Bernhard Gramlich ist Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht bei der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte. © Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte
  • Von Redaktion
  • 11.08.2020 um 16:22
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Will ein Berufsunfähigkeitsversicherer im Rahmen der Nachprüfung die Leistungen an seinen Kunden einstellen, muss er dabei bestimmte formale Voraussetzungen beachten. Das zeigt ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Köln, über das Rechtsanwalt Bernhard Gramlich von der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte berichtet.

Was ist geschehen?

Der Versicherungsnehmer arbeitete ursprünglich als CNC-Fräser. Aufgrund einer Knieverletzung war er ab August 2010 nicht mehr in der Lage, seinen Beruf auszuüben, weswegen er gegenüber seinem Berufsunfähigkeitsversicherer Leistungen aus seinem Vertrag geltend machte. Der Versicherer erkannte die bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit im Februar 2011 an, zahlte dem Versicherungsnehmer die vertraglich vereinbarte monatliche Rente und stellte ihn von seinen Versicherungsbeiträgen frei.

Im Jahr 2013 machte der Versicherungsnehmer eine Umschulung und war dann ab August 2015 als Groß- und Außenhandelskaufmann beruflich tätig – was er dem Versicherer im Rahmen eines Nachprüfungsverfahren im Jahr 2016 auch mitteilte. Der Versicherer machte von der vertraglich vereinbarten Möglichkeit Gebrauch, den Versicherungsnehmer im Nachprüfungsverfahren auf einen tatsächlich von ihm ausgeübten Beruf zu verweisen, sofern der Versicherungsnehmer aufgrund seiner Ausbildung und Fähigkeiten hierzu in der Lage ist und die ausgeübte Tätigkeit auch der bisherigen Lebensstellung entspricht, und stellte die Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung ein.

Der Versicherungsnehmer klagte gegen die Leistungseinstellung des Versicherers vor dem Landgericht Aachen. Er begründete seine Klage insbesondere damit, dass die Verweisungstätigkeit seiner bisherigen Lebensstellung keineswegs entspreche, da er Gehaltseinbußen im Vergleich zu seiner früheren Tätigkeit als CNC-Fräser habe. Zwar entspreche sein jetziges Gehalt seinem früheren, allerdings würde er jetzt vielmehr verdienen, wenn er immer noch als CNC-Fräser tätig sein könnte.

Dies müsse bei der Frage, ob seine neue berufliche Tätigkeit mit seiner vor Eintritt der Berufsunfähigkeit ausgeübten Tätigkeit vergleichbar sei, berücksichtigt werden. Hilfsweise führte er an, dass die Vertragsklausel, nach der der Versicherer erstmals im Nachprüfungsverfahren die Möglichkeit der konkreten Verweisung habe, überraschend und intransparent und somit unwirksam sei.

Die Entscheidung des Landgerichts Aachen

Das Landgericht Aachen folgte in der ersten Instanz keinem der Argumente des Versicherungsnehmers und wies die Klage ab. Der Grund: Die Verweisungstätigkeit war aus Sicht des Gerichts durchaus geeignet, die Lebensstellung des Versicherungsnehmers zu wahren, da der Vergleichsmaßstab der Zeitpunkt des Eintritts der Berufsunfähigkeit ist und daher eine fiktive Hochrechnung des früheren Gehalts unter Anknüpfung an theoretische Gehaltssteigerungen auf tariflicher Basis unzulässig sei. Auch sei die vertragliche Regelung zur konkreten Verweisung im Nachprüfungsverfahren klar und verständlich und keineswegs intransparent.

Das Urteil des OLG Köln

Dieser Rechtsauffassung folgte das Oberlandesgericht (OLG) Köln in der Berufungsinstanz nicht, gab der Klage statt und verurteilte den Berufsunfähigkeitsversicherer, dem Versicherungsnehmer die vertraglich geschuldeten Leistungen auch über den Zeitpunkt der Leistungseinstellung hinaus zu erbringen (Urteil vom 28. Februar 2020, Aktenzeichen 20 U 19/19).

Nach Auffassung des OLG Köln konnte es dahinstehen, ob die Tätigkeit, auf die der Versicherer den Versicherungsnehmer verweisen wollte, dessen bisheriger Lebensstellung entspricht, weswegen es diese Frage auch offenließ. Der Versicherer konnte den Versicherungsnehmer nämlich schon deshalb nicht im Nachprüfungsverfahren auf eine andere Tätigkeit verweisen, weil die entsprechende Regelung in den Versicherungsbedingungen gegen das Transparenzgebot verstößt und daher unwirksam ist.

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