Die Teilnehmer des Roundtables (v. r. n. l.): Jürgen Rurak, Vigo Krankenversicherung; Karsten Junghans, Vivacus Care; Gerhard Schuhmacher, Caritas-Sozialstation St. Johannes: Norbert Lamers, Perspectivum; Rudolf Bönsch, Münchener Verein; Karen Schmidt und Matthias Heß, beide Pfefferminzia; und Jens Willwand, Inter. © Jens Hannewald
  • Von Redaktion
  • 26.03.2019 um 11:33
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Das Thema Absicherung für den Pflegefall geht jeden an, werden in den kommenden 15 Jahren doch schätzungsweise 9 Millionen Menschen pflegebedürftig werden. Mit der Beratung zum Thema hapert es heute aber noch, stellen die Experten unseres Roundtables fest.

Zum Thema Pflege muss also noch viel aufgeklärt werden. Wie sieht hier die Beratung aktuell aus?

Junghans: Ich habe das mal getestet und mich beraten lassen – mein Vater sei Pflegefall und es gebe ja Pflegeabsicherungen, hätte ich gehört. Was kam dabei raus? Dass ich keine Pflegeversicherung abschließen werde und die Damen und Herren, die mich beraten haben, nicht mehr wiedersehen möchte. Die Beratung war der Vollschlag mit der Keule. Mir wurde gesagt: Wenn du ins Pflegeheim kommst mit Pflegegrad 4 dann musst Du im Durchschnitt 2.500 Euro davon selbst bezahlen. Das Problem daran: Durchschnittswerte funktionieren in der Pflege nicht. Hier gibt es ein föderales System mit extrem unterschiedlichen Kostenblöcken je nach Bundesland. Das geht mit Heimzuzahlungen von etwa 200 Euro in Thüringen los bis hin zu 2.000 Euro in anderen Bundesländern. Wenn man dann einen Mittelwert nimmt, ist das für den einen viel zu wenig und für den anderen viel zu viel. Da würde ich gerne ansetzen: Wir müssen den Vermittlern erklären, wie die Pflegesituation im Einzelfall tatsächlich abläuft – und dann müssen die Versicherer Produkte gestalten, die diese Wirklichkeiten abbilden. Dann lässt sich Pflege auch von ausgebildeten, qualifizierten Vermittlern einfach verkaufen.

Schuhmacher: Wir sind alle als Pflegefall auf die Welt gekommen, und man muss sich mit der Wahrscheinlichkeit befassen, dass man auch als solcher wieder enden wird. Wenn man so etwas im Beratungsgespräch sagt, fangen die Leute an nachzudenken: Da hat er eigentlich Recht. Damit kann man das Thema dann ganz anders anreißen, als wenn man im Gespräch erst über die Kfz-Versicherung, dann über Altersvorsorge spricht, und den Kunden am Ende fragt, ob er denn auch an einer Pflegeversicherung interessiert ist. Das ist zu wenig.

Rurak: Da bin ich absolut bei Ihnen. Es gibt nicht einmal 4 Millionen verkaufte Pflegezusatzversicherungen hierzulande. Da stellt sich ja die Frage, woran das liegt. Zum einen ist das Bewusstsein der Kunden nicht da, darüber haben wir schon gesprochen. Zum anderen spricht der Vermittler das Thema aus Sorge vor der Komplexität erst gar nicht an. Ihr Berater, Herr Junghans, wollte wahrscheinlich über Kfz-Versicherungen sprechen und war auf das Pflegethema überhaupt nicht vorbereitet. Und da gibt es sehr, sehr viele von. Es gibt Makler im Markt, die sind auf das Thema Pflege spezialisiert, die sind erfolgreich damit. Ein Makler, der das nur nebenbei macht, wird keine fundierte Beratung machen können. Weil Pflege sehr individuell ist, da spielen so viele Faktoren mit rein. Ich denke, 90 Prozent der Makler, die sich nicht auf die Beratung zum Thema Pflege spezialisiert haben, sind damit überfordert.

Was ist das konkret für eine Sorge des Vermittlers, Herr Rurak? Was fürchten Makler?

Rurak: Pflege ist zum einen ein sehr negatives besetztes Thema, darüber spricht man einfach nicht gerne. Der Hauptgrund ist aber die Angst des Vermittlers davor, dass der Kunde unter Umständen mehr zum Thema weiß, als der Berater selbst. Dann meiden sie das Thema lieber.

Norbert Lamers, Perspectivum: Das ist ja eigentlich auch kein Wunder. Wenn Sie sich die ganzen Gesprächsmuster, die Beratungsleitfäden oder Analysebögen der Versicherer anschauen, ist das Thema Pflege meist erst ziemlich weit unten angesiedelt. Wir reden von ganzheitlicher Beratung für den Kunden, aber Pflege kommt da nur bedingt vor. Auch in der neuen DIN-Norm fehlt das Thema zum Beispiel, was ich gar nicht nachvollziehen kann, da doch auch Versicherer bei der Konzeption mit am Tisch saßen. Da brauchen wir uns nicht zu wundern, dass die Pflegeberatung oft nicht wirklich etwas taugt.

Bönsch: Was die Macher der DIN-Norm sich nicht verkneifen konnten, war, die Wichtigkeit der Absicherung nach Eintrittswahrscheinlichkeit zu sortieren. Das ist natürlich völliger Blödsinn. Wenn ich danach mein Versicherungsportfolio sortiere, spiele ich Vabanque. Darüber muss man sich im Klaren sein. Die Frage ist nicht, wie groß oder klein ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmter Schadenfall eintritt, sondern, was passiert wenn es mich erwischt. Das ist der Geburtsfehler dieser DIN-Norm. Die Pflege ist dadurch ganz nach hinten gerutscht. Da kommt die Cyberversicherung für den Computer des Kindes noch vor der Pflegeversicherung. Da haben wir uns keinen Gefallen getan.

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