Stephan Busch (links) und Tim Schreitmüller (rechts) von CoachMeNetto interviewen Menschen aus der Branche zum Thema Honorarberatung. Dieses Mal: Rechtsanwalt Norman Wirth. © CoachMeNetto/Wirth Rechtsanwälte
  • Von Redaktion
  • 18.08.2022 um 15:47
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Für die Interview-Reihe „Mit Vision – Über die Lage der Honorarberatung“ luden Stephan Busch und Tim Schreitmüller dieses Mal Norman Wirth zum Gespräch. Der Rechtsanwalt geht unter anderem darauf ein, wie die Branche sich zukunftsfähiger aufstellen könnte, wie die Umstellung auf die Honorarberatung gelingen kann und welche Diskussion er für kontraproduktiv hält.

Der Megatrend Nachhaltigkeit ist nun auch in unserer Branche angekommen. Welche Synergien siehst du zwischen den Themen Nachhaltigkeit in allen Dimensionen und der professionellen Honorarberatung?

Eine sehr gute Frage. Ich habe mir darüber tatsächlich noch keine Gedanken gemacht. Ich glaube aber, dass gerade die Honorarvermittlung hier noch mehr als die klassische Provisionsberatung in den Kinderschuhen steckt. Die Produktgeber konzentrieren sich aktuell intensiv auf klassische Courtageprodukte und die Nettoprodukte folgen dann sicherlich erst sukzessive.

Es bräuchte meinetwegen sogar eine Pflicht, zu jedem ‚Brutto‘-Produkt auch ein Nettoprodukt bereitzustellen.

Liefert das sogenannte Mischmodell in der Honorarberatung, bei dem der Kunde oder die Kundin aussuchen kann, welche Vergütung er oder sie bei einem bestimmten Thema haben möchte, am Ende des Tages weder den Maklern noch den Verbrauchern nachhaltig einen Mehrwert?

Richtig umgesetzt und transportiert sehe ich gerade darin die Zukunft.

Was muss den Maklern bereitgestellt werden, um nicht nur von der Honorarberatung zu träumen, sondern sie zu leben?

Eine Klarstellung in der Gewerbeordnung wird gebraucht sowie ein Verschmelzen der zwei Berufsbilder Versicherungsmakler und Versicherungsberater. Der Unterschied ist aktuell nur noch extrem gering und eigentlich nur theoretisch vorhanden. Makler dürfen gegenüber Geschäftskunden reine Versicherungsberatung erbringen. Versicherungsberater wiederum dürfen seit der IDD-Umsetzung auch vermitteln, sogar Bruttotarife. Wenn ich Honorarberatung und Honorarvermittlung betrachte, sage ich: Es bräuchte viel mehr Nettoprodukte. Vergleichbare, transparente Nettoprodukte, meinetwegen sogar eine Pflicht in Richtung der Produktgeber, zu jedem „Brutto“-Produkt auch ein Nettoprodukt bereitzustellen.

Mal ehrlich: Kommt es, wenn es um die Zufriedenheit von Verbraucherinnen und Verbrauchern geht, wirklich auf die Vergütung an? Worauf achtest du als Kunde von Dienstleistungen?

Ich selbst? Ich möchte, dass mir Schmerz genommen wird. Ich will für mich und meine Familie die Gewissheit haben, gut abgesichert zu sein und mir ansonsten im Privatbereich keine weiteren Gedanken über Versicherungen machen müssen. Dafür bin ich auch bereit zu bezahlen. Das ist wie Unterstützung oder Vorsorge beim Steuerberater, Zahnarzt oder Anwalt abzurufen.

Jede Generation hat eine andere Erwartung an das Leben und an Konsum. Geht die Versicherungsbranche in deinen Augen an dieser Stelle mit und verändert sich spürbar? Oder siehst du Handlungsbedarf?

Unsere Branche ist – ganz pauschal betrachtet – extrem konservativ. „Haben wir schon immer so gemacht“, habe ich schon so oft gehört, es kommt mir aus den Ohren raus. Natürlich muss sich was ändern. Mehr weiblich, mehr jung, mehr digital, mehr mit- statt gegeneinander. Wenn da nicht auch von „oben“ endlich mehr kommt, wird die Branche noch unattraktiver für den Nachwuchs, als sie es jetzt schon ist.

Es muss im eigenen Kopf ‚Klick‘ machen.

Wie gelingt Vermittlern und Beratern die Umstellung auf Honorarberatung? Welchen Weg würdest du empfehlen?

Zuerst muss es natürlich im eigenen Kopf „Klick“ machen. Man sollte sich wirklich seiner eigenen Leistung bewusst sein. Außerdem muss die Scheu überwunden werden, mit den Kunden über Vergütung zu reden. Klingt einfach, ist es aber nicht. Neudeutsch sagt man ja dazu: Mindset. Erst wer selbst vollkommene Klarheit über den Paradigmenwechsel gewonnen hat, kann das auch seinen Kunden transportieren. Es hilft mit Sicherheit, sich hierzu zu belesen, aber vor allem ist es wichtig, sich mit Kolleginnen und Kollegen auszutauschen, die mit der Honorarberatung schon erfolgreich unterwegs sind.

Wann müsste man einem Makler von einer Umstellung eher abraten?

Mir fällt kein Grund ein, weswegen man jemandem davon abraten sollte.

Über den Interviewpartner

Norman Wirth ist Rechtsanwalt. 1998 gründete er die Kanzlei Wirth-Rechtsanwälte, seit 2004 ist er Fachanwalt für Versicherungsrecht. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Versicherungs-, Vertriebs-, Vermittler- sowie Kapitalanlagerecht. Er war bereits mehrfach als Sachverständiger im Deutschen Bundestag und bei einzelnen Bundestagsfraktionen zu Branchenthemen. Zudem ist er Vorstand im Bundesverband Finanzdienstleistung AfW und  Mitglied unter anderem in der Bundesfachkommission Arbeitsmarkt und private Alterssicherung im Wirtschaftsrat Deutschland.

Über die Autoren

Tim Schreitmüller ist digitaler Stratege mit Versicherungs-Know-how von der LV 1871. Stephan Busch ist Versicherungsmakler und Inhaber von Progress Finanzplaner.  Tim und Stephan sind die Köpfe von CoachMeNetto.

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