Die Teilnehmer des Roundtables (v. r. n. l.): Jürgen Rurak, Vigo Krankenversicherung; Karsten Junghans, Vivacus Care; Gerhard Schuhmacher, Caritas-Sozialstation St. Johannes: Norbert Lamers, Perspectivum; Rudolf Bönsch, Münchener Verein; Karen Schmidt und Matthias Heß, beide Pfefferminzia; und Jens Willwand, Inter. © Jens Hannewald
  • Von Redaktion
  • 26.03.2019 um 11:33
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Das Thema Absicherung für den Pflegefall geht jeden an, werden in den kommenden 15 Jahren doch schätzungsweise 9 Millionen Menschen pflegebedürftig werden. Mit der Beratung zum Thema hapert es heute aber noch, stellen die Experten unseres Roundtables fest.

Herr Lamers, stoßen Weiterbildungen zur Pflege auf eine rege Nachfrage?

Lamers: Eher weniger. Wir machen es bei Perspectivum schon so, dass wir das Thema überall mit reinnehmen und den Maklern sozusagen unterjubeln. Etwa bei der Weiterbildung zum Generationenberater – da haben wir bewusst einen halben Tag für das Thema Pflege geblockt. Würden wir aber ein Zwei-Tages-Seminar zur Pflegeversicherung anbieten, hätten wir nur wenige Teilnehmer. 

Schuhmacher: Dabei wäre das Potenzial für Makler enorm. Wenn man zum Beispiel in die Betriebe ginge. Viele Personalabteilungen sind mit dem Familienpflegezeitgesetz etwa komplett überfordert. Da hätte man viele Ansatzpunkte als Berater. Oder nehmen Sie die die Pflegedienst-Unternehmergesellschaften – das sind meist Frauen zwischen 45 und 56 Jahren, die mit den Menschen reden, einen Kaffee trinken gehen oder zum Arzt fahren. Diese Dienstleistung wird in den kommenden fünf Jahren deutlich zunehmen. Und die Damen werden dabei immer wieder auf Versicherungen angesprochen, dürfen aber natürlich nicht zum Thema beraten. Hier kann man sich als kompetenter Partner anbieten. Da entsteht im Prinzip ein ganz neuer Markt – Makler müssen sich damit nur mal befassen.

Willwand: Das Potenzial ist enorm, ja. Der Makler redet in der Regel nicht mit den 80-Jährigen, sondern mit 40- bis 50-Jährigen, die vom Gesundheitszustand noch in der Lage sind, das Produkt abzuschließen. Und da ist zum Beispiel auch das Thema Erbschaftssicherung wichtig. Hier kann der Makler eine Sensibilität dafür schaffen, dass Pflegekosten ein Erbe komplett aufzehren können. Oder nehmen Sie eine andere Zielgruppe: Die jungen Leute. Hier kann die Kurzzeitpflege durchaus eine Rolle spielen – etwa dann, wenn der 25-jährige Snowboardfahrer es auf der Piste ein bisschen zu gut meint und sich beide Arme bricht. Was macht er denn dann? Natürlich braucht man dann aber auch entsprechende Produktlösungen, die diese Themen adressieren.

Bönsch: Noch mal ein paar Daten zum Potenzial – wir werden in den nächsten 15 Jahren etwa 9 Millionen Menschen – plus/minus eine Million – neu in das System bekommen. Da hängen, vorsichtig gerechnet, jeweils zwei Angehörige dran, die mittelbar betroffen sind. Das heißt, ich habe ein Potenzial von 18 Millionen Menschen, die mittelbar dieses Problem auf den Tisch bekommen.

Und wie können Berater dieses Problem so ansprechen, dass der Kunde auch etwas tut?

Bönsch: Die Branche wirbt gerne mit der Bedeutung für eine gute Absicherung in den Pflegegraden 4 und 5. 85 Prozent der Pflegefälle landen aber in der ambulanten Pflege und sind im Pflegegrad 1 bis maximal 3. Nehmen wir an, ein Verbraucher ist auf einem Vergleichsportal unterwegs, die empfehlen einen Tagessatz von 50 Euro – unabhängig davon, ob ein Tarif in Pflegegrad 2 noch 20, 30 oder 40 Prozent davon zahlt. Wenn unser Kunde also 600 Euro in Pflegegrad 2 haben will, landet er ganz schnell bei einer monatlichen Prämie von 150 Euro – und dann ist er raus aus der Sache.

Rurak: Da haben Sie völlig Recht, Herr Bönsch. Unsere Aufgabe als Versicherer ist es daher, auch die unteren Pflegegrade vernünftig abzudecken – und nicht von Pflegegrad 5 aus einfach runterzurechnen. Bei unserem Düsseldorfer Pflegegeld können Makler und Kunden die Leistung für jeden Pflegegrad flexibel festlegen. Flexibilität ist ohnehin enorm wichtig bei einem Pflegeprodukt. Die meisten Kunden, die bei uns abschließen, gehören zur Altersgruppe 50plus. Es sind aber auch einige junge Kunden darunter, 30-Jährige etwa. Schließen die einen Vertrag ab, läuft dieser rund 40 bis 50 Jahre. Da muss das Produkt an neue Lebenssituationen anpassbar sein und auch eine vernünftige Dynamik bieten.

Willwand: Hier muss sich die Branche aber auch an die eigene Nase fassen. Denn was machen die meisten? Sie rufen die Vergleichsportale an, und fragen: Wie muss mein Produkt aussehen, damit es in deinem Vergleichsportal ganz weit oben steht. Dahinter steht der Wunsch nach ordentlich Umsatz, aber nicht die Intention, einem Kunden ein möglichst gutes Produkt anzubieten. Unser Ansatz ist da ein ganz anderer. Wir haben das Produkt aus Kundensicht konzipiert. In jedem Pflegegrad können Kunden nach ihrem Risikobewusstsein die gewünschte Leistung festlegen. Dann brauchen Sie noch gute Arbeitsmaterialien für Makler, die das einfach darstellen, wie einen guten Pflegebedarfsrechner.

Junghans: Die Produktauswahl darf aber erst ganz zum Schluss kommen. Vorher muss die Beratung stehen. Ich bin ganz massiv dagegen, dass man mit einfachen Formularen oder einfachen Arbeitsmaterialien versucht, einen Makler dahin zu bewegen, Pflege zu verkaufen. Das geht schief. Das hängt damit zusammen, dass die Pflegesituation nicht nur in den Bundesländern, sondern auch in den Familien so individuell ist, dass Sie hier keine pauschale Lösung finden. Daher ist der Ansatz mit variablen Produkten absolut empfehlenswert und toll. Je flexibler Sie die Produkte in der Versicherungswirtschaft gestalten, umso einfacher wird der Verkauf werden. Wenn, und das ist das Kernproblem, vornedran eine echte Bedarfsanalyse stattfindet. Um die machen zu können, brauche ich Qualifizierung und Ausbildung. Ich muss die Sozialgesetzbücher kennen, ich muss wissen, welche Leistungsansprüche ein Kunde in welcher Situation hat und wie das in seinem Bundesland geregelt ist, damit ich ihm seine tatsächliche Lücke ausrechnen kann. Um dann mit hochflexiblen Produkten genau für diese Situation eine Lösung zu finden. Es zählt also Ausbildung, Ausbildung, Ausbildung. Viele Vermittler haben sich das Beraten aber abgewöhnt, finde ich.

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