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  • Von Redaktion
  • 18.11.2013 um 11:45
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lesedauer Lesedauer: ca. 05:15 Min

Seit Bekanntwerden der Infinus-Affäre häufen sich beim Anwaltsbüro von Versicherungsanwalt Norman Wirth Fragen der Vermittler. Er hat die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengestellt.

Ist an den Vorwürfen gegen Infinus und die verhafteten Personen etwas dran?

Norman Wirth: Das wissen wir nicht. Das werden die Ermittlungen bringen. Wir halten die Unschuldsvermutung für ein hohes Gut. Die Frage an sich ist für Sie und Ihre Kunden leider derzeit auch nicht wirklich relevant. Einige Insolvenzanträge sind bereits gestellt. Konten sind eingefroren und das Geschäft ist zum erliegen gekommen. Es ist schwer vorstellbar, dass die Geschäfte wieder normal aufgenommen werden.

Ich habe gehört, das Haftungsdach hat eine eigene Vermögensschadenshaftpflichtversicherung. Greift diese für einen eventuellen Schaden meiner Kunden?

Norman Wirth: Richtig ist, dass die Infinus AG Finanzdienstleistungsinstitut (blaue Infinus) – also das Haftungsdach – nach eigenen Angaben überobligatorisch eine Vermögensschadensversicherung hat. Der Gesetzgeber hat derartiges nicht vorgesehen. Insofern ist es keine Pflichtversicherung und Kunden haben auch keinen direkten Anspruch gegen diese Versicherung (anders als es zum Beispiel bei der Kfz-Haftpflichtversicherung der Fall wäre).

Ebenfalls besteht eine überobligatorische Vermögensschadensversicherung für die tied agents, also die dem Haftungsdach angeschlossenen Vermittler. Hierauf hatte die Infinus stets selbst hingewiesen. Versicherungsnehmer ist nach diesseitiger Kenntnis jeweils die Infinus AG Finanzdienstleistungsinstitut.

Inwieweit die Versicherungen für einen eventuellen Schaden der Kunden einzustehen haben, ist derzeit noch völlig offen. Dies hängt davon ab, ob der Leistungsfall im Sinne der Versicherungsbedingungen vorliegt. Hier wird sicherlich eine Einzelfallprüfung vorgenommen werden. Zudem haben solche Versicherungen in der Regel eine Versicherungssumme, die im Vergleich zu der derzeit ständig kolportierten Schadenshöhe eher äußerst gering ist. Wir gehen von einer Gesamtversicherungssumme für beide Versicherungen von maximal 10 Millionen Euro aus. Achtung: Das ist lediglich unsere eigene Schätzung.

An wen leite ich Schadenersatzforderungen der Anleger gegen mich weiter: An das Haftungsdach? Ist es vielleicht besser, diese direkt dem Versicherer anzuzeigen?

Norman Wirth: Das Haftungsdach ist der richtige Ansprechpartner. Sollte auch die Infinus AG Finanzdienstleistungsinstitut Insolvenz anmelden, wäre dann der Insolvenzverwalter der richtige Ansprechpartner. Wenig Sinn macht es sicherlich, sich direkt an die Versicherung oder den zuständigen Makler zu wenden.

Kann ich mir ein neues Haftungsdach suchen?

Norman Wirth: Solange Sie im Register der Bafin als vertraglich gebundenen Vermittler der Infinus stehen, wird Sie kein anderes Haftungsdach aufnehmen.

Wie komme ich dort raus?

Norman Wirth: Das kann derzeit nur die Infinus veranlassen. Wobei nach unserer Kenntnis ein solcher Fall konkret noch nicht vorlag. Wir würden die Bafin unmittelbar in der Pflicht sehen, wenn Sie Ihre Anbindung an die Infinus wegen der aktuellen Geschehnisse fristlos kündigen und die Infinus AG Finanzdienstleistungsinstitut Ihre Löschung im Register nicht kurzfristig in die Wege leitet.

Kann ich einen 34 f GewO beantragen und dann insofern ungebunden tätig sein?

Norman Wirth: Sie bekommen den 34 f GewO in der Regel nicht, solange Sie im Register der Bafin als vertraglich gebundenen Vermittler der Infinus stehen. Jedenfalls wäre er maximal für die „Schublade“. Eine Eintragung in das Finanzanlagenvermittlerregister, welches vom DIHK geführt wird, erfolgt erst, wenn Sie nicht mehr im Bafin-Register stehen. Insofern verweisen auf unsere Antwort zur vorhergehenden Frage.

Habe ich als gebundener Vermittler der Infinus AG Finanzdienstleistungsinstitut überhaupt etwas zu befürchten? Schließlich heißt es doch “Haftungsdach”?

Norman Wirth: Richtiger Gedanke. Wenn Sie die Vorgaben des Haftungsdachs in Bezug auf Visitenkarten, Dokumentation und sonstigen Außenauftritts korrekt befolgt haben, dürfte die Gefahr sehr gering sein. Das schließt nicht aus, dass gelegentlich Kunden beziehungsweise deren Anwälte versuchen werden, auch Sie (oder nur Sie) in die Haftung zu bekommen. Da spricht dann aber eher für Unkenntnis der konkreten Umstände und Sie können dem in der Regel gelassen entgegen sehen. Aus unserer Erfahrung in solchen Fällen wissen wir, dass – sollte es ernst werden – bei entsprechend fachkundiger Prozessführung in der Regel der Vermittler das Ganze unbeschadet übersteht.

Wir lesen unter anderem aktuell in einem Onlineartikel:

“Laut Rechtsanwalt XY können sich die Vermittler durch das sogenannte Haftungsdach, mit dem Infinus die Vermittler ursprünglich geworben hatte, jedenfalls nicht pauschal ihrer Verantwortung entziehen. „Es ist seit Langem gefestigte Rechtsprechung des BGH, dass Vermittler die von ihnen empfohlene Anlage selbst detailliert überprüfen müssen und sie kein Haftungsdach von dieser Pflicht befreien kann. Verletzt der Anlagevermittler in diesem Zusammenhang seine Aufklärungspflicht, macht er sich gegenüber dem Anleger schadensersatzpflichtig und hat dem Anleger die Zeichnungssumme zuzüglich Agio und Zinsen inklusive der Prozesskosten zu erstatten.“, so Rechtsanwalt XY.” und “Eile ist geboten, betont Rechtsanwalt XY“.

Diese Aussagen sind so nicht richtig und dienen ganz offensichtlich einzig dazu, Mandanten zu finden. Ob diese dann in einen aussichtsreichen Prozess geführt werden oder nur nochmals gutes Geld dem schon gefährdeten Geld hinterher werfen, scheint hier keine Rolle zu spielen.

Brauche ich einen Anwalt?

Norman Wirth: Sie sollten bei Schadenersatzforderung von Kunden oder deren Anwälten definitiv und sofort anwaltlichen Rat einholen. Egal, ob Sie der Infinus AG Finanzdienstleistungsinstitut angeschlossen waren oder Partner der Infinus AG Ihr Kompetenz-Partner (rote Infinus).

Ist das wirklich nötig? Kann ich nicht erst einmal selbst antworten? Ich habe mir doch nichts vorzuwerfen. Und den Kunden kenne ich doch schon lange. Wir haben uns immer gut verstanden.

Norman Wirth: Bei Geld hört die Freundschaft bekanntlich auf. Erst recht häufig auch eine langjährige Kundenbeziehung. Der Kunde hat den entscheidenden Schritt dann doch schon getan: Er oder sein Anwalt fordert Schadenersatz von Ihnen. Das Vertrauensverhältnis ist damit in der Regel unwiderruflich beendet. Mit jedem Statement, was Sie jetzt mündlich oder schriftlich gegenüber Ihren Kunden abgeben, besteht die Gefahr, dass sie sich erst versehentlich in die Haftung begeben (ohne geeigneten Versicherungsschutz).

Infinus hat einen Brief verschickt, den wir an die Kunden schicken können. Was halten Sie davon?

Norman Wirth: Ich sehe darin keinen Fehler.

Muss ich denn meine Kunden überhaupt informieren?

Norman Wirth: Eine gesetzliche Verpflichtung besteht nicht. Mit der Beratung vor Abschluss und der Vermittlung des jeweiligen Finanzanlageproduktes enden Ihre gesetzlichen Pflichten zur Information, Beratung Dokumentation. Wenn Sie in der jetzigen Situation beratend tätig werden, entsteht ein neuer Beratungsvertrag (auch wenn da nichts schriftlich vorliegt), und damit das Risiko, dass Sie sich erst jetzt in wirkliche Probleme bringen.

  • Problem: Sie begeben sich eventuell auf das Gebiet der unerlaubten Rechtsberatung.
  • Problem: Es dürfte äußerst schwierig sein, derzeit überhaupt einen richtigen Rat an die Kunden zu geben. Dafür ist die Situation noch viel zu verworren. Auch wenn Sie – wider Erwarten – einen Dauerbetreuungsvertrag mit dem Kunden haben, endet meiner Meinung nach hier die Betreuungspflicht, da jetzt die Grenze zur unerlaubten Rechtsberatung im Einzelfall überschritten wird.

Wenn nun aber der Kunde nicht locker lässt und von mir eine Stellungnahme will?

Norman Wirth: Verweisen Sie darauf, dass auch Sie nur die frei zugänglichen Informationen haben und kein Jurist sind.

Soll ich meinen Kunden raten, jetzt schnell einen Anwalt zu nehmen?

Norman Wirth: So schwer es fällt ? nicht einmal einen solchen Rat würde ich an Ihrer Stelle erteilen und entsprechend konkret auf eine diesbezügliche Nachfrage der Kunden antworten.

Online ist zum Beispiel derartiges zu lesen:

„Wir raten daher Anlegern dringen dazu, sich der Interessensgemeinschaft … anzuschließen und ihre Rechte rechtzeitig sichern zu lassen“, so Rechtsanwalt XY. Infinus-Anleger müssen also schnell handeln und ihr Recht auf das beschlagnahmte Vermögen geltend machen.”

Anderseits ist schon von Seiten des Insolvenzverwalters Kübler der Fubus zu lesen:

“Bruno Kübler beruhigt die betroffenen Anleger dahingehend, dass ein sogenanntes „Windhundrennen“ zur Sicherung der Ansprüche nicht stattfinden wird. Die Konten aller Firmen der Infinus-Gruppe sind seit der Razzia am Dienstag letzter Woche eingefroren. Bei dem bundesweiten Einsatz wurden auch sechs Gesellschafter und Geschäftsführer der Infinus-Gruppe inhaftiert. So sei es zur Zeit unwahrscheinlich, dass Vermögenswerte bei der Infinus-Gruppe verschwinden können.”

Raten Sie nun also Ihren Kunden ganz schnell zum “Anleger”-Anwalt zu rennen, um an diesem Windhundverfahren teilzunehmen und am Ende kommt nichts dabei heraus – außer Kosten: Wem werden die Kunden Rechnung präsentieren? Raten Sie dagegen Ihren Kunden nicht zum “Anleger”-Anwalt zu rennen und irgendwann ist von den zwei drei Glücklichen zu lesen, die im Rahmen einer Arrestpfändung doch etwas für sich erreichen konnten: Wem werden die Kunden ihren Schaden präsentieren?

Der Insolvenzverwalters Kübler äußerst sich laut einiger Online-Artikel derzeit ergänzend so:

“Die Gläubiger sollen sich laut Kübler zur Zeit keine Sorgen bezüglich der Fristen machen. Es werde dazu rechtzeitig über verschiedene Kanäle Informationen geben. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird jedoch erst in drei Monaten gerechnet. Für die Anleger will Kübler eine Online-Informationsplattform einrichten. Betroffene Anleger werden gebeten, so lange von Einzelanfragen abzusehen.”

Gelegentlich ist von gemeinsamen Veranstaltungen oder Initiativen von Kunden und Vermittlern in solchen Fällen zu hören. Was halten Sie davon?

Norman Wirth: Gar nichts. Im Gegenteil: Unbedingt Vorsicht vor gemeinsamen Aktions- oder Interessengemeinschaften von Anlegern und Vermittlern. Der Interessenskonflikt ist vorprogrammiert!

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