann zu Allergien wie Heuschnupfen und Asthma führen. Gelangen Nahrungsbestandteile durch die löchrige Darmwand, die Ähnlichkeiten mit den molekularen Strukturen eigener Organe haben, kann das Immunsystem nicht mehr richtig zwischen Freund und Feind unterscheiden. So können die eigenen Organe, zum Beispiel die Schilddrüse, angegriffen werden. Das beeinträchtigt deren Funktion, wieder entstehen Entzündungen wie beispielsweise die Hashimoto Thyreoiditis, eine Autoimmunerkrankung der Schilddrüse.

Gluten kann also nicht nur den rund ein bis zwei Prozent der Bevölkerung Probleme bereiten, die unter der echten Glutenallergie, der Zöliakie, leiden. Es gibt immer mehr glutensensitive Menschen, die zum Beispiel auf bestimmte Getreidearten mit Blähungen reagieren. Die nächste Stufe ist die Glutenunverträglichkeit. Mögliche Symptome sind hier Bauchschmerzen, Durchfall oder Verstopfung, aber auch Hautentzündungen, Kopfschmerzen, Migräne oder ständige Müdigkeit.

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Joachim Haid

Joachim Haid ist Gründer des Gesundheitsprogramms PaleoMental®, zudem Gesundheitscoach und Heilpraktiker in Ausbildung.

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