Der Einfluss der Corona-Pandemie auf den Online-Vertrieb war laut Bafin gering. Es konnte keine signifikante Steigerung von neu abgeschlossenen Online-Verträgen von 2019 bis 2021 festgestellt werden. © picture alliance/dpa | Jonas Walzberg
  • Von Lorenz Klein
  • 05.05.2023 um 14:45
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Bei den meisten Versicherern können Verträge mittlerweile online abgeschlossen werden – doch nicht immer geht es dabei regelkonform zu, wie die Finanzaufsicht Bafin bemängelt. So können Kunden bei einigen Anbietern nur dann online abschließen, wenn sie explizit auf eine Beratung verzichten. Und das ist nicht erlaubt, wie die Bafin betont.

Die Finanzaufsicht Bafin hat sich den Online-Vertrieb der 308 in Deutschland ansässigen Versicherer einmal näher angeschaut – und dabei einige Regelverstöße aufgedeckt. Die Aufseher stehen nach eigenen Angaben mit 20 Versicherern in Kontakt, bei denen sie Auffälligkeiten oder gar Missstände im Online-Vertrieb festgestellt haben. Man fordere die Gesellschaften dazu auf, die festgestellten Missstände zu beseitigen – und werde dies auch nachhalten, wie die Bafin im aktuellen „Bafin-Journal“ mitteilte.

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Das ist wichtig im Online-Vertrieb

Zu den beklagten Missständen im Online-Vertrieb gehöre, dass sich die Versicherer nicht immer an die Vorgaben des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) hielten. So ergab die Marktuntersuchung, dass einzelne Versicherer von ihrem Kunden explizit verlangten, auf eine Beratung zu verzichten, damit sie einen Online-Abschluss überhaupt durchführen können. Das widerspricht aber dem gesetzlichen Grundsatz, dass Kunden immer auch die Möglichkeit bekommen sollen, sich vor dem Online-Abschluss digital beraten zu lassen.  

Konkret ergibt sich diese Vorgabe aus Paragraf 6 Absatz 1 Satz 1 VVG („Beratung des Versicherungsnehmers“). Darin heißt es:

Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags zu dokumentieren.“

Im Klartext: Der Versicherer muss immer erfassen, ob es für den Kunden einen Beratungsanlass gibt. Ein Beratungsanlass kann laut Bafin beispielsweise aus der persönlichen Situation oder dem Bedarf des Verbrauchers erwachsen. Auch die Komplexität eines Versicherungsproduktes kann einen Beratungsanlass darstellen. Verbrauchern sei „in den genannten Fällen die gesetzlich erforderliche Beratung versagt“, monieren die Aufseher.

Auch der Verweis auf ein telefonisches oder persönliches Gespräch („hybrider Vertrieb“) helfe dann nicht wirklich weiter und würde viele Menschen trotzdem zu einem Beratungsverzicht verleiten, mutmaßt die Bafin. Denn weil sie sich ja ganz bewusst für einen Online-Vertrieb entschieden haben, dürften sie in der Regel einen möglichst schnellen Abschluss anstreben – und insofern wenig Lust verspüren auf eine persönliche Beratung. Daher müssten diese Verbraucher aus Sicht der Bafin, „die Möglichkeit einer Online-Beratung haben, wenn ein Beratungsanlass besteht“.

Nicht immer wird der Kunde nach bereits bestehenden Deckungen gefragt

Manche Anbieter scheint es auch nicht zu kümmern, wenn Kunden für bestimmte Risiken bereits Versicherungen haben. So hätten einzelne Anbieter gegenüber der Aufsicht erklärt, dass sie Verbraucher beim digitalen Antragsprozess nicht danach fragen, ob das Risiko nicht bereits durch eine andere Versicherung abgedeckt ist. Diese sehe die Bafin kritisch, hieß es, weil es für Verbraucher zum Beispiel keinen Sinn ergebe, „eine weitere Reiseversicherung abzuschließen, wenn bereits eine mit ausreichender Deckung vorhanden ist“.

Und: Einige der befragten Versicherer räumen ihren Kunden für Kündigungen nicht die vorgeschriebene verbraucherfreundliche Textform ein.

Man erwarte, dass die Versicherungsunternehmen die gesetzlichen Vorgaben auch beim Online-Vertrieb einhalten, stellte die Bafin klar. „Es gelten hierbei weitgehend die gleichen Regeln wie für die anderen Vertriebswege. Bei keinem der angebotenen Vertriebswege toleriert die Bafin, dass Regeln nicht eingehalten werden“, so die unmissverständliche Ansage der Aufseher.

Für ihre Marktuntersuchung zum Online-Vertrieb hatte die Bafin 308 Erstversicherer mit Sitz in Deutschland befragt. Betrachtet wurden die Jahre 2019 bis 2021 und die Planungen der Unternehmen für das Jahr 2022. Rund 70 Prozent der befragten Versicherer gaben laut Bafin in der Befragung an, den Online-Vertrieb neben anderen Vertriebswegen oder ausschließlich anzubieten. Der Anteil der Unternehmen, die keinen Online-Vertrieb anbieten, war demnach bei den Lebensversicherungsunternehmen am höchsten. Grund hierfür sei nach Angaben einiger Versicherer die hohe Beratungsintensität in diesem Bereich.

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Lorenz Klein

Lorenz Klein gehörte dem Pfefferminzia-Team seit 2016 an, seit 2019 war er stellvertretender Chefredakteur bei Pfefferminzia. Im Oktober 2023 hat Klein das Unternehmen verlassen, um sich neuen Aufgaben in der Versicherungsbranche zu widmen.

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