Der Blick auf den Stromzähler bereitet immer mehr Menschen Sorgen. © picture alliance / Zoonar | Stockfotos-MG
  • Von Achim Nixdorf
  • 21.01.2022 um 12:59
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Nach der Pleitewelle auf dem Energiemarkt müssen Verbraucher, die dadurch in die Grundversorgung gerutscht sind, zum Teil deutlich höhere Preise als Bestandskunden zahlen. Verbraucherschützer halten das für rechtswidrig und fordern den Staat zum Handeln auf. Strom- und Gaskunden dürften nicht die Zeche für Marktversagen zahlen.

Die massiv gestiegenen Preise für Strom und Gas haben in den vergangenen Wochen für erhebliche Turbulenzen auf dem Energiemarkt gesorgt: Billiganbieter wie Stromio oder Gas.de stellten von heute auf morgen die Lieferung ein, hunderttausende betroffene Haushalte fielen damit in die teure Ersatz- beziehungsweise Grundversorgung zurück (wir berichteten). Und dort müssen sie zum Teil noch deutlich höhere Preise als Bestandskunden zahlen. Das zeigt eine aktuelle Untersuchung des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (VZBV), für die die Grundversorgungstarife der 14 bevölkerungsreichsten Städte Deutschlands analysiert wurden.

Bei einigen Grundversorgern müssen Stromkunden demnach nun jährliche Mehrkosten zwischen 889 und 1654 Euro gegenüber den Bestandskunden schultern. Im Gasbereich zeigt sich ein ganz ähnliches Bild. In der Hälfte (Berlin, Köln, Frankfurt/Main, Leipzig, Dortmund, Essen, Dresden) der 14 untersuchten Städte haben die Gasgrundversorger einen separaten Tarif für Neukunden eingeführt. Hier ergeben sich für einen Durchschnittshaushalt (20.000 kWh) für Neukunden Mehrkosten von 1.118 bis 3.802 Euro im Jahr.

Politik soll gegen Missbrauch vorgehen

Der VZBV hält eine Unterscheidung zwischen Neu- und Bestandskunden in der Ersatz- beziehungsweise Grundversorgung grundsätzlich für rechtlich unzulässig. Die Politik sei jetzt aufgefordert, die Tariferhöhungen der Grundversorger zu überprüfen und bei Missbrauch dagegen vorzugehen. „Der Verdacht liegt nahe, dass einige Anbieter ihre Kosten einseitig auf Neukunden abwälzen wollen. Die überhöhten Tarife sind für uns nicht nachvollziehbar“, sagt Thomas Engelke, Leiter des Teams Energie und Bauen beim VZBV.

Pläne, solche Tariferhöhungen durch eine Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes zu legalisieren, lehnt der VZBV ab. Preise in der Grundversorgung dürften nicht unreguliert in die Höhe schnellen. Sollte sich die Bundesregierung doch dazu entscheiden, müssten Schutzmechanismen wie Befristung, Preisdeckelung und eine Begründungspflicht gegenüber den Aufsichtsbehörden eingeführt werden, um Willkür und Wildwuchs auszuschließen.

Wettbewerb wird unterminiert

Ein vermeintliches Gegeneinander von in der Grundversorgung befindlichen Alt- und aus Sonderverträgen hinzukommenden Neukunden ist aus Sicht der Verbraucherschützer auch deshalb schlecht, weil dies die Wechselbereitschaft der Verbraucher weiter herabsetzte und damit einen funktionierenden Wettbewerb auf dem Energiemarkt unterminiere.

Thomas Engelke: „Verbraucher, die den Anbieter wechseln, beleben den Wettbewerb auf dem Energiemarkt. Das führt am Ende zu niedrigeren Preisen für alle. Es wäre falsch, den Ansatz eines liberalisierten Energiemarktes aufzugeben. Verbraucher müssen wechseln können und die Politik muss sicherstellen, dass Anbieter ihre Verpflichtungen erfüllen. Unseriöse Unternehmen sollten schärfer in den Blick genommen werden und erst gar nicht am Markt agieren.“ Es dürfe nicht sein, dass Strom- und Gaskunden die Zeche für Marktversagen zahlten.

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Achim Nixdorf

Achim Nixdorf ist seit April 2019 Content- und Projekt-Manager bei Pfefferminzia. Davor arbeitete er als Tageszeitungs- und Zeitschriftenredakteur mit dem Fokus auf Verbraucher- und Ratgeberthemen.

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