Stephan Busch (links) und Tim Schreitmüller (rechts) von CoachMeNetto interviewen Menschen aus der Branche zum Thema Honorarberatung. Dieses Mal: Coach und Autor Christoph R. Kanzler. © CoachMeNetto/privat
  • Von Redaktion
  • 07.03.2023 um 12:25
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lesedauer Lesedauer: ca. 04:45 Min

Für die Interview-Reihe „Mit Vision – Über die Lage der Honorarberatung“ luden Stephan Busch und Tim Schreitmüller dieses Mal Christoph R. Kanzler ein. Er ist Coach, Vortragsredner und Autor und geht unter anderem auf das Vorurteil ein, dass Geringverdiener keine Honorarberatung in Anspruch nehmen wollen.

Wer oder was inspiriert dich?

Mich inspirieren alle Menschen, die gegen alle Widerstände über sich selbst hinauswachsen.

Wann hast du zuletzt zum ersten Mal etwas gemacht?

Ich bin am 18. Juni zum ersten Mal mehr als 100 Kilometer gelaufen. Als ambitionierter Marathon- und Ultraläufer seit einigen Jahren war es das erste Mal, dass ich die 100- Kilometer-Marke überschritten habe.

Es wird häufig über rechtliche Unklarheiten und Gefahren bei der Honorarberatung gesprochen. Welche siehst du?

Wenn ich mich entscheide, mich als Berater nur noch direkt von dem Kunden bezahlen zu lassen, dann gibt es keine rechtlichen Unklarheiten. Bei einer Vermischung von Provision und Honorar kann es zu Fragestellungen kommen, die meiner Erfahrung nach aber immer beantwortet werden können.

Das Thema Honorarberatung wird nun seit über zehn Jahren in der Fachpresse als „die Chance für Vermittlerinnen und Berater“ kommuniziert. Nicht selten wird die Honorarberatung folglich als die Lösung der Zukunft gehandelt. Warum wird die Honorarberatung von Vermittlern und Beratern aus deiner Sicht noch nicht aktiv angepackt?

Veränderungen brauchen immer ihre Zeit. Wir Menschen sind vorsichtig bei Neuem. Es braucht einfach erst ein ausreichendes Vertrauen in dieses Beratungsmodell. Honorarberatung wird wachsen, je mehr Berater über ihre Erfolge damit berichten. Wenn kein Provisionsverbot wie zum Beispiel in England oder den Niederlanden kommt, dann wird die Honorarberatung ihren Platz neben der Provisionsberatung bekommen.

Der Bedarf nach Finanzberatung von Personengruppen mit geringem Einkommen sind enorm

Was wird deiner Meinung nach in den nächsten fünf Jahren zum Thema Vergütung auf die Versicherungsbranche zukommen?

Das kann niemand voraussagen. Die Politik und auch die Öffentlichkeit werden sich jedoch voraussichtlich stärker mit diesem Thema befassen. Die Versicherungsbranche sollte daher überlegen, wie das Kosten- beziehungsweise Ertragsverhältnis aus Sicht des Kunden optimiert werden kann. Keiner hat ein Problem mit Kosten, wenn die Ablaufleistungen für den Kunden stimmen. Bei Fondspolicen können beispielsweise die Kosten bei den Investmentfonds durch die Verwendung von „Clean Share Classes“ ohne BP verringert werden, was einige Gesellschaften ja auch schon konsequent umsetzen. Die Generierung von besserer Investment-Performance kann hier zusätzlich helfen. Hier gilt es die Berater darin zu schulen, den Unterschied zwischen investieren und spekulieren zu verstehen und auch an ihre Kunden zu vermitteln. Die Kombination von niedrigen Investmentkosten und höherer Performance kann hier immens helfen, die Diskussion in die richtige Richtung zu lenken.

Die Angst vor sozialer Spaltung bei Einführung von Provisionsverboten wird immer wieder genannt. Richtet sich die Honorarberatung nur an vergleichsweise vermögende Kunden?

Das ist eine Nebelkerze, die von Gegnern der Honorarberatung gerne gezündet wird und durch keinerlei Fakten belegt ist. Meine Erfahrung als Anleger Coach ist, dass Menschen mit durchschnittlichen und auch geringen Einkommen durchaus bereit sind, für Beratung zu bezahlen, wenn sie den Mehrwert der Beratung sehen. Hier braucht es aber Mut, sich nicht hinter Produkten zu verstecken, sondern sich als Berater entsprechend zu positionieren.

Finanzberatung als Geschäftsmodell muss neu gedacht werden

Inwiefern könnte die unternehmerische Freiheit und Verantwortung jedes einzelnen Vermittlers auch dazu führen, dass es Beratungskonzepte gegen Honorar für Personengruppen mit geringem Einkommen gibt? Würde eine Spezialisierung von Vermittlern und Beratern auf die Belange von Personengruppen mit geringem Einkommen Sinn ergeben?

Der Bedarf nach Finanzberatung von Personengruppen in Deutschland mit geringem Einkommen ist enorm. Gerade in dieser Zielgruppe zählt, dass jeder Cent bestmöglich von der Kraft freier Märkte profitiert. Der technische Fortschritt macht es heute möglich, Inhalte zu digitalisieren und diese an viele Personen zu geringen Kosten zu vermitteln. Finanzberatung als Geschäftsmodell muss hier neu gedacht werden.

kommentare
Gabriele Fenner
Vor 1 Jahr

Es macht eben einen Unterschied, zwischen sich beraten lassen zu wollen und sich eine Beratung leisten zu können.
Und es macht einen Unterschied, aus welcher Perspektive ich “Geringverdienst” definiere.
Wirkliche Geringverdiener*innen in Deutschland können sich rentenrelevante eigene Beiträge selbst zu geförderten Altersvorsorgeprodukten überwiegend gar nicht mehr leisten und haben schon gar kein Geld für “gute Erfahrungen” mit einem fröhlich motivierten Berater.
Ehrlichkeit wäre das Gebot der Stunde. Ob als Vermittler*in oder Berater*in brauchen wir Kund*innen, die auch unser Einkommen gewährleisten.
Der Rest wäre Sozial-Politik und Verzicht der Finanzwirtschaft, auch an solchen Kunden mitverdienen zu wollen, für die komplizierte Produkte wie z.B. Riester-Rente den Lebensabend verbessern sollten.

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Gabriele Fenner
Vor 1 Jahr

Es macht eben einen Unterschied, zwischen sich beraten lassen zu wollen und sich eine Beratung leisten zu können.
Und es macht einen Unterschied, aus welcher Perspektive ich “Geringverdienst” definiere.
Wirkliche Geringverdiener*innen in Deutschland können sich rentenrelevante eigene Beiträge selbst zu geförderten Altersvorsorgeprodukten überwiegend gar nicht mehr leisten und haben schon gar kein Geld für “gute Erfahrungen” mit einem fröhlich motivierten Berater.
Ehrlichkeit wäre das Gebot der Stunde. Ob als Vermittler*in oder Berater*in brauchen wir Kund*innen, die auch unser Einkommen gewährleisten.
Der Rest wäre Sozial-Politik und Verzicht der Finanzwirtschaft, auch an solchen Kunden mitverdienen zu wollen, für die komplizierte Produkte wie z.B. Riester-Rente den Lebensabend verbessern sollten.

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