Stephan Busch (links) und Tim Schreitmüller (rechts) von CoachMeNetto interviewen Menschen aus der Branche zum Thema Honorarberatung. Dieses Mal: Rechtsanwalt Norman Wirth. © CoachMeNetto/Wirth Rechtsanwälte
  • Von Redaktion
  • 18.08.2022 um 15:47
artikel drucken artikel drucken
lesedauer Lesedauer: ca. 05:10 Min

Für die Interview-Reihe „Mit Vision – Über die Lage der Honorarberatung“ luden Stephan Busch und Tim Schreitmüller dieses Mal Norman Wirth zum Gespräch. Der Rechtsanwalt geht unter anderem darauf ein, wie die Branche sich zukunftsfähiger aufstellen könnte, wie die Umstellung auf die Honorarberatung gelingen kann und welche Diskussion er für kontraproduktiv hält.

Wann hast du zuletzt etwas zum ersten Mal gemacht?

Norman Wirth: Es wäre fast ein Bungee-Sprung vom Hochhaus am Alexanderplatz in Berlin gewesen. Aber letztlich habe ich doch meiner 18-jährigen Tochter den Vortritt gelassen. Zuschauen hat mir dann völlig gereicht. Dafür wurde es dann bei mir vor kurzem ein Tandem-Fallschirmsprung – das war mega!

Wenn du dich in die Rolle des Endkunden versetzt: Was bevorzugst du, die Provisions- oder die Honorarberatung?

Ich bin ja auch Endkunde. Sicherlich auch ein sehr interessanter, da ich wirklich für nahezu alles eine passende Versicherung habe. Ich persönlich bevorzuge das Provisionssystem. Aber auch bei Honorar bin ich ansprechbar; im Prinzip bin ich ganz flexibel und definitiv nicht dogmatisch.

Diese aufgeladene Diskussion bei dem Thema Honorar versus Provision ist doch völlig kontraproduktiv.

Was wird deiner Meinung nach in den nächsten fünf Jahren zum Thema Vergütung auf die Versicherungsbranche zukommen?

Wir werden dauerhaft das Thema Provisionsdeckel beziehungsweise Provisionsverbot auf dem Tisch haben. Die Diskussion zum Verbot wird über Brüssel geführt. Die Diskussion zum Deckel – neuerdings von der Bafin auch Provisionsrichtwert genannt – läuft in Deutschland. Getrieben wird sie von der Bafin, vermeintlichen Verbraucherschützern und irritierender Weise auch von Branchenteilnehmern, die meinen, damit den Pools, Vertrieben oder insgesamt dem Maklermarkt schaden zu können. Letzteres finde ich besonders ärgerlich. Zudem wird auch gerade wieder die Diskussion über die Abschaffung der Abschlussprovision gestartet. Auch damit soll wohl weniger den Kunden Gutes getan, als Pfründe gesichert werden. Vor allem schadet man damit gerade jungen Berufseinsteigern, die nicht von einer schon aufgebauten Bestandsprovision leben können und damit in die Abhängigkeit von Provisionsvorschusszahlungen von dem einen oder anderen Strukturvertrieb getrieben werden.

Die Angst vor sozialer Spaltung bei Einführung von Provisionsverboten wird immer wieder genannt. Richtet sich die Honorarberatung nur an vergleichsweise vermögende Kunden?

Mit Blick auf die Erfahrungen im Ausland, insbesondere Großbritannien: Ja. Andererseits gibt es auch bei uns Beispiele dafür, dass auch in weniger zahlungsfähigen Kundenkreisen die Bereitschaft dafür geweckt werden kann, Honorar für eine entsprechend hochwertige Leistung bei Beratung und Vermittlung zu zahlen. Das bedarf aber in erster Linie ein erhebliches Umdenken bei den Maklerinnen und Maklern selbst, um dann die Kundschaft von der Sinnhaftigkeit gut überzeugen zu können.

Ein Gegenargument der Honorarberatung ist häufig, dass sie sich nur wohlhabende Personen leisten können und Personengruppen mit geringem Einkommen keinen Zugang zu dieser Dienstleistung haben.

Die Lösung kann eigentlich nur darin bestehen, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass es zu einem harmonischen Neben- oder Miteinander verschiedener Vergütungsmodelle kommt. Diese ziemlich dogmatisch aufgeladene Diskussion und Schwarz-Weiß-Zeichnung bei dem Thema Honorar versus Provision ist doch völlig kontraproduktiv.

Nutzt diese Personengruppe mit geringem Einkommen aktuell überhaupt das Angebot der klassischen Vermittler und Berater?

Die Antwort ist ein klares Ja! Natürlich bekommen auch Kundinnen und Kunden mit geringem Einkommen die Möglichkeit der Beratung und Vermittlung und sie nutzen es auch. Gegenteiliges habe ich aus Deutschland noch nie gehört. Das ist klassische Mischkalkulation und gerade in kleineren Orten kann es sich eine Vermittlerin oder ein Vermittler doch gar nicht leisten, den einen Kunden zu betreuen und die andere Kundin nicht, nur weil sie ein geringeres Einkommen hat. Das ist doch auch eine Frage der Außenwirkung.

Inwiefern könnte die unternehmerische Freiheit und Verantwortung jedes einzelnen Vermittlers auch dazu führen, dass es Beratungskonzepte gegen Honorar für Personengruppen mit geringem Einkommen gibt?

Ich denke, dass das betriebswirtschaftlich keinen Sinn ergeben würde, lasse mich aber gern eines Besseren belehren. In anderen Worten: Wenn Vermittler einen Weg finden sollten, auch die Honorarberatung und -vermittlung für einkommensschwache Kunden betriebswirtschaftlich sinnvoll zu gestalten, wäre das prima und ich wäre der erste Gratulant.

Ist meine Arbeit Geld wert?

Mal ganz provokant gefragt: Enthält in deinen Augen die Aussage, dass wir in der Branche nicht den „Arsch in der Hose“ haben, den Kunden klar zu sagen, was wir kosten und was unsere Dienstleistung wert ist, einen wahren Kern?

Ich halte es für gut und richtig, den Kunden klar zu kommunizieren, was die zu erbringende beziehungsweise die erbrachte Leistung kostet. Das hat doch auch was mit dem eigenen Selbstverständnis zu tun. Ist meine Arbeit Geld wert? Die Antwort muss doch ein klares Ja sein. Wenn das für mich selbst klar ist, kann ich es auch überzeugend transportieren.

 

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

kommentare

Hinterlasse eine Antwort